17. Kapitel

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Jay teleportierte uns in den Wald, wo vor mehreren Stunden, oder Tagen, noch das Lager der Shadrior gestanden hatte. Ich konnte es nicht einschätzen, wie lange es her war, denn ich hatte in der Dämonenwelt jegliches Zeitgefühl verloren. ,,Warum hast du uns nicht nach Setegi teleportiert?", fragte Roy verwundert und ließ Jays Hand los. ,,Das ist zu weit. Ich hab nicht mehr genug Energie. Außerdem brauche ich eine Nacht Pause und Ruhe, bevor ich mich den Schimpftiraden meines Vaters aussetzen kann." Er ließ sich auf den Waldboden sinken und zog mich somit auch hinunter, weil er noch meine Hand hielt. Ich war seiner Meinung, da ich sozusagen auch Ruhe vor dem Sturm brauchte. ,,Ich brauch auch eine Pause", sagte ich also zu Roy und blickte zu ihm hinauf. Er sah uns beide an und seufzte. ,,Also schön. Da es bald dunkel wird, gehe ich Feuerholz suchen. Ihr könnt derweil ein paar Sachen aus der Zwischenwelt holen." Dann drehte er sich um und ging weg. Als er außer Sichtweite war, sah ich Jay an, der immer noch auf dem Boden neben mir saß und nachdenklich auf den Boden starrte. ,,Alles in Ordnung?", fragte ich. ,,Na ja", sagte er, ohne mich anzusehen. ,,Du hast ja Drakes Worte gehört: Die Erde und Epirion sind immer noch nicht außer Gefahr. Außerdem meinte er, dass er wieder kommen würde. Das macht mir Sorgen." Ich verstand ihn nur allzu gut, denn auch ich hatte Sorgen, was Drake als nächstes tun würde, oder ob er überhaupt noch lebte. Auf einmal drehte sich Jay mir zu und sagte dann: ,,Ich hatte zum ersten Mal in meinem Leben wirklich Angst." Erstaunt guckte ich ihn an. ,,Was?" Er senkte den Blick und sah auf unsere noch immer verschränkten Hände. ,,Ich hatte zum ersten Mal in meinem Leben wirklich Angst", wiederholte er. ,,Und zwar um dich." Mein Herz machte einen Sprung. Da fuhr er schon fort: ,,Als ich euer leeres Haus vorfand, war ich total verzweifelt und hab mir Vorwürfe gemacht, weil ich dich alleine ließ. Du weißt gar nicht wie schrecklich das war. Und dann die Schrift an der Wand; das hat mich regelrecht zerrissen. Und als ich in der Dämonenwelt von dir erfahren hab, dass mein Bruder dich in seiner Gewalt hat, da habe ich eine unsägliche Wut auf ihn und eine große Angst um dich gespürt. Und auf einmal konnte ich deinen Geist nicht mehr spüren, das waren die schlimmsten Momente meines Lebens." Ich war sprachlos, weil er mir so viel Ehrlichkeit entgegenbrachte und mir seine Gefühle offenbarte. ,,Warum wolltest du dich dann in dem Saal umbringen?", fragte ich schließlich leise. Er lächelte; sah mich aber immer noch nicht an. ,,Das wollte ich nicht wirklich tun. Nur ich hatte gehofft, dass dein wahres Ich vielleicht dann hervorkommt, um mich daran zu hindern. Und, wie du siehst, hatte ich recht." ,,Was hättest du getan, wenn es nicht funktioniert hätte?" Sein Blick wurde wieder nachdenklich, bis er sagte: ,,Ich hätte vermutlich den Verstand verloren und irgendetwas Dummes getan." ,,Du hättest aber auch mit Roy fliehen können. Dann wärt ihr in Sicherheit gewesen und hättet dann mit allen Shadrior angreifen können, wenn Drake und sein Gefolge die Dämonenwelt verlassen hätten. Das wäre für euch sicherer gewesen. Warum hast du es trotzdem nicht getan?" Jetzt blickte Jay endlich auf und sah mir in die Augen. ,,Meinst du die Frage echt ernst?" Ich zuckte mit den Schultern. ,,Wie gesagt: Es wäre sicherer für euch gewesen." Jay ergriff nun auch meine andere Hand und drückte sie. ,,Ich bin nicht geflohen, weil wir erstens sehr lange gelaufen sind, dann wäre alles umsonst gewesen. Und zweitens, weil..." Ich sah ihn fragend an, bis er schließlich nachgab. ,,Lys, ich bin nicht geflohen, weil ich dich nicht zurücklassen konnte. Und ich konnte dich nicht zurücklassen, weil ich dich liebe. Verstehst du es jetzt?". Mit jedem seiner Worte wurde ich immer erstaunter, bis ich schließlich völlig perplex war. Jay hatte so viel Gefühl in seine Worte gebracht. Mir traten auf einmal Tränen in die Augen. Jay wirkte überrascht. ,,Was ist? Warum weinst du?" Ich lachte leise und wollte mir die Tränen wegwischen, doch dazu müsste ich Jays Hände loslassen und das wollte ich nicht. ,,Es ist nichts, nur du..." Ich sprach nicht weiter, denn ich wusste nicht, was ich sagen sollte. Jay wartete geduldig, bis ich weiter sprach: ,,Ich bin gerade glücklich, deswegen weine ich." Jays Blick hellte sich auf. ,,Weswegen bist du glücklich?", hakte er nach. Ich sah ihn an und murmelte dann: ,,Ich bin glücklich, weil du mich glücklich machst." Auf einmal ließ er meine Hände los und zog mich stattdessen näher zu sich heran. Mein Herz flatterte in meiner Brust. Er legte eine Hand auf meine Wange und wischte behutsam eine Träne weg. Ich hob meine Hand und legte sie auf seine. Er lächelte sanft, dann neigte er seinen Kopf zu mir und küsste mich sanft. Ich schmolz dahin und erwiderte den Kuss. Dann schloss ich die Augen und fuhr mit meinen Händen durch seine schwarzen Haare, weswegen er mich noch leidenschaftlicher küsste. Plötzlich hörten wir ein Rascheln und wir fuhren überrascht auseinander. Dann drehten wir uns um. Dort stand Roy mit einem viel sagendem Lächeln im Gesicht und fragte amüsiert: ,,Hatte ich nicht gesagt, dass ihr die Sachen aus der Zwischenwelt holen sollt?"

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