die 35. Stunde

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Er stand vor ihr. Er hatte zwei Tassen Kaffe in der Hand.
Sie lag immer noch auf dem Sofa in der Bibliothek und hatte ihr Lieblingsbuch in der Hand.
Doch das wusste er nicht. Er setzt sich neben sie und stellte die eine Tasse auf den kleinen Tisch und setzte die andere an seinen Mund.
Er beobachtete sie beim Schlafen und irgendwie machte ihn der Anblick dieses Mädchens glücklich.
Man hätte meinen können, sie wären ein Paar, das wir jeden Morgen Kaffe trank und dann seinem gewohnten Alltag nachging.
In gewisser Weise taten sie das auch. Sie tranken Kaffe und taten das, was sie seit mittlerweile 34 Stunden taten.
Sie liefen herum,schauten aus dem Fenster, lasen und schliefen; viel mehr taten sie nicht.
Was sollten sie auch tun?
In den letzten 85 Stunden ihres Lebens. Fünfundachzig Stunden in denen noch viel passieren würde. Fünfundachzig Stunden, die die verlorenen Menschen noch zu Leben hatten und fünfundachzig Stunden, die den Slytherin und die Gryffindor verändern würden.
Sie wachte auf und nahm verdutzt den Kaffe in die Hand. Als sie jedoch aufschaute, wusste sie, woher der Kaffe kam. Argwöhnisch betrachtete sie ihn, zuckte dann aber mit den Schultern und trank ihn. Sie war geborene Engländerin, das merkte man, denn obwohl sie in einem Haus gefangen war und nur noch 85 Stunden Leben sollte, nahm sie kleine vornehme Schlucke und spreizte den kleine Finger ab.
Er beobachtete sie noch immer und musste bei diesem Anblick schmunzeln.
Jeder andere wäre in dieser Situation durch gedreht und hätte nicht im Traum daran gedacht, seinen Kaffe in vornehmen kleinen Schlucken zu trinken, doch sie war nicht jeder andere, sie war Hermine Jean Granger und sie würde sich nicht einschüchtern lassen.
Die Kraft war zurück geschlichen, ganz vorsichtig und zurückhaltend. Sie war gebückt und machte sich klein, doch sie war zurück gekehrt und glänzte wieder an ihrem gewohnten Platz.
Nein, ohne ihre Kraft war sie ein anderer, ein gebrochener Mensch gewesen.
Doch der Wille, er war zu Feige, er war gegangen und noch nicht wiedergekehrt.

,,Warum bist du hier?", fragte der Junge mit den weißblonden Haaren plötzlich. Es waren die ersten Worte seit rund 34 Stunden. Beide zuckten vor Schreck zusammen.
Die Stimme klang so laut in den einsamen Gemäuern und hinterließ Staunen.
Doch ein Lächeln Stahl sich sich in die Gesichter der jungen Menschen.
Es tat gut, eine Stimme zu hören. Nach eineinhalb Tagen bedrückender Stille, sprachen sie.
Er sprach und sie schwieg. Sie überlegte, ob sie antworten sollte, doch sie ließ es.
Er deutete das als Aufforderung und begann zu erzählen:,, Sie haben mich einfach her geschleppt und mir gesagt, Verräter würden in ihren Reihen nicht geduldet. Sie sagten, wenn du da seist, hätten wir noch 120 Stunden, bis er kommt. Ich weiß nicht, wer er sein soll, aber ich habe Angst. Und jetzt erzähl mir doch bitte, warum du hier bist."
Bei dem vorletzten Satz hätte sich Hermine fast verschluckt. Der unantastbare Halbtodesser und der Slytherin mit der Maske aus Stein hatte Angst?! Es klang so surreal, dass es schon fast wieder echt klang.
Bei seiner Frage schüttelte sie jedoch den Kopf.
Ob sie nicht sprechen konnte oder einfach nicht wollte, wussten beide nicht.
Draco wurde ungeduldig und sagte leicht scherzhaft:,, Du bist aber im meinem Haus und ich lasse dich hier wohnen, wenn auch nicht ganz freiwillig."
Sie seufzte, hatte sie doch so viel mit gemacht in der letzten Zeit.
Sie hatte das Gefühl, dass mit diesem Seufzer all ihre Probleme weniger wurden und doch viel ihr ein einziger Satz so schwer.
Sie hatte gekämpft und tote gesehen. Sie hatte einen unfassbaren Mut bewiesen und doch traute sie sich jetzt nicht, mit Draco Malfoy zu sprechen.
Sie seufzte noch einmal und begann dann zu sprechen:,, Sie kamen einfach in mein Haus gestürzt. Also, sie haben geklingelt und ich dachte, dass vielleicht ein Nachbar noch etwas wollte, also öffnete ich die Tür. Als ich sie sah, wollte ich eigentlich die Tür wieder zu machen und meine Eltern in Sicherheit bringen, aber sie hetzten mir einen Fluch auf und ich konnte mich nicht wehren. Sie haben irgendwas mit Schlammblut und vernichten gesagt. Ich hab es nicht ganz verstanden, weil ich noch so benommen war. Und dann... und dann haben sie...Meine Eltern umgebracht und...und meinen Zauberstab zerbrochen und haben...haben mich... mich mitgenommen."
Die letzten Sätze kamen sehr brüchig, da sie mit ihren Gefühlen kämpfte und als sie fertig war, brach sie in Tränen aus.
Es war wie eine Wolke, es kam plötzlich und doch erwartet.
Es war komisch, sie zu hören. Sie hatte schon ewig nicht mehr geweint. Sie hatte nicht gesprochen sie hatte noch nicht einmal ein Geräusch gemacht, als sie die Bibliothek gesehen hatte. Sie hatte lediglich den Mund aufgemacht und war stumm geblieben.
Aus irgendeinem Grund rutschte er näher an sie heran, nahm sie in den Arm und redete beruhigend auf das verweinte Mädchen ein.
Seine Nähe beruhigte sie.
Vielleicht, weil er der einzige Mensch war, der ihr noch helfen konnte, vielleicht, weil sie sich an ihn gewöhnt hatte, vielleicht mochte sie ihn auch oder vielleicht lag es daran, dass sie nur noch 84 Stunden Leben sollten.

120 Stunden ~ Dramione Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt