6. Kapitel

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,,Alyssa, willst du denn gar nichts essen?" Ich stocherte missmutig in dem Rührei rum. ,,Nein, danke, Mom. Ich hab keinen Hunger." Ich hatte gestern mit Riley bis spät in die Nacht Hausaufgaben gemacht und hatte schlussendlich nur vier Stunden geschlafen. Gott sei Dank war Freitag und morgen dann Wochenende. ,,Mach schnell. Sonst kommst du zu spät zum Unterricht", holte meine Mutter mich aus meinen Gedanken. Ich stand auf und schleppte mich in den Flur, um mir meine Schuhe anzuziehen. Ich zog mir gerade die Jacke an, da kam mein Vater ins Haus. ,,Was machst du denn schon hier, Liebling?", fragte meine Mutter überrascht. ,,Lys, du kannst zu Hause bleiben", sagte mein Vater zu mir und ließ sich auf den Stuhl fallen, auf dem ich gerade noch gesessen hatte. ,,Was? Wieso kann ich zu Hause bleiben? Die Schule fängt doch gleich an." Ich sah meinen Vater verwundert an. Er schüttelte nur mit dem Kopf. ,,Heute nicht. Ein Lehrer von euch ist tot im Schulgebäude aufgefunden worden. Er wurde erstochen. Die Schule darf vorerst nicht betreten werden, weil noch nach Spuren gesucht wird." Mir blieb der Mund vor Schreck offen stehen. Mein Vater arbeitete bei der Polizei und war für die Mordfälle zuständig. Normalerweise passierte so etwas aber selten in unserer Gegend. ,,Welcher Lehrer?", fragte ich immer noch schockiert. ,,Ein gewisser Kendall Houghton. Kennst du den?" Ich rutschte an der Wand herunter. Kendall Houghton war mein Geschichtslehrer. Er war ein bisschen verrückt und hatte sehr viel Fantasie, aber dennoch war er ein guter Lehrer; gewesen, wie es scheint. ,,Mein Geschichtslehrer", antwortete ich mit brüchiger Stimme. ,,Er war mein Geschichtslehrer." Mein Vater nickte. ,,Es tut mir leid, Lys. Dass es ausgerechnet ein Lehrer sein muss, den du kennst. Wir werden den Mörder hoffentlich bald finden." Meine Mutter ging auf mich zu und umarmte mich. ,,Komm. Zieh dir deine Schuhe aus, mein Schatz. Ich bring dich auf dein Zimmer", sagte sie mit sanfter Stimme zu mir. Ich zog Schuhe und Jacke also wieder aus und ging mit meiner Mutter in mein Zimmer. Ich zitterte am ganzen Körper, so schockiert war ich noch von der Nachricht. Ich setzte mich auf mein Bett und meine Mutter redete beruhigend auf mich ein, während sie mich immer noch in den Armen hielt. Langsam ließ das Zittern nach und ich beruhigte mich. ,,Danke Mom. Wo ist Riley überhaupt?" Meine Mutter lächelte. ,,Der schläft noch. Was habt ihr gestern so lange noch gemacht?" Ich deutete auf die Schulbücher, die jetzt nicht mehr ordentlich gestapelt waren, sondern kreuz und quer durch mein Zimmer verteilt waren. ,,Hausaufgaben? Wie lange?", staunte meine Mutter. Ich war nicht dafür bekannt, meine Hausaufgaben freiwillig zu erledigen. ,,Nachdem ihr nach Hause gekommen seid, haben wir immer noch daran gesessen. Ich hab nur vier Stunden geschlafen." ,,Dann schlaf jetzt doch noch. Es ist erst halb acht." Ich nickte und ließ mich auf mein Kopfkissen fallen. Meine Mutter drückte mir einen Kuss auf die Stirn und verließ das Zimmer. Kaum fiel die Tür zu, schlief ich auch schon ein.

