8. Kapitel

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,,Was? Das kann doch nicht wahr sein! Soll das jetzt ewig so weiter gehen?" Ich war vollkommen entsetzt und starrte mit weit aufgerissenen Augen auf das Bild auf Rileys Laptop. Das Bild, wo ein blutüberströmter Leichnam eines kleinen Mädchens zu sehen war. ,,Wie alt war sie?", wisperte ich nun mit tonloser Stimme. ,,Sie war erst acht Jahre alt. Man hat sie in der Nähe der Elbe gefunden. Es gab aber leider keine Anzeichen darauf, wer den Mord begangen haben könnte. Ich tippe aber auf die Skull's." Die Stimme meines Bruders klang genauso verstört, wie meine. Das hatte er also mit den schlimmen Nachrichten gemeint. Anscheinend wussten unsere Eltern noch nichts von dem toten Mädchen, welches ziemlich zerfetzt aussah, denn sonst wäre unser Dad am Tatort und das wüsste ich. Ich sackte gegen die Wand und rutschte daran herunter. Dann vergrub ich den Kopf zwischen meinen Händen und schloss die Augen. So viel war innerhalb vierundzwanzig Stunden passiert; die Hälfte davon war mit negativen Auswirkungen belastet. Gestern hatte ich noch ein normales Leben geführt, fast ohne Sorgen, doch jetzt war ich in einer Welt gefangen, aus der ich wahrscheinlich nicht wieder so leicht herauskam. Um mich herum starben Menschen und ich konnte nichts dagegen tun. Dieses Gefühl zerriss mich innerlich fast. Plötzlich spürte ich eine Hand auf meiner Schulter und als ich aufsah, blickte ich in Rileys besorgtes Gesicht. ,,Alles okay?" Was für eine blöde Frage. ,,Nein! Nichts ist okay! Es sterben Menschen, Riley! Und wir müssen tatenlos zusehen! Die Erde ist in Gefahr, wenn wir nichts tun, ist die Menschheit bald Geschichte! Dann wären da noch die Skull's, von denen wir nie wissen, welchen Schritt sie als nächstes gehen! Also frag nicht, ob alles okay ist!" Ich schrie fast. Bei meinen Worten konnte ich spüren, wie Riley sich immer mehr anspannte. Es schien ihn zu treffen, dass ich so laut wurde. Dann nahm er die Hand von meiner Schulter und wendete sich ab. ,,Tut mir leid. Das war dämlich von mir. Natürlich ist nichts in Ordnung", sagte er leise. ,,Nein. Mir tut es leid. Ich hätte nicht so laut werden dürfen. Es ist nicht deine Schuld." Plötzlich fühlte ich mich sehr müde und erschöpft. Riley sah mich wieder an und lächelte gequält. ,,Wir sind wohl alle gestresst." Ich nickte und lehnte meinen Kopf gegen die Wand. Auf einmal klopfte es zaghaft an der Tür. Unsere Mutter steckte den Kopf in das Zimmer herein. ,,Alles in Ordnung? Ich hab laute Stimmen gehört, also..." Ihr Blick fiel auf Rileys Laptop. Ihre Gesichtszüge verfinsterten sich. Also wusste sie doch davon. ,,Ihr habt es also auch schon gesehen. Ein Glück müssen wir uns nicht mit diesem Horror befassen, da der Fall einer anderen Polizeistation zugeschrieben wurde. Eine schlimme Sache ist das. Erst dein Lehrer, Lys, und jetzt ein unschuldiges kleines Mädchen. Dort draußen muss echt ein Verrückter sein Unwesen treiben." Sie schaute gedankenverloren, mit einem leicht verängstigten Ausdruck in den Augen, aus dem Fenster und wandte sich dann wieder uns zu. ,,Jetzt hört auf, euch die schrecklichen Dinge in dieser Welt anzusehen und kommt in die Küche. Ich hab Pfannkuchen gebacken." Sie zwinkerte uns zu, schloss die Tür und ging wieder nach unten. Normalerweise mochte ich Pfannkuchen, aber unter diesen Umständen war mir der Appetit vergangen. Riley sah mich noch einmal an, stand auf und ging zur Tür. ,,Kommst du?", fragte er. Ich nickte und drückte mich langsam vom Boden hoch. Dennoch schwankte ich leicht, fing mich aber, bevor ich umkippte. Riley sah mich immer noch besorgt an. ,,Mir geht es gut, keine Sorge", meinte ich mit einem schiefen Lächeln. Er sah nicht so aus, als würde er mir glauben, öffnete dann aber trotzdem die Tür und ging die Treppe herunter. Mit immer noch leichtem Schwindelgefühl, folgte ich ihm.

,,Ich muss gleich noch mal einkaufen gehen, bevor es dunkel wird. Braucht ihr irgendetwas?" Meine Mutter räumte die leeren Teller in die Spülmaschine. Wir hatten schweigend am Tisch die Pfannkuchen gegessen. Der Mord an dem kleinen Mädchen machte uns immer noch zu schaffen, aber keiner von uns wollte darüber sprechen. ,,Nein. Ich brauch nichts", meinte ich. Riley schüttelte ebenfalls den Kopf. Meine Mutter zuckte mit den Schultern und klappte die Spülmaschine zu. Das leise Plätschern des Wassers, welches das Geschirr reinigte, durchbrach die Stille. Unsere Mom lehnte sich mit dem Rücken an die Spüle und verschränkte die Arme vor der Brust. ,,Was ist mit euch beiden eigentlich los? Seit gestern benehmt ihr euch total zurückhaltend und still." Riley und ich wechselten einen Blick und ich schüttelte kaum vernehmlich meinen Kopf, sodass nur Riley es bemerken konnte. Er versuchte es mit einer Ausrede: ,,Es ist nichts. Wir sind nur..." ,,Ihr seid was? Ich kenne euch lange genug um zu wissen, dass es noch irgendetwas anderes gibt, was euch beschäftigt, als die Morde an Lys' Lehrer und dem Mädchen. Also, sagt mir, was los ist." ,,Skye zieht um. Das ist es", sagte ich schnell, bevor Riley sich doch noch verplappern konnte. ,,Aber das betrifft doch nur dich und nicht Riley", meinte meine Mutter verwundert. Als sie meinen Gesichtsausdruck sah, fügte sie noch hinzu: ,,Tut mir leid. Ich spiele wieder die arrogante Mutter. Es ist natürlich sehr schade, dass Skye umzieht. Du hast mein vollstes Mitgefühl. Meine beste Freundin ist damals auch umgezogen und es war schrecklich, weil ich mich so alleine gefühlt habe. Aber dann habe ich euren Vater, ein paar Jahre später, kennen gelernt und... Entschuldigt bitte. Ich rede wieder zu viel." Sie kam auf mich zu und umarmte mich fest. Irgendwann ließ sie mich wieder los und sah mir in die Augen, während ihre Hände noch auf meinen Schultern ruhten. ,,Aber ihr könnt euch ja in den Ferien gegenseitig besuchen. Dagegen hab ich nichts." Sie lächelte mir noch einmal aufmunternd zu und ließ mich dann los. Dann trat sie einen Schritt zurück und blickte Riley an, der immer noch still neben mir stand. ,,Was ist jetzt mit dir? Was bedrückt dich?" Riley verdrehte die Augen. ,,Oh Gott. Ich fühl mich, wie beim Psychologen." Dann machte er auf dem Absatz kehrt und stapfte die Treppe hoch in sein Zimmer. Mom riss genervt die Arme hoch und ließ sie dann wieder sinken. ,,Es hat eh keinen Zweck. Riley ist mal wieder aus irgendeinem Grund schlecht gelaunt", meinte sie. Ich zuckte nur mit den Schultern und sagte: ,,Ich geh auch nach oben und ruh mich ein bisschen aus." Sie nickte und griff nach einem Lappen, um den Tisch abzuwischen. Ich ging nach oben und wollte gerade an Rileys Zimmertür anklopfen, da überlegte ich es mir anders. Vielleicht sollte ich ihn einfach in Ruhe lassen. Da er eben so gestresst reagiert hatte, war ich mir nicht sicher, ob er es jetzt noch gebrauchen könnte, wenn ich ihn wieder mit Fragen überschüttete. Also ging ich in mein eigenes Zimmer und ließ mich erschöpft auf mein Bett sinken. Ich überlegte, was ich jetzt machen konnte. Entweder konnte ich etwas für die Schule machen, oder ich schlief ein wenig. Eigentlich hielt ich es für sinnvoller, wenn ich den Schulkram erledigte, aber ich war viel zu müde. Eine Zeit lang hielt ich es noch aus mit geöffneten Augen an die Decke zu starren, doch dann überkam mich die Müdigkeit, meine Lider fielen zu und ich fiel in einen Schlaf, voller Alpträume.

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