Kapitel 8

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*Heute war es wieder so weit. Winterball. Ich hasste diesen Abend und die Monate davor. Alle waren so hibbelig und nahmen das meiner Meinung nach viel zu ernst. Was war schon besonders an einem Winterball?! Ich musste das nicht haben, weswegen ich die Zeit in der Bibliothek verbracht. Mit meinem Mathebuch. Fernab von all dem Wirbel. Es war erst früh am Abend, aber ich wollte nicht Zuhause sein, wenn die Mädchen sich fertig machten. Warum die einen Wirbel darum machten verstand ich noch weniger. Keiner von denen hatte eine Begleitung, weshalb sie den ganzen Abend zusammen verbringen werden, indem sie einfach nur in der Ecke rumstehen und deprimiert die anderen feiernden Schüler beobachten werde. Was eine Verschwendung! Die ganze Zeit zum Schminken und die Zeit davor, zum Kleider anprobieren und kaufen war eine riesen Verschwendung! Hätten die Mädchen doch nur ein Funken Verstand in ihren kleinen Hirnen. Ich seufzte. Es brachte mich auch nicht weiter, wenn ich an diese verdämlichten Geier dachte! Plötzlich hörte ich ein Geräusch von weiter hinten aus der Bibliothek. Ich fuhr hoch. Es klang wie ein Schlurzen. Es kam von wirklich weit hinten, also vermutlich die Geschichtsabteilung. Aber wer geht denn in die Bibliothek zum Weinen?! Ich legte mein Mathebuch auf den Tisch. Die Person schien wirklich verzweifelt zu sein, wenn man hierherkam, um allein zu weinen. Ich stand auf und ging durch die Gänge. Bis ich auf ein Mädchen traf, das auf den Boden saß. Sie lehnte am Regal für Historische Literatur. Und sie weintenicht wenig! Sie verbarg ihr Gesicht in ihren Händen. Aber was ich auf den ersten Blick feststellen konnte war, dass sie gerade in den Ballvorbereitungen gesteckt hatte, bevor sie herkam. Das verrieten mir ihre halb lackierten Fingernägel, ihre Jacke, die sie, wenn sie sich fertig geschminkt und frisiert hatte ausziehen konnte, ohne alles gleich wieder zu ruinieren und dann waren da noch ihre wilden, dunklen Locken, die auf einer Seite schon mit kleinen Haarspangen festgemacht worden waren. Ist irgendetwas passiert?, fragte ich sie. Ich wusste wie sie reagieren würde. Jedes Mädchen reagierte so. Es war immer dasselbe. Aber ich wusste wie ich meine Karten zu spielen hatte. Neinnatürlich nicht! Ich sitze ja nur heulend auf den Boden der verfickten Bibliothek! Wie kommst du darauf, dass etwas passiert ist?!, fauchte sie mich an. Wie gesagt, jede reagiert gleich. Und weiter ging das Spiel. Kann ich dir vielleicht irgendwie helfen?, stellte ich ihr eine weitere Frage. Und einszweidrei. Lass mich doch einfach in Ruhe! Gut. Dann gehe ich jetzt wieder, ich senkte den Kopf und zog mich zurück. Sie würde mich eh wieder zurückrufen. Ich war schon fast aus der Regalreihe raus, als ich sie auch schon hörte. Unwillkürlich breitete sich ein Lächeln in meinem Gesicht aus. So berechenbar! Hey! Warte! Du kannst mir vielleicht doch helfen!, sie schien aufgestanden zu sein. Wie groß war sie wohl? An die 1,75 Meter würde ich schätzen. Augenfarbe? Grün, definitiv. Ich drehte mich zu ihr um undVolltreffer! Ok, sie war vielleicht 1,72 Meter. Aber sie hatte grüne Augen. Und diese Augen waren schwarz unterlaufen. Also hatte sie auch schon angefangen sich für den dämlichen Ball zu schminken. Sie sah mich an und fragte schniefend: Hast du eventuell ein Taschentuch? Ich konnte mir ein Lächeln nicht verkneifen. Ja klar! In meiner Tascheich hole es eben. Ein Moment bitte!, ich ging schnell zu meiner Tasche. Es sollte doch der Eindruck erweckt werden, dass ich ihr wirklich helfen wollte. Auf den Rückweg in die Abteilung für Historische Literatur ging ich in Gedanken noch mal alles durch was ich über sie wusste. Sie war groß. Und mit ihren vollen, schwarzen Locken und den grünen Augen verdammt hübsch. Sie hatte einen leichten Akzent beim Sprechen. Südlich. Ihren wollen Lippen und ihrer kurvigen Figur nach zu urteilenvielleicht Spanierin. Aber warum war sie in der Ballnacht allein und weinend in der Bibliothek? Es musste was mit einem Jungen zutun haben. Denn kein Mädchen lässt sich durch eine Freundin oder von sonst einem Mädchen den großen Auftritt auf den Ball verderben. Nein! Nicht hier! Wieder bei dem Mädchen angekommen, gab ich ihr die Taschentücher. Sie hatte sich wieder auf den Boden gesetzt. Unsicherheit! Wie sie zusammengekauert, mit angewinkelten Beinen und den Jackenärmeln über die Hände gezogen dasaß. Ich setzte mich schweigend neben sie. Sie bedankte sich leise, als sie sich alle Tränen weggewischt hatte. Ich sagte immer noch nichts. Und dann herrschte eine Weile Schweigen. Ich wartete schon auf ihre nächste Frage. Und die würde garantiert kommen. *

I need youWo Geschichten leben. Entdecke jetzt