Kira
Der Wurfstern mit seinen messerscharfen Zacken glänzte im Sonnenlicht, als wolle er sie verspotten. Erst jetzt kam ihr der Gedanke, dass dem einen vielleicht noch mehrere folgen konnten und zog ihre Freunde grob vom Boden hoch. Wie gehetzte Tiere rasten sie zurück ins Dickicht, wo Kiso nervös hin und her trippelte. Das Pferd spürte die Gefahr, die sie alle umgab. Schwer atmend schaute Kira sich um, doch konnte sie den Angreifer nirgends entdecken.
Im nächsten Moment hörte sie wieder ein leichtes Zischen. Sie warteten gar nicht erst, bis das tödlich glänzende Silber in ihr Blickfeld trat, sondern warfen sich gleich Schutz suchend hinter den nächsten Baum. Ein längliches Messer ragte an der Stelle, an der Intef noch vor einer Sekunde gestanden hatte, aus dem Boden heraus. Ein weiterer Wurfstern hatte sich direkt über Yukis Kopf in die Baumrinde gebohrt. Kiras Verstand begann zu rasen. Sie wusste, dass wenn sie sich nicht jetzt, und zwar jetzt sofort etwas einfallen ließe, würden sie nicht glimpflich davon kommen.
Vorsichtig zog sie ihre Freunde weiter ins schützende Dickicht zurück. Im nächsten Augenblick erkannte sie plötzlich, dass ein dunkler Schatten sich auf sie zu bewegte. Ihr Angreifer hatte endlich sein Versteck verlassen und kam mit jedem Schritt, den die schwarz gekleidete Gestalt machte, weiter in ihre Nähe. Doch war sie nicht allein! Wie aus dem Nichts tauchten plötzlich weitere Maskierte auf, schienen wie von Zauberhand aus Büschen zu Tage zu treten und hinter Bäumen hervor zu tauchen. Kira warf einen raschen Blick über die Gestalten und schätzte sie auf etwa zwanzig Stück. Sie schluckte. Zwanzig bewaffnete Krieger die sich langsam an ihre Beute heranpirschten. Je weiter die drei Freunde sich zurück zogen, desto weiter entfernten sie sich von Yukis Pferd. Mit einem Schrecken erkannte Kira, dass die Schwerter ihrer Freunde noch am Sattel hingen! Ein Gefühl von Verwundbarkeit stieg in ihr auf, als ihr Blick zu den am Sattel des Rappen baumelnden Waffen wanderte. Sie hatten keine Zeit, zurück zu laufen, da ihre Gegner sich immer weiter zu ihnen durch das Gestrüpp geschlagen hatten und das Pferd keine Anstalten machte, sich vom Fleck zu bewegen.
Kalter Schweiß begann nun, ihr den Rücken herunter zu laufen. Sie wusste, dass sie nicht ewig rückwärts durch den Wald laufen konnten; irgendwann würden die maskierten Krieger sie einholen. Sie musste etwas tun und dass schnell. Hektisch wanderte ihr Blick von dem Pferd zu dem Wurfmesser das einige Meter weiter entfernt im Boden steckte zu dem Wurfstern der aus einem der Baumstämme herausragte. Eine irre Idee formte sich in ihrem Kopf. Ehe sie weiter darüber nachdenken konnte, folgten den verfehlten Wurfgeschossen weitere. Ein Regen aus tödlich glänzendem Metall ergoss sich über sie. Mit Mühe konnten sie den meisten ausweichen, kamen jedoch nicht ohne Kratzer und Schrammen davon. Als ihre Angreifer erneut in die Falten ihrer dunklen Kleidung griffen um weitere Waffen hervorzuholen, sah Kira ihre Chance. Vollgepumpt mit Adrenalin stürzte sie nach vorn, stürzte sich auf die Wurfsterne- und Messer, die überall aus Waldboden und Pflanzen herausragten und zog eine Handvoll von ihnen aus dem Dickicht. Anscheinend musste sie ihre Gegner überrascht haben, denn diese zögerten. Im Gegensatz zu ihr. Keine einzige Sekunde verschwendend hob sie ein Geschoss über den Kopf und warf es in Richtung der erst besten Person, die ihr am nächsten stand. Mit einem lauten zischen Flog es durch die Luft und traf die Gestalt direkt in den Bauch. Kira wartete gar nicht erst darauf, dass die Person zusammengekrümmt umfiel, sondern feuerte wie eine Wilde ein Messer nach dem anderen in die Richtung ihrer Aggressoren. Die meisten von ihnen verfehlten ihr Ziel, doch wurden einige zu blutigen Volltreffern.
Sowohl die Krieger als auch ihre Freunde schienen sich im nächsten Moment aus ihrer Schockstarre zu lösen. Yuki und Intef schrien hinter ihr irgendetwas, was sie wegen dem Rauschen in ihren Ohren nicht verstand. Sie konzentrierte sich auf die Gestalten vor ihr, die erneut nach den Waffen griffen. Ein weiterer Hagel Metall ergoss sich über sie. Gerade noch rechtzeitig machte sie einen Satz zur Seite und bewahrte sich vor dem Schlimmsten. Wieder machte sie sich daran, Wurfsterne vom Boden aufzulesen und schleuderte sie auch schon im nächsten Moment gnadenlos auf die Angreifer. Mit grimmiger Befriedigung sah sie, wie ein paar von ihnen verletzt zusammen sanken. Gerade hob sie den Arm um das letzte Geschoss zu schleudern, als ihr plötzlich ein stechender Schmerz durch den Arm fuhr. Mit einem erschrockenen Schrei ließ sie die Waffe fallen und hielt sich den Arm, in dem nun eine Art gezackte Nadel steckte. Warmes Blut lief ihren Oberarm hinunter und tränkte ihre Kleidung in teuflisches Rot. Sie versuchte, den Schmerz in ihrem schon fast tauben Arm zu ignorieren und sah auf. Die Gestalten hatten sich schon ein ganzes Stück weiter in ihre Richtung gekämpft. Viele von ihnen hatten Blasrohre aus Baumbus hervor geholt und schossen kleine Todbringer wie der in Kiras Arm auf sie zu. Nur noch das Pferd befand sich zwischen ihnen, so nah waren ihnen die Kämpfer bereits gekommen. Plötzlich traf eine Idee Kira wie einen Blitzeinschlag. Das Pferd! Sie gab ihre geschützte Position im Gestrüpp auf und rannte dem Rappen entgegen. Die Gestalten sahen dies und legten ebenfalls an Tempo zu um ihr entgegen zu kommen. Doch Kiras an Verfolgungsjagden und Flucht gewöhnte Beine trugen sie schneller. Einen Moment später stand sie neben dem Pferd und riss eins von Yukis Schwertern vom Sattel. Die Angreifer waren ihr schon zu nah, als dass sie die restlichen Waffen noch vom Sattel hätte lösen können, also tat sie das Erste, was ihr in den Sinn kam: Sie holte mit der Hand aus und schlug dem Pferd so brutal auf die Flanke, dass es sich sofort erschrocken auf die Hinterbeine stellte und laut wieherte. Die in der Luft fliegenden Hufe des Tiers ließen ein paar der Krieger zögernd zurück treten.
Kira nutzte diesen Moment, hob das Schwert ihrer Freundin und drehte sich in die Richtung, in der sie sie zurück gelassen hatte. Zu ihrer Überraschung kamen Yuki und Intef beide auf sie zugerannt. „Hier!‟, schrie Kira und schleuderte ihrer Freundin ihr Schwert entgegen. Wäre sie die tapfere Heldin einer Sage gewesen, hätte sie das Schwert wahrscheinlich so perfekt in Yukis Richtung geworfen, dass diese, einer treuen Gefährten einer tapferen Heldin würdig, es ebenso perfekt gefangen hätte und im selben Moment ein dutzend ihrer Angreifer mit der Waffe nieder gestreckt hätte. Die Realität sah jedoch anders aus. Kira war eben nicht die legendäre Heldin einer Sage und warf das Schwert ziemlich weit daneben. Ihre Freundin schaffte es jedoch, die Waffe an sich zu bringen und sofort zu ziehen. Wagemutig sprang sie dem erst besten Krieger entgegen und verwickelte diesen in ein tödliches Duell. Kira nutzte die Gelegenheit und schlug dem Pferd erneut, diesmal noch kräftiger als zuvor, Hinterbacke. Empört legte es die Ohren an und erhob sich erneut in die Luft. Wie von Tollwut erfasst flogen seine Hufe durch die Luft und trafen einige der Angreifer ins Gesicht. Der Rappe musste ebenso mit Adrenalin vollgepumpt sein, wie sie, denn jedes Mal, wenn er sich auf alle Viere stellte, dauerte es nicht lange und er erhob sich wieder wie ein wilder Kämpfer in die Luft. Schädel knackten und Nasen brachen unter Kisos wütenden Hufen; sein wildes Wiehern klang wie der tierische Kampfschrei eines Kriegers.
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Time Leader - Im Land der aufgehenden Sonne
AdventureBand 2 der Time Traveler-Reihe und Fortsetzung zu "Durch den heißen Wüstensand" Kira und Intef treten ihre erste gemeinsame Zeitreise an, um den Tod ihres Freundes Ramose zu vergelten und die restlichen Zeitreisenden vor der rachsüchtigen Mörderin M...