12. Kapitel

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,,Wie willst du denn herausfinden von wem das Blut stammt?" Wir standen vor der Wand im Wohnzimmer und betrachteten die Aufforderung, dass ich mich den Skull's ausliefern solle. Ich sah Jay fragend an, der jetzt einen Schritt nach vorne machte und die Hand auf die Wand legte. ,,Ich probiere einfach den Eigentümer dieses Blutes zu orten", war seine einzige Antwort. Dann schloss er die Augen und sah ziemlich konzentriert aus. Seine Hand leuchtete auf einmal golden und das Licht breitete sich auf das Geschriebene aus. Plötzlich zuckte er keuchend zurück und riss die Augen auf. ,,Jay, was ist los? Was hast du gesehen?", fragte ich beunruhigt. Er krümmte sich zusammen und verzog das Gesicht, als ob er große Schmerzen hätte. ,,Ich hab sie gesehen", presste er hervor. ,,Die Skull's haben sie in ihrer Gewalt. Ich hab ihre Schmerzen gespürt. Das Blut an der Wand stammt von ihnen allen. Lys, es tut mir leid das jetzt sagen zu müssen, aber..." ,,Was aber?", fragte ich verzweifelt. ,,Aber sie sind dort, wo wir nicht hinkommen", beendete er leise seinen Satz. Ich taumelte zurück als hätte ich einen Schlag in den Magen bekommen. ,,Nein, nein, das kann nicht sein. Wir müssen sie retten", erwiderte ich laut. Jay erhob sich und blickte mir geradewegs in die Augen. ,,Irgendwer hat ein Schutzschild um die Welt errichtet, in der sie sind. Wir können uns nicht direkt dorthin teleportieren, wo deine Eltern und Riley sind." ,,Was? Das darf doch nicht wahr sein. Es muss doch eine Möglichkeit geben." Meine Stimme war kaum mehr als ein Flüstern. Als ich Jays traurige Miene sah, schwand meine Zuversicht. Nur mit Mühe konnte ich meine Tränen zurückhalten. Dennoch sank ich auf einmal kraftlos auf den Boden. ,,Lys, es tut mir so leid", sagte Jay leise. ,,Du kannst doch nichts dafür. Ich bin selbst schuld. Ich hätte sie nicht alleine lassen dürfen. Wenn ich auch nur ein wenig bei klarem Verstand gewesen wäre, hätte ich ahnen können, dass die Skull's sie als Druckmittel benutzen wollen." Ich vergrub das Gesicht in meinen Händen. ,,Ich weiß nicht mal was die Skull's überhaupt von mir wollen", wisperte ich tonlos. Es raschelte, als Jay sich neben mich setzte. ,,Ich vermute mal, dass sie von dir gehört haben und jetzt Angst haben, dass ihr ganzer Plan zunichte gemacht wird. Du stellst für sie eine Gefahr dar." Ich hob meinen Kopf und sah ihm in seine goldbraunen Augen. ,,Also wollen sie mich umbringen", stellte ich sachlich fest. ,,Wollen tun sie es schon, aber sie werden es nicht schaffen. Erstens, weil du stärker bist als die Skull's und zweitens, weil ich dich beschützten werde." Ich lächelte ihn traurig an. ,,Wenn ich mich ihnen nicht ausliefere, werden sie meine Familie töten. Habe ich da noch eine Wahl?" Jays Gesichtsausdruck verfinsterte sich. ,,Man hat immer eine Wahl." ,,In diesem Fall nicht." Ich schaute auf den Boden. ,,Es muss ein Möglichkeit geben meine Familie zu retten. Es muss einfach eine geben." Langsam wurde ich verzweifelt. ,,Vielleicht gibt es wirklich eine", sagte Jay. Ruckartig fuhr ich hoch und sah ihn an. ,,Welche denn? Sag es, bitte." Meine Hoffnung war auf einmal wieder da und ich hatte nicht mehr so starke Zweifel daran, dass wir sie nicht retten konnten. ,,Ich sagte, dass wir uns nicht direkt zu ihnen teleportieren können, aber wir können uns ungefähr hundert Meilen vor ihrem Aufenthaltsort teleportieren. Dann