👑 Königstränen 👑

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Als Ayla am nächsten Tag auf ihrem Zimmer ihr Unterkleid anziehen wollte, merkte sie, dass der Stoff über ihrem Bauch viel zu sehr spannte. Sie hatte in der letzten Zeit gemerkt, dass sie dicker geworden war, und sie hatte weniger gegessen und war länger gelaufen, doch es hatte nichts genützt. Außerdem war ihre Blutung ausgeblieben. Sollte das etwa heißen, dass...
Es war unmöglich, dass es Sylvius' Kind war. Was sollte sie nun machen? Wenn das seine Eltern erführen, flöge sie hochkant aus der Burg. Ayla umklammerte ihren Bauch. Was konnte sie tun? Was sollte sie jetzt mit einem Kind? Ayla kratzte, schlug auf ihren Bauch ein, aber er wurde nicht kleiner.
Ein zaghaftes Klopfen. "Alles in Ordnung, meine Prinzessin?"
Es war Sophie, eine Zofe, bei der Ayla spürte, dass sie ihr vertrauen konnte. "Komm' bitte herein."
Die Tür öffnete sich ein Stück weit und Sophie mit ihren langen, braunen Haaren trat herein. "Was ist denn los, meine Prinzessin?", fragte sie besorgt, als sie das schmerzverzerrte Gesicht von Ayla sah und einige Tränen ihren Weg von Aylas Augen über ihre Wange fanden. Sie zeigte nur auf ihren Bauch und Sophie verstand sofort.
"Glaubt Ihr..."
Ayla nickte traurig und wischte sich die Tränen weg. "Niemand darf es erfahren", wies sie ihre Zofe an und die knickste tief.
"Natürlich, meine Prinzessin. Ich werde niemandem gegenüber ein Wort darüber verlieren."
Dankend neigte die Prinzessin ihr Haupt. "Hast du eine Idee, wie ich es verstecken kann?"
Sophie überlegte kurz und ging dann zu Aylas Kleiderschrank. Heraus holte sie ein weites Kleid und einen weiten Umhang. "Wenn Ihr das tragt, meine Prinzessin, dürfte es gehen."
Ayla blickte beides skeptisch an. Sie wollte das nicht tragen, aber was hatte sie denn für eine Wahl? Seufzend gab sie sich einen Ruck, zog das Kleid über und hängte sich den Umhang um. So drehte sie sich zu Sophie. Die musterte sie von oben bis unten. "Das ist gut, ja", kommentierte sie. Dann berührte sie Aylas Mundwinkel und schob sie nach oben. "Und immer schön lächeln. Denkt dran, Ihr seid die zukünftige Königin, meine Prinzessin!"

Der Tag verlief ohne Zwischenfälle, obwohl Ayla sich, nachdem sie kurz in der Bibliothek gewesen war, auf ihr Zimmer zurückgezogen hatte. Außerdem hatte sie ihren Umhang abgelegt und stattdessen ein weiteres Tuch so an ihrem Kleid festgemacht, dass es nun so fiel, dass der Bauch gar nicht auffiel. Sie verbrachte die Zeit damit, sich ihre Haare zu flechten oder von ihrem persönlichen Balkon die Vögel zu beobachten. Sie wusste sie zwar nicht zu benennen, aber das wollte sie auch gar nicht können. Die grauen, fetten Vögel waren sofort da, sobald auch nur ein Brotkrumen auf die Erde fiel. Dann war die Streiterei natürlich groß, bis der Brotkrumen in irgendeinem Schnabel verschwunden war. Aber Ayla fand am meisten Amüsement, wenn einer davon beinahe von einem Wagen überfahren wurde oder ein wütender Bäcker sie fast mit einem Holzbrett aus der Luft holte. Dann musste sie immer lächeln. Einmal hatte Sophie sie gefragt, warum sie lächelte, aber sie hatte gekonnt gelogen: "Es ist so schön ruhig, nicht?". Und Sophie hatte geantwortet: "Wohl wahr, meine Prinzessin." und verschwand mit dem vergoldeten Tablett durch den seidenen Vorhang vor dem Balkon.

Innerhalb der nächsten Tage wuchs ihr Bauch auf eine Größe, die nicht mehr so einfach zu kaschieren war, weshalb sie sich fast ausschließlich auf ihrem Zimmer aufhielt. Sie verbrachte ihre Tage meistens im Sitzen, ließ sich inzwischen sogar zu Handarbeit überreden. Somit hatte sie viel Zeit, um Nachzudenken. Sie dachte viel an Samail und wie er sie und ihre Jungfräulichkeit verbraucht hatte. Sie hoffte, Sylvius und seine Eltern erfuhren nicht, dass sie sich mit einer Schere den Finger aufgestochen und das Blut auf die Matratze verteilt, da, wo sie gelegen hatte. Die Liebe mit Sylvius war anders als mit Samail. Es war jedesmal wie ein Rausch aus bunten Farben und Tönen. Aber anders als bei Samail waren auch echte Emotionen dabei. Wenn sie ihm in die Augen sah, sah sie, dass er sie liebte. Liebe war nicht die Grundvoraussetzung für eine Hochzeit, Hauptsache, die Ehefrau gebar ihrem Gatten einen oder besser mehrere gesunde Erben. Wie viele Kinder er mit Huren zeugte, spielte keine Rolle, die meisten würden sowieso in der Gosse enden und hatten auch keinerlei Anspruch auf ein Zimmer im Palast, dem königlichen Blut in ihren Adern zum Trotz.
Sie hoffte von ganzem Herzen, ihr Kind würde nicht so enden. Um Samails Willen. Vielleicht würde er sein Kind sehen wollen. Vielleicht würde er sie besuchen.
Ayla ließ das Stickzeug sinken. Samira war die einzige Erinnerung, die sie an ihn hatte. Sie stand in den königlichen Stallungen des Hofes. Sie hatte sich prächtig gemacht, war inzwischen so wohlerzogen, dass sie die königliche Kutsche ziehen durfte.

Ein paar Monde später fand sich Ayla im Keller wieder, ein ekelerregender, feucht-kalter Keller in der Burg. Denn nur hier würde sie hoffentlich niemand hören. Aylas Bauch war auf das dreifache ihrer eigentlichen Breite herangewachsen, als sie jetzt endlich gebährte. Sie schrie wie am Spieß, weil die Schmerzen jegliche Grenze von Gut und Böse überstiegen. Sie schrie, weil sie sich fühlte, als würde sie lebendig verbrennen und gleichzeitig ertrinken. Aber als Babygeschrei zu hören war, lehnte Ayla erschöpft ihren Kopf an die hölzerne Lehne des Stuhls und atmete erleichtert aus. Auf ihrer Stirn hatten sich ob der Anstrengung Schweißperlen gebildet, die nun ihre Zofe wegwischte. Es war noch eine Heilerin da, eine, die sie auf der Straße aufgegabelt hatten, die dem Kind mit einem Tuch das Blut vom Körper rieb.
"Es ist ein Mädchen", lächelte sie und legte Ayla das Kind in den Arm.
Auf Aylas Lippen legte sich ein seliges Lächeln, als sie ihre Tochter betrachtete. Inzwischen hatte sie die Augen geschlossen und nuckelte friedlich an ihrem Daumen. "Sie ist wunderschön", murmelte Ayla abwesend.
Sophie lächelte glücklich, genau wie die Heilerin. "Wie nennst du sie?"
Ayla überlegte nicht lange. "Elyza."

👑Drachenwinter👑 Der Aufstieg und der Niedergang einer KöniginWo Geschichten leben. Entdecke jetzt