Bzzzzzt
Bzzzzzt
Bzzzzzt
Genervt brummend streckte er seine Hand unter der grauen Decke hervor und tastete nach dem vibrierenden Handy, um den Wecker auszuschalten. Fahles Sonnenlicht fiel durch ein kleines Fenster in den Kellerraum und beleuchtete die Staubpartikel, als wären es glühende Ascheflöckchen. Der schale, abgestandende Geruch von alten Zigarettenkippen lag in der Luft. In der einen Ecke des Raumes lag ein junger Mann mit Dreitagebart halbnackt auf einer Matratze, über die jemand provisorisch ein überraschend sauberes Lacken gespannt hatte. Auch die Bettdecke war von seltsamer Sauberkeit, ein Kissen gab es nicht. Dafür war der Rest des Raumes komplett kahl, bis auf einen Stuhl voller Klamotten, einem geschlossenen Umzugskarton und einem niedrigen befleckten weißen Kaffeetisch mit nur noch drei Beinen, der an die Wand gelehnt stand.
Müde streckte sich der junge Mann ausgiebig, bevor er aufstand und durch eine Tür in ein winziges Badezimmer trat, um sich die Zähne zu putzen. Mit einem müden Blick betrachtete er sein Spiegelbild. Braune, volle Haare, leicht gelockt, allerdings ziemlich ungekämmt und etwas spröde. Buschige, ungezupfte Augenbrauen, braune, blutunterlaufene Augen, fahle, eher blasse Gesichtshaut. Eine kurze dünne Narbe im linken Augenwinkel, die diagonal verlief. Eine winzige Schnittwunde vom Rasieren an der rechten Wange. Und natürlich der Dreitagebart.
Nach dem vergeblichen Versuch, sich ohne jedigliche Verletzungen zu rasieren und einigen Flüchen, begab sich der Mann wieder zurück ins Zimmer und zog sich das sauberste Outfit an, dass er auf seinem Stuhl finden konnte: ein blaues, verwaschenes Hemd, dunkelgraue Jeans und ein dunkelgrüner Mantel. Dann kramte er ein braunes Lederportemonaie aus dem Umzugskarton, schnappte sich sein Handy vom Bett und verstaute beides in seinen Manteltaschen, bevor er mit schlürfenden Schritten den Raum verließ.
Oo.oO
"Name?"
"Debbie Johnson."
"Alter?"
"Sechsundzwanzig."
Mit gelangweiltem Blick tippte die Frau an der Empfangstheke die angegebenen Informationen in ihren etwas veralteten Computer ein. Genervt trommelte Debbie mit ihren Fingern auf den Tresen. Sie hatte es jetzt schon unglaublich satt, nach Antworten ausgequetscht zu werden wie eine Zitrone. Und dabei hatte sie den anstrengenden Teil der Befragungen erst noch vor sich. Sie seufzte.
"Dürfte ich bitte Ihren Ausweis und Ihre Krankenkassenkarte sehen, Miss Johnson?", fragte die Angestellte, blickte sie desinteressiert an und rückte ihre Brille zurecht. Ihre hellbraunen, lockigen Haare hatte sie zu einem Zopf zurück gebunden, eine Strähne jedoch hatte sich gelöst und setzte einen netten Akzent. Debbie riss ihren Blick von der Frisur ihres Gegenübers los und kramte in ihrer Handtasche nach den verlangten Dokumenten. "Bitte sehr."
Debbie musterte sie, während die Frau weiter auf die Tastatur einhackte. Sie sah aus als wäre sie Anfang Zwanzig, also legte sie hier entweder eine Ausbildung ab, oder machte ein Praktikum. Ihre Haut war in einem warmen Ton gebräunt, ihre Augen waren relativ hell und hatten eine Mischfarbe aus grün und braun. Sie war bis auf etwas Concealer vollkommen ungeschminkt. Das Namensschild an ihrer türkisen Arbeitskleidung gab Vivian Miller an.
"Interessant, wie Sie automatisch davon ausgehen, dass ich nicht privatversichert bin", sagte Debbie nüchtern und betrachtete ihre eigenen Fingernägel. Vivian schaute leicht verwundert zu ihr auf, fing sich dann aber wieder und legte die Dokumente auf den Tresen.
"Niemand, der in diese Klinik kommt, ist privatversichert", erwiderte sie mit weitaus weniger Desinteresse als vorher.
Debbie griff nach ihren Papieren und sortierte sie wieder ordentlich in ihr Portemonnaie ein, wie um Zeit zu gewinnen. "Klingt einleuchtend. Die meisten Verbrecher haben ja gar kein Geld für sowas." Den schockierten Blick der Angestellten quittierte sie mit einem schiefen Lächeln. "Sie haben übrigens einen Papierschnipsel im Haar, falls es Ihnen noch nicht aufgefallen ist, Miss Miller."
Verlegen und auch etwas entrüstet öffnete sie ihre Frisur und fuhr sich durch die lockigen Haare, bis tatsächlich ein Papierschnipsel auf ihre Tastatur fiel. Als sie wieder aufblickte, war Debbie bereits verschwunden.
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Die Diebin
FanfictionEs ist nicht leicht, eines der stärksten Sicherheitssysteme Europas zu überlisten. Und es ist nicht gerade leicht, die weltbesten Agenten an der Nase herumzuführen. Allerdings gibt es jemanden, der das kann: Die Diebin. Am 24. April 2006 verschwand...