👑 Der Königin' liebster Edelstein 👑

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Mit regungsloser Miene ritt Ayla hinter Samail und Fath her. Den Prinzen zu heiraten, obwohl sie einen anderen liebte, war schon schlimm genug, aber die Aussicht, dass sie alleine bei Fremden bleiben sollte, war beängstigend. Das Wissen, dass sie für Samail nicht wichtig genug war, um zu bleiben, wog schwer und war sehr schmerzhaft. Ayla nahm ihre Außenwelt gar nicht richtig wahr, auch nicht, als Samail sie vom Pferd hob und eine ganze Weile fest in seinen Armen hielt.
Ayla aß nichts, als Samail das Feuer in Gang gebracht hatte, sondern hatte sich schon zum Schlafen niedergelegt.
In der Nacht schlief sie schlecht, aber was machte es schon aus? Sie würde bald im Königspalast ankommen und dort in einem weichen Bett schlafen.
Auch am folgenden Tag verweigerte sie Essen, trank nur ein paar hastige Schlucke aus der ledernen Flasche, die um ihre Hüfte baumelte. Sie redete nicht, wie schon am Vortag, und so ritten sie schweigend Meile um Meile voran.
Bald erreichten sie eine Stadt, eine große, wie Ayla staunend feststellte. Überall herrschte reges Treiben, viele Leute waren unterwegs und kauften oder verkauften ihr Vieh oder Nahrungsmittel. Ochsenkarren rollten laut über die unebenen Straßen. Die Leute schwatzten miteinander oder schrien sich gegenseitig Warnungen zu, wie "Aus dem Weg!".
Nach einer Weile tauchte hinter den Häusern auf der linken Seite eine große, dunkle Silhouette auf, die weiter in den Himmel wuchs, je näher sie kamen. Auf dem Bergfried wehte eine rote Fahne im Wind, auf der man ein feuerspeienden, goldenen Drachenkopf mit einem Lammkörper, der eine Fahne hielt, erkennen konnte. Das musste die Drachenburg sein. Von Nahem jagte der kalte, dunkle Anblick, der über ihr erwuchs, Ayla einen gewaltigen Schauer über den Rücken.

Einige Monde später sprang Ayla summend die Steintreppe in der Drachenburg hinauf, die zu ihrem Quartier führte. Den Verlust von Samail hatte sie verschmerzt, so gut es ging. Stattdessen freute sie sich schon auf die Vermählung mit Prinz Sylvius. Sie kannte ihn erst seit Kurzem, doch er war weitaus liebenswürdiger, als sie sich vorgestellt hatte. Ja, vielleicht würde sie ihn eines Tages sogar lieben können. 
Die Vermählung sollte in ein paar Tagen stattfinden, denn Ayla hatte das Königspaar dazu gedrängt. Die Leute würden reden, hatte sie vorgebracht, ohne viel Ahnung, aber die Leute würden trotzdem reden. Wieso jemand von keinem besonderen Rang einfach in der Drachenburg leben dürfe. Die Leute könnten sauer werden und vielleicht sogar rebellieren. Ayla war hier unbekannt. Niemand wusste, dass sie eine Prinzessin war, und niemand hatte es bis jetzt offiziell gemacht. Die Hochzeit wäre ein geeigneter Zeitpunkt dafür. Ihre zukünftigen Schwiegereltern etwas in ihren Sinne zu beeinflussen, fand Ayla vollkommen okay. Immerhin fand sie glaubwürdige Argumente, und wenn sie das Königspaar dieses Königreiches überzeugen konnte, was sollte dann schon groß falsch daran sein? Immerhin musste sie sich nicht hinterher dafür rechtfertigen. Und wenn die Regenten ihre Meinung nicht standhaft vor einem Kind vertreten konnten, waren sie in Aylas Augen sowieso nicht würdig, zu regieren.
Aber jetzt musste sie sich gedanklich ihrer nahenden Vermählung zuwenden. Bis dahin waren es nur noch ein paar Tage, und Ayla musste sich noch ein Kleid und den Schmuck aussuchen. Ein Glück, dass die Eltern des Prinzen sie wie eine Prinzessin behandelten und ihr allen Luxus zur Verfügung stellten, den sie Zuhause auch gehabt hätte. Sie hatte eine Handvoll Kleider von ihrer persönlichen Kammerzofe zur Verfügung gestellt bekommen, zwischen denen sie wählen und die sie gegebenenfalls nochmal ändern lassen konnte, sollte Bedarf bestehen. Ihr hatte es besonders ein weinrotes Kleid angetan, dessen samtige Oberfläche kleine goldene Rosen zierten. Es passte ihr hervorragend und betonte ihre Kurven. An ihrer linken Hüfte befand sich eine goldene Schleife und fiel ab da mehrlagig wallend zu Boden. Am Saum ihres Unterrocks befand sich außerdem noch ein Spitzenrand, der beim Tragen des Kleides etwas hervorschaute. Unter ihrem geschnürten Oberteil trug sie ein Korsett, dass ihre Taille noch schmaler erscheinen ließ als sie tatsächlich war. Ihr Auschnitt war tiefer, als es anständig war, und man konnte gerade in bestimmten Posen mehr als einen kleinen Einblick in Aylas Busen erhaschen. Ihr glattes Dekolleté würde von einer prunkvollen Kette mit einem oder mehreren Edelstein geschmückt, wie es sich für eine zukünftige Königin gehörte. Diese Kette würde ihr liebstes Medallion sein, die einzige Erinnerung an ihre Eltern, die ihr blieb. Der fein verzierte Medallion selber wurde von kleinen Rubinen geziert, die in einem Oval angeordnet waren. In diesem Oval befand sich eine spiegelglatte Fläche, die wohl als kleiner Spiegel dienen sollte.
Dieses Medaillon war ihr liebstes, auch wenn ihr die Edelsteine darauf etwas klein waren. Aber es passte perfekt zu ihrem Kleid, an das sie noch eine lange Schleppe nähen lassen wollte. 

In dem Moment öffnete sich die Tür zu Aylas Kammer und herein trat ein junger Mann. 
Ayla warf ihm einen abwertenden Blick zu, musterte ihn von oben bis unten, und wandte sich dann wieder ihrem Spiegelbild zu. 
"Klopfen ist für dich wohl ein Fremdwort?", bemerkte sie spöttisch. Ayla gab sich keine Mühe, ihm Respekt zu zollen.
"Entschuldigt. Ich wurde vom König geschickt. Ich... Ich bin Schneidermeister..." Er stockte, als Ayla zu ihrer Kommode ging, erst ihren Schmuck ablegte und sich dann ihr Kleid auszog. 
Nur mit ihrem dünnen Unterkleid bekleidet drehte sie sich um. "Sprich ruhig weiter."
"Ich..." Er schluckte. "Ich bin Elliot. Ich bin... soll Euer Diener sein." Er holte Luft. "Wenn Ihr einverstanden seid."
Ayla hatte ihr weißes Alltagskleid in der Hand  und wollte es sich gerade über den Kopf ziehen, aber nun hielt sie inne und ließ ihren Blick erneut über ihn fliegen, aber diesmal endete er bei seinen Augen. "Du bist vom König geschickt worden, sagtest du?"
Er neigte den Kopf. "So ist es."
Die Prinzessin ließ ihn mit ihrem durchdringenden Blick nicht los. "Um zu beurteilen, ob du mir ein guter Diener sein wirst, werde ich ein paar Tage brauchen. Ich werde es dann dem König persönlich mitteilen."
Elliot neigte den Kopf und atmete hörbar auf, als der intensive Blickaustausch abbrach. Aber ebenso schnell hob er den Blick wieder und ließ ihn an Aylas Körper hinabgleiten, als sie sich ihr weißes Kleid anzog und sich ihre Rundungen deutlich unter dem dünnen Stoff abzeichneten. Als Ayla seinen Blick auffing, lächelte sie erhaben. Sie ging auf ihn zu, ganz nah, sodass er ihren Atem auf seinem Gesicht spüren konnte, ihre Augen pendelten zwischen seinen Augen und seinen Lippen. "Habe ich dich etwa... in Verlegenheit gebracht?", flüsterte sie und er schluckte, als ihr heißer Atem seine Lippen küsste. 
"Ne...nein, natürlich nicht", stotterte er und trat unwohl  einen Schritt zurück. 
Auf Aylas Lippen lag nur ein wissendes Lächeln, als sie sich umdrehte und zu ihrem Hochzeitskleid ging. Als sie seine Schritte nicht hinter sich hörte, drehte sie sich über die Schulter zurück und winkte ihn zu sich. "Komm' her."
Er tat, wie sie ihm befohlen hatte. Allerdings hielt er einen Höflichkeitsabstand ein, wie es von einem Hofdiener gefordert war. 
Die Prinzessin fing an zu sprechen: "Eigentlich ist das Kleid perfekt, aber ich möchte noch eine Schleppe. Und eine Schleife für mein Haar aus demselben Stoff." Ayla fuhr sich durch ihre hüftlangen, blonden und seidigen Haare.
Elliot nickte eilig. "Ich werde sehen, was ich tun kann." Er griff nach dem Kleid und ging schnurstracks zur Tür, ohne Ayla einen letzten Blick zuzuwerfen. 
"Das wünsche ich", nickte Ayla, bevor Elliot die Tür geschlossen hatte.

👑Drachenwinter👑 Der Aufstieg und der Niedergang einer KöniginWo Geschichten leben. Entdecke jetzt