Die ganze Geschichte

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                                                                   Kira


 Ihr Herz raste noch immer und schlug wie wild gegen ihre Rippen, nachdem Intef den Kampf beendet hatte. Sie wusste nicht, was sie mehr überraschte: Dass Yuki ihren Bruder zu einem Duell herausgefordert hatte, oder dass Intef wagemutig in den Kampf eingestiegen war. Am liebsten hätte sie beide in ihre Arme geschlossen und nie wieder losgelassen, doch wurde ihr schlagartig bewusst, dass sie noch immer von einer neugierig gaffenden Menschenmenge umgeben waren. Widerwillig löste sie sich von ihrer weinenden Freundin, wischte ihr voller Sorgfalt ein letztes Mal die Tränen von der Wange und zog ihre beiden Gefährten mit sich.

„Kommt, wir machen uns lieber vom Acker.‟ In der Menge wurde lautes Gemurmel hörbar; dutzende Augenpaare folgten ihnen, als sie den Platz des Tempels verließen. Kira musste sich mit ausgestreckten Ellenbogen durch die Masse kämpfen, die sie nur ungern gehen ließ.

Sie entfernten sich vom Tempel, ließen das riesige rote Tor hinter sich und verschwanden außer Sichtweite in die vielen Gassen der Stadt. Nachdem sie schon einige Häuserblocks hinter sich gelassen hatten, meldete Yuki sich erstmals zu Wort. „Irgendwo hier in der Nähe habe ich Kiso angebunden...‟ Ihre Stimme klang leise und brüchig.

Gemeinsam liefen sie schweigend durch die Straßen. Staub wurde von ihren Füßen aufgewirbelt und klebte bereits an ihren Sandalen und Kimonos als sie die Stelle erreichten, wo ein monströser Rappe achtlos an einen Bambusstrauch festgebunden war. Das Pferd schien sich trotz des lockeren Knotens, der ihn an den Bambus band, nicht von der Stelle bewegt zu haben, schien sich sogar zu freuen, als Yuki in sein Blickfeld trat. Fröhlich wiehernd wackelte er mit dem Kopf. Kira war sich unschlüssig, ob das Pferd Yuki mehr vermisst hatte, als sie ihn oder andersherum. Ein leichtes Lächeln breitete sich auf Yukis Gesichts aus, als sie die Arme um den Hals des Rappen schlang.

„Kiso ist sein Name, richtig?‟ Vorsichtig tätschelte Kira dem Tier den Hals. Sein warmes Fell übte Augenblicklich eine beruhigende Wirkung auf sie aus.

Yuki löste sich von ihrem Pferd und warf einen Blick in die Runde, der wirkte, als sei sie sich unschlüssig, ob sie erneut zu weinen anfangen sollte, oder nicht. Schließlich wandte sie sich Kira zu und antwortete: „Kiso ist der Name eines magischen Pferdes aus einer Sage. Nichts treffenderes hätte ich für meinen Freund hier finden können.‟ Sie wandte sich dem Tier erneut zu, welches aufmerksam sie Ohren aufgestellt hatte, als würde es alles verstehen, was gesagt wurde. Wieder breitete sich Schweigen zwischen den dreien aus. Yukis Gesicht wirkte noch aschfahler, als sonst und im nächsten Moment gaben auch schon ihre Beine nach. Völlig entkräftet sank sie zu Boden und zog die Knie an die Brust. Wie als traue sie sich nicht, den beiden anderen in die Augen zu schauen, verbarg sie ihr Gesicht hinter den Armen. Ihr Schluchzen war zwar mittlerweile versiegt, doch zitterte sie nun am ganzen Körper. Kira konnte sich vorstellen, wie mitgenommen und enttäuscht sie sein musste. Sie ließ sich zu ihrer rechten nieder und nahm sie vorsichtig in den Arm. Intef setzte sich ebenfalls neben sie und versuchte, beruhigend auf sie einzureden, doch das Mädchen zeigte keine Reaktion.

„Ich weiß, dass du dich jetzt bestimmt total mies fühlst‟, begann Kira. „Wir verstehen, warum du das gemacht hast. Aber-‟

„Das war meine einzige Chance, meinem Vater zu zeigen, dass ich fähig genug bin, ihn zu begleiten!‟, fuhr Yuki ihr dazwischen, das Gesicht immer noch versteckt gehalten.

Ein Seufzen entfuhr Kira. „Yuki, soll ich mal ganz ehrlich zu dir sein? Die Aktion von eben, die hätte deinen Vater einen Dreck interessiert. Deinen Bruder in Lebensgefahr bringen? Inwiefern hätte dir das Respekt und Anerkennung verschafft?‟

Yuki fuhr hoch und sah ihr ins Gesicht. „Vielleicht hätte mein Vater mich als Ersatz mitgenommen, wenn Tadamune verletzt gewesen wäre.‟ Ihre Augen schimmerten feucht.

„Du hast deinen Bruder verletzt‟, begann Intef. „und es hat dir nichts gebracht.‟

„Jetzt hör mir mal gut zu.‟ Kira spürte, dass sie brutal ehrlich werden musste, wenn sie wollte, dass ihre Freundin verstand. „Dich selbst und deinen Bruder in Gefahr zu bringen, hätte dir von niemandem Respekt eingebracht. Im schlimmsten Fall wärst du sogar noch von deinem Vater bestraft worden, sofern es ihn denn ein klitzekleines bisschen interessiert. Stell dir mal vor, du hättest Tadamune wirklich schwer verletzt. Oder sogar getötet. Würdest du mit der Last leben wollen, deinem eigenen Bruder so etwas angetan zu haben? Ich denke nicht.‟ Als sie sah, dass ihr Gegenüber sie mit vor Überraschung aufgerissenen Augen ansah, wusste sie, dass sie endlich zu ihr durchgedrungen war. „Du willst dich beweisen? Du willst den Respekt und die Anerkennung der Leute um dich herum? Dann überzeuge sie mit deinem Charakter, nicht mit deinem Schwert! Du kannst auch anders zeigen, dass du stark, selbstständig und erwachsen bist.‟

„Und wie?‟ Zweifelnd Yuki sie an.

Kira überlegte einen Moment, wog ihre Antwortmöglichkeiten aufs Genaueste ab, doch schon im nächsten Augenblick kam Intef ihr zuvor.

„Indem du dich uns anschließt, und uns hilfst, einen Zeitreisenden zu finden und vor einer wahnsinnigen Mörderin zu retten, die von Jahrhundert zu Jahrhundert reist um alle, die fremd in ihrer Zeit sind, umzubringen, so wie sie es mit unserem Freund Ramose getan hat, den sie getötet hat und der uns wertvolle Informationen hinterlassen hat, mit denen wir sie aufspüren und ihr das Handwerk legen können.‟

Yukis starrte ihn mit offenem Mund an.

„Wie sieht's aus, bist du dabei?‟


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Time Leader - Im Land der aufgehenden SonneWo Geschichten leben. Entdecke jetzt