Die Hausherrin
"Inspektor! Was haben sie in meiner Wohnung zu suchen?", fauchte sie zornig und funkelte Lestrade mit ihren grüngrauen Augen an.
Da sah sie das Blut auf der Treppe und ihr Hausschlüssel, den sie in ihrer Hand gehabt hatte, fiel rasselnd zu Boden.
„Oh mein Gott", hauchte sie und nahm die Hand vor den Mund. „Oh mein Gott!"
„Sind sie die Eigentümerin dieser Wohnung?", fragte Sherlock nüchtern.
„Himmel, ja! Mit gehört das ganze Haus!"
„Alle sechs Etagen?"
„Ja."
„Und sie vermieten momentan keine davon, wie ich sehe."
„Nein, das tue ich nicht."
„Warum nicht? Sie sind nicht reich, sie könnten das Geld gut gebrauchen."
Die Frau reckte ihr Kinn hoch. „Ich habe einen gut bezahlten Job."
„Sind sie sich sicher?"
„Ja, verdammt!" So langsam schien die junge Dame ziemlich aufgebracht. „Ich muss mich nicht in meinen eigenen vier Wänden rechtfertigen, sie arroganter Amateur! Anstatt vor sich hin zu philosophieren sollten sie mir mal erklären, was hier eigentlich los ist!"
"In ihrer Wohnung wurden sechs blutige Leichen gefunden", entgegnete Sherlock unbeeindruckt. "Der Rest ihres Korridors ist, wie sie sehen, ebenfalls vom Kampf gezeichnet. Dürfte ich bitte erfahren, wer sie sind?"
"Debbie Johnson. 26. Und jetzt lassen sie mich verdammt nochmal in meine Wohnung!"
"Das wird nicht möglich sein", warf Lestrade ein.
"Was wird nicht möglich sein?", erwiderte Debbie.
"In ihrer Wohnung befindet sich wichtiges Spurenmaterial, dass wir erst alles einsammeln müssen. Sie können für mindestens eine..."
"Tag nicht hier wohnen? Naja, ich weiß nicht..."
Lestrade räusperte sich verlegen. "Ich dachte eher an eine Woche."
Debbie lachte. "Sie sind gut, Inspektor. Wovon soll ich denn bitte das Hotel bezahlen?"
"Ich bin sicher, die Staatskasse wird dafür aufkommen."
Jetzt lachte Debbie noch lauter. Als sie sich einigermaßen beruhigt hatte, wischte sie sich die Tränen aus dem Augenwinkel und wandte sich mit abrupt finsterem Blick dem Inspektor zu.
"Ich bitte sie, der Staat ist noch nie für meine Probleme aufgekommen. Warum sollte er es ausgerechnet jetzt tun?"
Ohne eine Antwort abzuwarten drehte sie sich auf dem Absatz um und sah Sherlock mit erhobenen Augenbrauen an.
"Na, Mister Neunmalklug, haben sie eine Lösung?", säuselte sie und spitzte ihre Lippen. Eine ihrer dunkelblonden, schulterlangen Strähnen fiel ihr ins Gesicht und ihre grüngrauen Augen funkelten spöttisch.
"Tatsächlich gibt es da etwas. Sie könnten in einem Hotel nicht weit von hier unterkommen, der Besitzer schuldet mir noch einen Gefallen."
"Ach was. Und wieviel muss ich zahlen?"
"Gar nicht. Die Rechnung übernimmt selbstverständlich Scotland Yard", warf Lestrade ein.
"Na sicher. Aber ich darf doch wohl ein paar meiner Sachen zusammenpacken?"
"Natürlich. Ein Beamter von der Spurensicherung wird aufpassen, dass sie keine wichtigen Hinweise verwischen. Anderson?"
"Ja, Inspektor?"
"Begleiten sie Miss Johnson bitte in ihre Wohnung."
"Natürlich, Inspektor."
Als die beiden gegangen waren, wandte John sich Sherlock zu. "Hast du irgendetwas brauchbares an ihr ablesen können?"
"Ich lese nicht ab, ich deduziere", entgegnete Sherlock. "Sie lebt alleine hier und arbeitet als Sängerin in einem Nachtclub. Sie verdient tatsächlich genug dort, um sich um ihr Haus über Wasser zu halten. Und sie hat eine Vorliebe für Zitrusdüfte."
"Danke für diese ausführliche Beschreibung von mir, aber sie müssen jetzt wirklich nicht überall herumerzählen, dass ich mein Geld damit verdiene, wildfremde Männer mit meiner Stimme anzugeilen", ertönt es plötzlich aus dem Treppenhaus. Überrascht blicken der Inspektor, Sherlock und John zu ihr herauf.
Da kommt Anderson schnaufend hinter ihr die Treppe heruntergestolpert.
"Also, Inspektor, ihr Kollege von der Spurensicherung ist nicht besonders in Form", merkte Debbie nüchtern an, ging in den Hausflur, pflückte ihren Wohnschlüssel vom Boden und sah Sherlock erwartungsvoll an. "Na, was ist jetzt mit meinem Hotel, Einstein?"
John musste widerwillen prusten. Sherlocks Gesicht, dass er bei Erwähnung dieses Spitznamen gezogen hat, war aber auch wirklich zu göttlich gewesen.
"Ich halte schonmal nach einem Taxi Ausschau, sie können ja nachkommen, wenn sie ihre Gedanken fertig sortiert haben", spottete Debbie und trat aus der Phoenix Street hinaus auf die Straße.
Jetzt fing John wirklich an, laut loszulachen.
"Was?", fragte Sherlock verwirrt und blickte ihn mit gerunzelter Stirn von der Seite an. "Wieso lachen sie?"
"Ach, ich weiß nicht so Recht", japste John Watson. "Es ist einfach nur unheimlich...unheimlich amüsant....", ein weiterer Lacher erschütterte seinen Körper, "dass es außer Irene Adler und ihrem Bruder Mycroft doch noch eine Normalsterbliche gibt, die sie so dermaßen runtermacht und sie so gar nicht respektiert."
Sherlock kniff die Lippen zusammen. "Ich weiß nicht, was daran so lustig sein sollte, Sie Komiker. Kommen Sie mit?"
"Geben sie es zu, sie wollen bloß nicht alleine mit dieser Furie in einem Auto sitzen", triezte John ihn.
Sherlock verdrehte die Augen. "Sie etwa?"
"Warum nicht?", entgegnete er grinsend. "Im Gegensatz zu ihnen besitze ich nämlich Taktgefühl und ein Auge für Frauen, Sherlock. Na los, kommen sie. Wir wollen unsere neue Klientin doch nicht noch länger warten lassen."
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Die Diebin
FanfictionEs ist nicht leicht, eines der stärksten Sicherheitssysteme Europas zu überlisten. Und es ist nicht gerade leicht, die weltbesten Agenten an der Nase herumzuführen. Allerdings gibt es jemanden, der das kann: Die Diebin. Am 24. April 2006 verschwand...