zwanzig

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Den nächsten Tag verbrachte meine Mutter damit von Zimmer zu Zimmer zu wandern, Koffer zu packen und an jeder möglichen Stelle im Haus Zettel zu deponieren, beschrieben mit wichtigen Dingen, die auf keinen Fall vergessen werden durften. Doch da man später kaum noch einen Überblick hatte, wurden sie dann dennoch nicht wirklich beachtet.

Ben und ich halfen, schwere Koffer in Richtung Haustür zu bugsieren, wobei er nie zögerte die mit mehr Gewicht zu nehmen, um mir später stolz -und keuchend- erzählen zu können, dass er es ganz allein geschafft hatte. Ich lobte ihn jedes mal halbherzig - war allerdings gar nicht richtig bei mir, sondern mit den Gedanken ganz woanders.

Da Mom bereits morgen früh eingewiesen werden sollte, würden wir uns heute abend von ihr verabschieden müssen, denn die heutige Nacht verbringen wir bereits im Heim.

"Beth?", Ben versuchte meine Aufmerksamkeit zu erlangen indem er vor meiner Nase mit seiner Hand herumwuselte.
Ich hatte wohl nicht mitbekommen, dass er mit mir gesprochen hatte.

"Sorry, ich bin müde. Was ist denn?" Das war nicht einmal eine Lüge. Ich war tatsächlich die halbe Nacht wach gewesen und hatte mit Austin telefoniert. Wie er nunmal war, redete er mir ein, dass alles halb so schlimm wäre. Ich solle das Positive sehen: dass meiner Mutter geholfen werden würde.
Danach hatten wir die Website des Heims durchforstet, während wir über Skype miteinander verbunden waren.
Wie es aussah, war es ein realativ neuer Bau hier in der Nähe in einem Waldgebiet. Ich war natürlich darauf angewiesen weiterhin auf die selbe Schule zu gehen, deshalb war dies die einzige Option für uns. Jedoch war es trotzdem ein Weg von etwa einer Stunde.

Mein darauffolgender Schlaf beschränkte sich auf vier Stunden. Der Schultag verlief dementsprechend zäh und zog sich schier ewig hin. Austin war kurioserweise bester Laune, während ich in Mathe einmal fast einschlief und mir so einen Eintrag verschaffte.

Jetzt stand ich gähnend im Flur, während ich versuchte Bens Hasstirade zu folgen, darüber, dass Blake unverschämter Weise nicht half.

Als wir fertig mit Abendessen und Packen waren, war es bereits zwanzig Uhr.

Wir sollten um 21:30Uhr spätestens beim Heim sein, also war es langsam an der Zeit, sich zu verabschieden.

Blake war der erste, der sich von Mom verabschiedete. Er kämpfte mit den Tränen, als sie ihn in den Arm nahm und fest an sich drückte.
Ben ließ sich weniger Zeit, aber ließ es wenigstens über sich ergehen, in den Arm genommen zu werden und hörte sogar zu, als sie ihn ermahnte, er solle brav sein und sich auch mal etwas von den Betreuern dort sagen lassen - auch wenn er dabei die Augen verdrehte.

Ich war als letztes an der Reihe, während meine Brüder sich bereits ins Auto setzten.

Als ich ebenfalls einstieg - nachdem Mom mich darüber belehrt hatte, ich solle auf meine Brüder aufpassen und keinen Mist bauen - fuhren wir los. Blake winkte noch zum Abschied aus dem Fenster.

Ich wusste, ich musste nun die Erwachsene spielen. Ich musste diejenige sein, auf die sich meine Brüder verlassen konnten. Die, die die Verantwortung tragen würde.

Die Fahrt verlief vorwiegend ruhig, niemand redete. Keiner versuchte, die Stimmung aufzulockern, denn wir wussten, wir waren dazu alle nicht jn der Lage.
Ben versorgte seine Follower auf Instagram, Snapchat oder was auch immer, Blake guckte bloß aus dem Fenster, während ich irgendwie versuchte, aus der Situation etwas Positives zu gewinnen.
Wir kamen nicht zu unserem Vater. Das war gut.
Oder?

Mittlerweile fragte ich mich, ob wir bei ihm nicht sogar besser dran gewesen wären als im Heim.
Auch, wenn ich ihn nicht gerade gut leiden konnte, erschien mir ein Heim nicht besonders kuschelig.

I'm gonna show you better || girlxgirl 18+Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt