Ich saß einfach nur da. Keiner hatte mich bemerkt oder gesehen. In meinem Zimmer war es kalt, doch ich hatte weder die Kraft noch den Willen das Fenster zuschließen oder das Licht einzuschalten. Mein Kopf schmerzte. Am liebsten würde ich mich zusammenrollen und weinen. Doch in der letzten Stunde hatte ich so viele Tränen geweint, dass jetzt keine mehr kamen. Hatte er das wirklich getan? Oder war da nur ein böser Traum und ich würde gleich aufwachen und darüber lachen, wie absurd das Ganze doch war. Aber es fühlte sich so real an. In einem Traum würde mein Kopf doch nicht so furchtbar schmerzen und die hässlichen Flecken würden nicht so realistisch aussehen. Aber wie konnte er nur? Wie konnte ich mich so in ihm täuschen? War er nicht der süße, schusselige Bücherfreak, den ich vor knapp zwei Monaten kennengelernt habe? Ich schlang meine Arme um meine Beine und legte mein Kopf auf meine Knie. Es tat höllisch weh, aber das war mir irgendwie egal. Um den Schmerz wirklich zu spüren saß der Schock noch zu tief. Ich hörte eine Stimme meinen Namen rufen. Sie schien viel zu weit weg. So als würde sie am anderen Ende eines Tunnels stehen. Erneut mein Name. Ich sollte antworten, doch ich wollte nicht. Ich wollte niemanden sehen. Mit niemanden reden. Und einfach alleine sein. Es klopfte leise an meiner Tür. Ich starrte sie an. So als könnte ich durch sie hindurch sehen und der anderen Person vermitteln, dass ich keinen Besuch wollte. Aber ich wusste, dass er nicht so einfach gehen würde. "Toni? Bist du da drin? Ich werde jetzt reinkommen, okay?", seine Stimme klang gedämpft. Kaum hatte er zu Ende gesprochen. öffnete er auch schon die Tür. Und blieb schockiert stehen. offenbar hatte mein Anblick ihn erstarren lassen. Es wunderte mich irgendwie nicht. Wenn ich meine Schwester zusammengekauert auf den Boden, übersät mit unzähligen roten und blauen Flecken vorfinden würde, hätte ich vermutlich genauso reagiert. "Was ist passiert?", brachte er nach einer Weile hervor. Ich sagte nichts. Sah ihn noch nicht mal an. Der Boden schien mir viel interessanter. "Bist du in 'ne Schlägerei geraten oder war er das?", ich konnte deutlich hören wie er die Zähne aufeinander gepresst hatte. Erst jetzt sah ich zu ihm auf. Er hatte sich kein bisschen bewegt. Stand immer noch da. Halb in der Tür. "Alles okay...", ich erschrak bei dem Klang meiner eigenen Stimme. Sie war viel zu heiser. Und viel zu verheult. Auch wenn ich schon vor einer Weile aufgehört hatte zu weinen. "Alles okay? Das sehe ich aber anders! Er war das oder? Ohh, wenn ich ihn in die Finger kriege, dann Gnade ihm Gott!", seine Stimme wurde lauter. Ich zuckte zusammen. Mein Bruder schien es bemerkt zu haben, denn sofort wurde er ruhiger und kam ganz langsam auf mich zu. Schon fast vorsichtig. Als würde ich ihn gleich anfallen. "Toni...sei bitte ehrlich! Er hat dir das angetan oder?", er hatte sich vor mich gehockt, schien sich aber nicht zutrauen mich zu berühren. Seine Augen suchten meine. "Jo, bitte! Lass ich einfach nur alleine...ich möchte nicht darüber reden!", forderte ich ihn auf. Auch wenn ich zugeben musste, dass ich bei so einer schwachen Aufforderung auch nicht gegangen wäre, hoffte ich er würde es trotzdem tun. "Toni! Du weißt, dass er nicht ungestraft damit durchkommen darf! Bitte rede mit mir darüber! Dann können wir zur Polizei gehen oder so", sein Blick war eindringlich. Ich sah weg. Panik machte sich in mir breit. Polizei? Es durfte nicht so weit kommen! Wenn er mitbekam, dass ich bei der Polizei war, dann wäre das mein Ende. Das war blanker Wahnsinn! Ich zwang mich ruhig zu bleiben. "Nein. Keine Polizei. Ich werde das regeln, okay? Ich werde gleich morgen mit ihm reden und alles klären. Aber bitte verspreche mir mit niemanden darüber zureden! Bitte, du musst es versprechen!", flechte ich ihn an. Es war ja nicht sooo schlimm, wie es vielleicht auf den ersten Blick aussah. Nichts, was man mit ein bisschen Schminke nicht hätte überdecken können. Jo seufzte und sah mich bedrückt an. "Na gut...aber kommt das noch einmal vor, dann werde ich mit Landon zu ihm gehen und dann hätte er sich gewünscht, dass die Polizei aufgetaucht wäre", er setzte sich neben mich und legte einen Arm um meine Schulter. Ich zuckte zusammen. Erst jetzt realisierte ich den Schmerz. Mein Gesicht brannte. Ich konnte meine Schultern kaum bewegen. Verzweiflung packte mich. Wie würde ich den morgigen Tag so meister, dass keiner etwas mitbekam? Wenn schon dass gerade gehen wehtun würde, würden meine Freunde ganz sicher etwas bemerken. Um das zu verhindern, gab es nur eine Lösung. Ich wollte es eigentlich vermieden, aber es war mir lieber als unangenehme Fragen zu beantworten. Oder dass Tyler Schwierigkeiten bekam. Eine Weile blieb Jo noch neben mir sitzen und sagte nichts. "Ich muss jetzt los...du solltest dich hinlegen und ein bisschen schlafen, ja?", er lächelte leicht. Ich nickte. Und bereute es sofort wieder. Der Schmerz war kaum auszuhalten. Ich wusste sobald mein Bruder aus der Tür war, würde er alles Landon erzählen. Ich hoffte er konnten ihn in Schach halten. Kaum war er verschwunden stand ich auf und ging ins Badezimmer. Viel mehr kroch ich. Jeder Schritt tat so höllisch weh. Das Gehen an sich viel mir schon schwer, doch der stechende Schmerz, der bei jedem Schritt in meinen Rücken emporschoss machte es nicht besser. Ich öffnete zitternd den Spiegelschrank über dem Waschbedecken. Zum Glück lag die Schachtel ganz unten. Auch wenn sie nicht mir gehörte nahm ich sie mit in mein Zimmer. Ich nahm gleich zwei Tabletten auf einmal und rollte mich dann auf meinem Bett zusammen. Morgen würde alles schon ganz anders aussehen. Da war ich mir sicher. Tyler würde sich bei mir entschuldigen und sagen, es war ein Versehen und das sowas nicht noch mal vorkommen würde. Und damit wäre doch alles wieder gut. Jo könnte sich dann abregen und Landon brächte sich gar nicht erst aufregen. Keiner würde etwas damit mitbekommen und ich könnte mein Leben einfach ganz normal weiterleben. Ich musste gähnen. Ja, ganz normal weiterleben. Weiter konnte ich nicht denken, denn der Schlaf überkam mich einfach so.
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I need you
RomanceToni, eigentlich Antonia, kann es immer noch nicht glauben. Konnte sie sich wirklich so in ihm geirrt haben? Oder war sie an allem selber schuld? Er war doch immer so nett gewesen. Langsam fängt sie an zu zweifeln, ob er wirklich der Richtige ist. D...