Als ich aufwachte und einen Blick auf meinen Wecker warf, war es bereits Mittag. Ich fühlte mich viel ausgeschlafener als ich es am Morgen war. Nach einer Weile, in der ich die Wärme im Bett genoss, schlug ich meine Bettdecke zurück und stand auf. Dann wankte ich immer noch schlaftrunken zur Tür und trat auf den Flur. Ich ging nach unten, aber meine Eltern waren nirgendwo zu sehen. Dafür saß Riley am Küchentisch und trank Kaffee, während er die Zeitung las. Als er mich bemerkte, sah er mich an und meinte schmunzelnd: ,,Guten Morgen, Schlafmütze." ,,So etwas nennst du Morgen? Es ist Mittag", sagte ich und schüttete Cornflakes in eine Schüssel. ,,Ich wollte dich eigentlich wecken, aber Mom meinte, dass ich dich schlafen lassen soll", erklärte Riley. Ich kippte Milch über die Cornflakes und holte mir einen Löffel aus der Schublade. Dann setzte ich mich zu Riley an den Tisch. ,,Wo ist Mom überhaupt?" ,,Mit Dad zur Schule gefahren.  Sie sind im Laufe des Morgens keinen Schritt weiter im Fall >Mord an Kendall Houghton< gekommen. Es steht aber schon in der Zeitung." Er schob die Zeitung zu mir herüber. Ich überflog die Titelseite, die die Überschrift >Mord an Lehrer in Hamburg< trug. Es gab aber nur das wieder, was Dad mir am Morgen schon gesagt hatte. Ich schob die Zeitung wieder zurück und aß einen Löffel Cornflakes. ,,Wer hätte ein Interesse daran, Herrn Houghton umzubringen? Das ergibt doch gar keinen Sinn", rätselte ich mit vollem Mund. ,,Ich weiß es nicht", erwiderte Riley nachdenklich. ,,Was ist eigentlich mit Epirion? Hast du was Neues gehört?" ,,Nein. Jay wollte mich abholen. Ich weiß aber nicht wann." Genau in diesem Moment hörten wir von oben ein Rumpeln. Ich sprang auf und rannte die Treppe hoch. Als ich die Tür zu meinem Zimmer öffnete, stand Jay inmitten meiner Schulbücher und hielt sich das Knie. ,,Nichts passiert. Ich hab mir nur mein Knie an deinem Schreibtisch gestoßen.", stieß er zwischen zusammengebissenen Zähnen hervor. ,,Tut mir leid, wegen des Durcheinanders. Ich bin nicht zum Aufräumen gekommen", entschuldigte ich mich. ,,Willst du noch mit nach unten kommen? Meine Eltern sind nicht da. Und mein Bruder..." ,,…weiß Bescheid?", beendete Jay meinen Satz. Ich nickte. ,,Nicht schlimm. Solange er es nicht weitererzählt." Wir gingen nach unten und Riley stand von seinem Stuhl auf und reichte Jay seine Hand. Jay ergriff sie und sie schüttelten sich die Hände. ,,Hi. Ich bin Riley, der Bruder von Lys", begrüßte Riley Jay. ,,Hallo. Ich bin Jay." Ich setzte mich wieder und aß meine Cornflakes weiter. Riley bat Jay einen Stuhl an und Jay nahm ihn dankend an. ,,Wie alt bist du?", fragte Riley ihn. ,,Riley, bitte. Quetsch ihn nicht aus", ermahnte ich ihn. Jay lachte und sagte: ,,Schon gut, Lys. Er kann mich fragen, so viel er will." Ich zuckte mit den Schultern und wandte mich wieder meinen Cornflakes zu. ,,Ich bin jetzt achtzehn", antwortete Jay auf Rileys Frage. ,,Ein Jahr älter als Lys und ein Jahr jünger als ich", stellte Riley sachlich fest.
Ich war froh, dass die beiden sich verstanden. Sie redeten schon zehn Minuten. Und ich dachte, dass das nur bei Mädchen möglich war. Ich befürchtete schon, dass das Gespräch wohl nie enden würde, da erblickte Jay die Zeitung auf dem Tisch und wechselte abrupt das Gesprächsthema. ,,Welcher Lehrer wurde denn ermordet?", fragte Jay interessiert. ,,Mein Geschichtslehrer, Kendall Houghton", antwortete ich. Jay las sich den Artikel aufmerksam durch und seine Augen weiteten sich mit jeder Zeile, die er las, immer mehr. ,,Ist etwas?", erkundigte ich mich. ,,Das kann doch nicht wahr sein. Nein. Das kann einfach nicht sein", flüsterte Jay erschrocken. ,,Was? Was kann nicht sein?", mischte sich auch Riley ein. ,,Kendall Houghton war einer unserer Informanten. Ein Spion, der uns informieren sollte, wenn etwas Merkwürdiges passieren sollte. Er hat den Skull's, die auf der Erde ihr Unwesen treiben, hinterher spioniert, aber sie scheinen ihm auf die Schliche gekommen zu sein. Verdammt!" Jay stieß eine Reihe von Flüchen aus und meinte dann: ,,Ich muss meinem Vater davon unterrichten. Lys, kommst du mit?" Ich nickte. ,,Riley. Wenn Mom und Dad zurückkommen, sag ihnen, dass ich spazieren gegangen bin, um den Kopf frei zu bekommen", sagte ich zu meinem Bruder. Er nickte auch und dann teleportierten Jay und ich uns nach Epirion.

EpirionWo Geschichten leben. Entdecke jetzt