dreißig

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"Du erwartest also, dass wir so mir nichts dir nichts unsere Sachen packen und in dein Haus spazieren?", wiederholte ich vorwurfsvoll.
Meine Brüder und ich hatten uns mit meinem Vater in einer Sitzecke in der Eingangshalle niedergelassen.

Nikita seufzte. "Ich erwarte nicht, dass du dich sofort bei mir eingewöhnst, aber ich denke, deine Brüder haben nicht ganz Unrecht.", merkte er an.

"Sie waren noch so klein, als du gegangen bist, dass sie sich gar nicht richtig daran erinnern können!"
Ich versuchte, mich zu beruhigen und lehnte mich an die Rückenlehne des Sessels, auf dem ich saß. "Vielleicht überzeugst du sie ja mit deinen Argumenten, aber ich brauche erstmal eine Weile, um mich überhaupt daran zu gewöhnen, dass du hier so plötzlich aufgetaucht bist."

Ben und Blake waren die ganze Zeit über still gewesen. Blake fummelte beunruhigt an den Fransen eines Sofakissens. Ihm war anzusehen, dass ihn die Situation etwas überforderte, doch er verfolgte unsere Unterhaltung mit. Dann ergriff er das Wort. "Ich mag es hier nicht.", sagte er leise. "Alle sind mies gelaunt und sobald du nicht da bist, Beth, bekomme ich bei den Mahlzeiten nichts ab." Er schaute zu mir herüber, als würde er versuchen mich mit Blicken zu fragen, ob das, was er sagte, okay für mich wäre. "Also, vielleicht sollten wir es versuchen."

Nikita lächelte dankbar. "Schön, dass du mir noch eine Chance gibst. Du wirst es nicht bereuen." Dann sah er Ben erwartungsvoll an.

Dieser schaute verwirrt zurück. "Ich dachte es liegt auf der Hand, dass ich mitkomme zu dir? Ich hab' hier nicht'mal vernünftiges Wlan."

Er erhielt ein Stirnrunzeln von Nikita, welcher nun langsam nickte. "Beth, wenn du ein so großes Problem damit hast, bei mir einzuziehen, kannst du natürlich gerne hierbleiben. Oder du kommst einfach nach, falls du dich umentscheidest. Vielleicht-",

"Du denkst allen Ernstes, ich lasse meine Brüder allein?!" Ich ließ ihn gar nicht erst ausreden. "Im Gegensatz zu dir lasse ich meine Familie nicht im Stich!"
Ich hatte ihn angeschrien ohne es überhaupt zu merken. Die Worte stauten sich seit er weg war in mir auf und nun wollten sie gehört werden.

Betretene Stille herrschte nach meinen Worten in der Eingangshalle.
Nikita lehnte sich in seinem Sessel vor und fuhr sich mit beiden Händen einmal durch die Haare. Er war sichtbar verzweifelt.

Mir war das nur Recht. Sollte er doch fühlen wie wir uns gefühlt hatten. "Ist es nicht lustig wie sich die Zeiten ändern? Erst wollten wir einen Vater und bekamen ihn nicht und jetzt will unser Vater seine Kinder und bekommt sie nicht."

Nikita versuchte es dennoch weiter. "Herr Gott, Beth! Ich weiß, ich habe Fehler gemacht!", seine Stimme war zittrig, sein Blick flehend. "Doch ich tue mein Bestes, um es wieder gutzumachen. Ich versuche alles, siehst du das denn nicht? Es tut weh, mich zu sehen, das kann ich nachvollziehen, aber bitte gib mir eine Chance." Zum Ende hin wurde er ruhiger und beinahe war ich bereit einzuwilligen.

"Ich will dir das Leben erleichtern.", fuhr er fort und ich entspannte mich ein wenig.
"Bei mir zu Hause müsstet ihr nicht auf ein Frühstück hoffen, es wäre euch garantiert. Ihr hättet eure eigenen Zimmer. Ich kann euch die Schulbücher finanzieren. Beth, du könntest wieder mit dem Karate anfangen; oder war es Boxen?
Siehst du denn nicht wo das hinführt?" Er streckte eine Hand nach mir aus. "Ich kann euch ein besseres Leben ermöglichen.", sagte er sanft.

Doch in mir kochte die Wut erneut auf. "Du versuchst also, mich mit materialistischen Dingen auf deine Seite zu ziehen?", fragte ich langsam.
Ich holte, in dem Versuch mich zu entspannen, tief Luft und atmete wieder aus.
"Ich will keinen finanziellen Unterstützer.
Ich will einen Vater."

Mir traten Tränen in die Augen und ich wandte mich ab.

I'm gonna show you better || girlxgirl 18+Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt