👑 Die Kinder der Königin 👑

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Es war nichts Neues, dass Ayla willkürlich Menschen töten ließ, die ihr nicht in den Kram passten. Es war auch nichts Neues, dass die Königin Entscheidungen traf, die weithin als falsch bezeichnet wurden. Aber trotzdem reagierten die Menschen diesmal anders. Vielleicht war es der eine Tropfen gewesen, der das Fass zum Überlaufen brachte. Diesen Mord nahmen viele Menschen zum Anlass, ihrem Hass gegenüber der Kindskönigin freien Lauf zu lassen.
Vielleicht bekamen die Menschen nun Angst, dass Ayla nicht nur ihre ihr nahestehenden Gefolgsleute, sondern auch einfache Bürger töten lassen könnte. Immerhin war sie die Königin. Sie konnte tun und lassen, was sie wollte, und das tat sie auch.
Verständlich, dass Ayla dieses neu erweckte Misstrauen und der Hass gar nicht gefiel. Aber sie straffte sich, atmete tief ein und stieß das schwere Portal auf.

Die Leute, denen sie auf dem Weg zu ihren Drachen begegnete, musterten sie misstrauisch und in ihrem Blick lag etwas Neues, das Ayla nicht zuordnen konnte. Angst und Hass kannte sie, aber die neue Emotion schien eine Mischung aus Hass, Verachtung und Zorn zu sein, und ihre Augen schossen spitze Speere auf sie. Ayla jedoch berührte all dies recht wenig. Zu oft hatte sie schon ähnliche Situationen erlebt.

Eine frische Böe blies ihr die Haare aus dem Gesicht, als sie auf die offene Tribüne trat. Smaragd ließ ein freudiges Brüllen hören, als er Ayla sah. Saphir schnaubte nur abschätzig und blieb auf Abstand. Er war nicht so menschenbezogen wie sein Bruder.
Ayla streckte lächelnd ihren Arm aus und kraulte Smaragd die Nase, die er über das Geländer der Tribüne reckte. Smaragd schnaubte entspannt und schloss die Echsenaugen.
Nach einigen Minuten riss Ayla sich los und gab den Männern auf der Mauer das Zeichen, das Falltor hochzuziehen und Schafe in die Arena zu treiben. Ayla sah aufmerksam zu, wie ihre Drachen die Schafe überwältigten. Es erfüllte sie jedes Mal mit Stolz, aber auch mit Ehrfurcht. Sie waren so riesig und unglaublich stark. Nicht auszumalen, was sie einem Menschen passieren würde, der ihnen zuwider war. Aber sie hatte ja Glück. Ayla hob das Kinn, während ihre Augen scharf beobachteten, wie ihre Drachen mühelos ein Schaf in zwei Teile rissen. Ja, sie hatte Glück, denn sie war ja ihre Mutter.

Am späten Nachmittag traf sie vor ihrem Gemach auf Miguëll.
"Meine Königin!" Er deutete eine Verbeugung an und hob dann schnell wieder seinen Blick. "Ich habe Euch gesucht!"
Er japste kurz nach Luft, bevor er erneut ansetzte zu reden, doch Ayla unterbrach ihn bestimmt.
"Komm' einmal mit in mein Gemach und da kannst du erstmal wieder zu Atem kommen."
Als Ayla ihn mit einem kurzen Blick streifte, bevor sie die Tür zu ihrem Gemach öffnete, meinte sie, einen seltsamen Schimmer in seinen Augen zu sehen.
Sie wies Miguëll an, sich auf einen Stuhl zu setzen. Die Königin selbst ging zu ihrem Spiegel und musterte ihr Spiegelbild genau, ehe sie nach einem Elfenbeinkamm griff und damit begann, einzelne Strähnen ihrer goldenen Locken zu kämmen.
Zwischenzeitlich hatte sich Miguëll erhoben und trat hinter Ayla.
"Ich habe gehört, die Drachentöterbruderschaft holt zu einem Gegenschlag aus", berichtete er.
Ayla ließ die Hand mit dem edlen Kamm darin sinken und starrte ihn stumm im Spiegel an. "Nichts anderes hatte ich erwartet."
Miguëll starrte eine Weile wortlos zurück, dann trat ein Ausdruck unverhohlener Lust in seine Augen. Unverhofft überbrückte er die restliche Distanz zwischen ihnen mit einem schnellen Schritt, umfasste ihre Taille mit beiden Händen und hauchte eine heiße Berührung seiner Lippen gegen ihren Hals. "Ich liebe Euch", murmelte er zufrieden gegen ihre Haut und sein warmer Atem schickte Ayla einen angenehmen Schauder über ihren Rücken. "Und ich werde Euch beschützen."
Als die Königin sich umdrehte, wollte sich Miguëll sogleich über ihre Lippen hermachen, doch Ayla drückte ihren Zeigefinger auf die seinen. "Das ist alles, was zählt. Wir sind alles, was noch zählt."
Dann senkte sie den Kopf und ließ sich davontragen in eine Welt der Lust und Sinnlichkeit.

Als es am nähsten Morgen an der Tür klopfte, meinte Ayla zunächst, es wäre Miguëll, der von seiner morgendlichen Wache zurückkam. Aber als Ayla vollständig wach wurde, erkannte sie einen Offizier. Die Tür wurde knarrend aufgeschoben, ohne dass sie "Ja" gerufen hatte.
Er verneigte sich hastig und fing sofort an zu reden, ohne lange zu zögern. "Meine Majestät! Wir haben drei Drachen gesichtet, draußen in den Ebenen. Sie kommen schnell auf die Burg zu."
"Gut."
Der Offizier räusperte sich und änderte seine Haltung. "Bei allem Respekt, Majestät, das ist alles andere als gut. Wahrscheinlich sind es weit mehr als drei."
Ayla neigte den Kopf. "Aber ich finde das gut."
"Majestät, ich glaube, Ihr vergesst, dass es sich hierbei um Drachen handelt. Grausige, riesige, feuerspeiende Bestien."
Die Königin richtete sich stolz auf und starrte ihm unverwandt ins Gesicht. "Die Drachen sind meine Kinder, egal, was für schreckliche Adjektive du auch findest, um sie zu beschreiben. Ich habe schon gehört, wie weitaus schlimmere Kreaturen jemandes Kinder genannt wurden."
"Das mag alles sein, Königin, aber es löst unser Problem nicht. Die Drachen halten geradewegs auf uns zu. Das verheißt sicher nichts Gutes. Das macht die Menschen - uns alle - nervös."
Ayla lächelte. "Kein Grund, nervös zu werden", beschwichtigte sie den unruhig tänzelnden Mann vor ihr und kam sich auf einmal groß und unbesiegbar vor. "Wir werden sie empfangen. Sie werden uns nichts tun, da bin ich sicher." Sie strich sich über ihre goldene Krone. "Ich werde die Drachen empfangen."

Als Ayla hinaustrat auf die Treppen vor der Burg in einem weißen Kleid, hatte sich unterhalb der Stufen schon eine Menschenmenge versammelt. Auch die Armee war in Formation und voller Montur aufmarschiert, so wie die Königin es befohlen hatte.
Die Drachen konnte man bereits mit bloßem Auge erkennen. Sie kamen schnell näher, und es waren weit mehr als drei dunkle Schatten am heller werdenden Himmel. Ihre Drachen, Smaragd und Saphir, brüllten erfreut. Erst erhob sich Saphir in die Lüfte (seine riesigen, blauen Schwingen über der Burg gaben ein beeindruckendes Bild ab), dicht gefolgt von seinem wesentlich kleineren Bruder Smaragd.
Neugierig flogen sie auf die überraschend eintreffenden Neuankömmlinge zu. Als sie aufeinander trafen, kreischten sie los und vollführten einige atemberaubende, gefährlich aussehende Manöver in der Luft. Sie beschnupperten sich, schnappten nacheinander, fauchten und hieben mit ihren spitzen Klauen aufeinander ein. Man konnte das Scheppern des Aufpralls bis zur Burg hören, gefolgt von einem gereizten Fauchen, wenn die Krallen nutzlos am harten Schuppenpanzer abgeprallt waren, oder einem gellenden Schmerzensschrei.
Die Menge raunte jedes Mal mit einer Mischung aus Furcht und Staunen auf. Aber je näher die Drachen kamen, desto unruhiger wurden auch die Menschen. Nur Ayla stand ruhig, stolz und stark da.

👑Drachenwinter👑 Der Aufstieg und der Niedergang einer KöniginWo Geschichten leben. Entdecke jetzt