müssen wir aber laufen. Das dauert ziemlich lange und dort lauern ziemlich viele Gefahren." ,,Welche Gefahren denn zum Beispiel?", hakte ich nach. ,,Nun ja..." Jay zögerte. Doch als ich ihn erwartungsvoll ansah, sprach er weiter. ,,Sie sind in der Welt der Dämonen." ,,Na ganz großartig", sagte ich ironisch. ,,Trotzdem, du möchtest anscheinend nicht, dass ich mich den Skull's freiwillig ausliefere. Deswegen bleibt uns nichts anderes übrig als sie zu retten, damit die Skull's kein Druckmittel mehr haben." Jay nickte zustimmend. ,,Du gehst aber auf keinen Fall alleine. Ich komme mit." ,,Ich hatte auch nicht vor alleine zu gehen. Dann wäre ich schon tot, bevor ich überhaupt wüsste wo ich bin." Das entsprach vermutlich der Wahrheit, denn nach Jays Erläuterungen wimmelte es dort nur von Dämonen. ,,Lass uns zurückkehren. Wir müssen uns vorbereiten. Außerdem muss ich noch gucken, ob Blake mir dem Blut des Mädchens weitergekommen ist." Wir teleportierten uns zurück nach Epirion, wo wir zuerst zu Blake gingen. Er hatte das Blut inzwischen ausgewertet. ,,Sie wurde von den Skull's ermordet. Ich weiß aber nicht zu welchem Zweck", war seine Antwort. Damit waren wir nicht direkt vorangekommen, aber zumindest wussten wir, dass die Skull's irgendwelche Menschen auf der Erde töteten. Aiden hatte fünf neue Spitzel ausgesucht und ein paar seiner Leute geschickt, damit diese den Auserwählten erklären konnten, was in Zukunft ihre Aufgabe sein würde. Außerdem trafen die Shadrior erste Vorkehrungen für den morgigen Aufbruch nach Setegi. Jay und ich gingen nun zu Roy, damit wir ihn fragen konnten, ob er uns in die Welt der Dämonen begleitete. ,,Ihr beide seid ziemlich lebensmüde", war sein erster Kommentar. ,,Wir würden das auch nicht tun, wenn nicht gerade meine Familie von irgendwem gefoltert werden würde", gab ich bissig zurück. Roy hob abwehrend sehne Hände. ,,Ist ja schon gut. Ich komme mit euch." Jay wirkte zufrieden. ,,Wir verschwinden morgen, wenn die anderen ihre Sachen in die Zwischenwelt zu teleportieren. Dann dürften sie so beschäftigt sein, dass sie es nicht bemerken. Roy, du teleportierst unseren Kram weg, während Lys und ich uns dann um die Waffen kümmern. Wir haben zu wenige." ,,Habt ihr wirklich vor zu dritt in die Dämonenwelt zu gehen?", fragte Roy. ,,Eigentlich schon. Wen hast du denn vor mitzunehmen?", antwortete Jay zögernd. ,,Keine Ahnung." Roy zuckte mit den Schultern. ,,Dann wäre das ja geklärt. Sonst noch irgendwelche Fragen?" Jay blickte uns fragend an. Als Roy und ich den Kopf schüttelten, lehnte Jay sich zurück und verschränkte die Hände hinter dem Kopf. ,,Dann haben wir jetzt nichts mehr zu tun." ,,Ich muss noch ein paar Sachen, die ich brauche, von zu Hause holen", unterbrach ich seine Ruhe. ,,Soll ich mitkommen?", fragte er sofort. ,,Nein, schon gut. Ich brauch einen Moment für mich alleine." Ich lächelte ihm entschuldigend zu und wendete mich zum Gehen. Doch Jay hielt mich zurück, indem er mein Handgelenk festhielt. ,,Pass auf dich auf." ,,Mach ich doch immer", sagte ich. ,,Ja, ich weiß mittlerweile was deine Definition von ,,Ich pass auf mich auf" lautet." Ich musste grinsen. ,,Ich versuche dieses Mal nicht in eine Falle zu geraten." Jay zog die Augenbrauen hoch. ,,Ich vertraue dir.  Mach nicht allzu lange. Und falls irgendetwas sein sollte, komm sofort zurück und sag Bescheid." Dann ließ er mich los und ich verließ mit einem letzten aufmunternden Lächeln das Zelt.
Draußen war die Abendluft frisch und kühl. Ich atmete einmal tief durch, bevor ich mich nach Hause teleportierte. Schnell machte ich mich daran ein paar Sachen zusammenpacken, die wichtig sein könnten. Ich stopfte Sweatshirt, Jogginghose, Unterwäsche und Socken in meinen Rucksack, da ich nicht vorhatte in meinem Kampfanzug zu schlafen. Danach ging ich ins Bad und holte meine Zahnbürste, Zahnpasta und die Haarbürste. Dabei fiel mein Blick in den Spiegel. Ich erschrak, denn ich sah ziemlich schlimm aus: Zerzauste Haare und Ränder unter den Augen. Ich legte den Kram, bis auf meine Haarbürste, beiseite und kämmte erst einmal meine widerspenstigen Haare durch. Nach einer Weile waren sie einigermaßen glatt. Die Ränder unter den Augen konnte ich leider nicht beheben. Ich musste einfach nur länger schlafen, was wohl kaum möglich war. Als ich alles Brauchbare in den Rucksack gestopft hatte, warf ich mich erschöpft auf mein Bett und starrte an die Decke. Meine Energie war komplett aufgebraucht. Eigentlich könnte ich jetzt auf der Stelle einschlafen, aber ich erinnerte mich gerade rechtzeitig noch daran, dass ich Jay versprochen hatte, ich wäre rechtzeitig zurück. Eine Weile lag ich noch einfach so da, doch dann erhob ich mich seufzend und griff nach meinem Handy auf dem Nachttisch. Ich zögerte noch, ob ich es mitnehmen sollte. Einerseits könnte Skye mich anrufen, da ich erst einmal nicht in der Schule erscheinen würde und sie sich vermutlich Sorgen um mich machte, aber andererseits gab es in Epirion vermutlich kein Strom zum Aufladen des Handys und ich würde es außerdem verlieren. Also ließ ich es liegen, nachdem ich Skye eine Nachricht geschickt hatte, dass ich die nächsten Tage erst einmal nicht erreichbar sein werden würde, weil ich das Ladekabel verlegt hatte und mein Handy nur noch wenig Saft hatte. Mir viel leider keine andere Ausrede ein und sie klang ziemlich lahm, aber Skye war ziemlich leichtgläubig. Ich wollte sie eigentlich nicht anlügen. Doch brachte ich es nicht über das Herz sie auch noch mit dieser Sache zu belasten. Sie hatte schließlich genug um die Ohren. ,,Ich sollte besser nach Epirion zurückkehren", sagte ich zu mir selbst, weil ich die Stille unangenehm fand. Ich wollte mich gerade teleportieren, da hörte ich ein Geräusch. Es klang wie ein Scharren auf dem Holzboden in der Küche. Ich zuckte erschrocken zusammen. ,,Na toll", dachte ich mir. ,,Warum kann eigentlich nichts ohne Zwischenfälle laufen?" Eigentlich wollte Jay, dass ich sofort nach Epirion kommen soll, wenn mir etwas merkwürdig erscheinen sollte, aber meine Neugierde siegte und ich schlich leise zur Tür. Langsam öffnete ich sie, darauf bedacht bloß keine Geräusche zu machen. Vorsichtig lugte ich um die Ecke; mein Herz klopfte wie wild. Ich hatte ein wenig Angst, doch dann nahm ich all meinen Mut zusammen und trat aus dem Zimmer. Im Flur war es ziemlich dunkel und ich konnte kaum etwas sehen. Ich traute mich aber nicht das Licht anzuschalten. Plötzlich knarrte eine Holzdiele unter meinen Füßen und das Geräusch, was ich gehört hatte, hörte abrupt auf. Ich hielt mitten in meiner Bewegung inne und verfluchte mich innerlich. Meine Angst wuchs immer mehr und ich bekam langsam Panik. ,,Du solltest von hier verschwinden", schalt ich mich selbst. Dennoch wagte ich es langsam um die Ecke zu sehen. Ich presste mich mit dem Rücken an die Wand und Stück für Stück schob ich meinen Kopf voran. Dann hatte mein Blick die Küche erreicht und ich schrie gellend auf: Ich sah einem Skull direkt in seine leeren Augenhöhlen.

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