👑 Königsleben 👑

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Ein Drache entfernte sich und kam schnell auf sie zu. Bald erkannte sie Smaragd, der erst kurz vor ihr in den Sinkflug überging und so dicht vor ihr landete, dass das heftige Schlagen seiner Schwingen solch einen starken Luftzug erzeugte, dass Aylas Haare wild durcheinander wirbelten. Dann senkte er devot den Kopf und ließ sich die Stirn kraulen. Derweil landeten auch die anderen Drachen, wenn auch sehr viel weiter von den Menschen entfernt. Trotzdem traten die Menschen unwohl auf der Stelle und zuckten bei jeder Regung der riesigen Tiere zusammen.
"Habt keine Angst, mein Volk", sprach Ayla eindringlich.
In dem Moment ließ Saphir ein markerschütterndes, fast klagendes Brüllen hören. Smaragd antwortete seinerseits mit einem kurzen Brüllen, an das er noch einen leisen Faucher hängte. Wieder rief Saphir. Smaragd fauchte, sogar mehrmals, und hielt beschützend einen Flügel über Ayla.
„Habt keine Angst", murmelte Ayla, mehr zu sich selbst als zu den Menschen am Fuße der steinernen Treppe. "Habt keine Angst."

Er hatte seine Königin auf das Persönlichste beleidigt und gekränkt und deshalb hatte Ayla ihn zum Tod durch Drachenfeuer verurteilt.
Seit einigen Tagen wirkte das Medaillon nicht mehr und die Drachen Smaragd und Saphir flogen zusammen mit den anderen Drachen aus dem Norden frei herum, wodurch sie Angst und Schrecken unter dem Volk verbreiteten. Aber in Aylas Augen hätte es durchaus schlimmer kommen können. In erster Linie jagten sie nämlich außerhalb der Stadt. Anscheinend bevorzugten sie eher Rehfleisch.
Draußen blies ein erbarmungsloser Wind und trieb Ayla winzige, harte Schneeflocken wie tausende Glassplitter in die Augen.
Sie kannte den Verurteilten nicht einmal beim Namen. Mit Handfesseln wurde er an ihr vorbeigeführt und an den Pranger gebunden.
Die Drachen waren nun frei, doch Smaragd zum Glück so menschenbezogen, dass er schon nach einmal rufen kam. Er hatte kein Problem mit Menschenmengen, und er landete direkt vor Ayla, dicht vor einigen Soldaten, die unwohl einige Schritte zurück wichen. Ayla musste schmunzeln und ergriff das blutige Fleischstück, das ihr von einem Offizier gereicht wurde, um es Smaragd als Belohnung zu geben. Er schlang es mit einem Bissen hinunter und entließ ein leises, freudiges Winseln. Ayla strich ihm über die aufgeblähten Nüstern und deutete in Richtung des Mannes. Mehr war auch gar nicht nötig, der grün-schillernde Drache verstand sofort.
Augen und Mund des Mannes weiteten sich, als er Smaragd auf sich zukommen sah. Der Drache baute sich vor ihm auf und holte tief Luft.
Der Anblick seiner schreckgeweiteten Augen des Mannes, der seinem Leben augenscheinlich ein plötzliches Ende gesetzt sah, schickte eine wohlige Genugtuung über Ayla und sie beobachtete zufrieden, wie erst die Haare und dann der gesamte Körper wie eine menschliche Fackel lichterloh brannten. Bis auf die qualvollen Schreie des Mannes, dem Knacken des erbarmungslos heißen Feuers und dem Pfeifen des eisigen Windes lag eine Totenstille über dem Platz.
Dann plötzlich erhoben sich Schreie, erst vereinzelt, und nach und nach immer mehr. Irritiert und verunsichert blickte Ayla um sich.
„Sie haben Angst, Majestät", drang die Stimme eines Offiziers an ihr Ohr.
Aylas Augen rasten wild hin und her, ohne dass sie sich rühren konnte. Erst als die Menschen begannen, mit Stöcken und manche sogar mit Heugabeln auf Smaragd einzustechen, regte sich etwas in ihr. Nein, nicht schon wieder. Der entsetzte Schrei der Königin und das getroffene Brüllen von Smaragd mischten sich, wanden sich umeinander wie ein tanzendes Liebespaar.
Blut schoss aus den Einstichen und erbost schoss Smaragd herum.
Er schlug mit seinem Flügel auf die Menschen ein und fegte sie so hinweg. Ringsum schrien die Menschen panisch und rannten weg.
Immer noch im Schockzustand beugte sich Ayla zu einer Pfütze aus Drachenblut, betrachtete sie eingehend und befühlte die zähe Masse. Langsam, wie in Zeitlupe richtete sich die Königin auf und entließ einen Schrei so hoch, so laut, so schrecklich, dass selbst die grausigsten Kreaturen in der Hölle erzitterten.
Alarmiert kamen die anderen Drachen angeflogen, um zu sehen, was los war. Saphir brüllte herzzerreißend, als er seinen Bruder in Schwierigkeiten sah. Ungeachtet der Menschen landete er neben Smaragd und entließ ein heiseres Fauchen, das in einen brennend heißen Feuerstrahl mündete, um die Angreifer fernzuhalten, die wie Ameisen um die riesigen Bestien wimmelten.
Erschrocken wich sogar Ayla der glühenden Gefahr aus. Es war das erste Mal, dass Ayla so etwas wie Angst in der Nähe ihrer Drachen verspürte.
Smaragd war abgelenkt, weil er die Menschen vor der Tribüne von sich fernhalten musste.
Saphir warf Ayla einen skeptischen Blick aus seinen schmalen Echsenaugen zu.
Ein Offizier trat hinter Ayla. „Eure Herrschaft ist vorbei." Er holte tief Luft und nickte in Richtung der Drachen. „Ihr habt keine Kontrolle mehr über sie."
Ayla knirschte unwillig mit den Zähnen. „Ihr irrt Euch", antwortete sie, ohne sich umzudrehen. Dann trat sie einige Schritte vor und erhob ihre Stimme. „Ich bin die erste und die letzte und die einzige Drachenkönigin, die dieses Königreich je gesehen hat, die einzige, die es verdient." Machtvoll hob sie ihre Hände. „Die Götter selbst haben mich gekrönt und ich werde nie aufgeben. Ich werde bis in alle Ewigkeit herrschen!"

Ein vielsagender Augenkontakt mit dem Offizier hieß ihn Schweigen. Dann drehte sich Ayla um, holte tief Luft und ging auf die inzwischen zur Ruhe gekommenen Bestien zu.
Die beiden Drachen musterten sie ruhig. Smaragds Blick war dunkel und hart geworden. Seine Pupillen zuckten. Versteinert beobachteten die beiden, wie Ayla Schritt für Schritt auf sie zukam.
Direkt vor den grausigen Krallen blieb sie stehen und hob den Blick zu Saphirs Augen. Er starrte reglos zurück.
Sie hob ihre Hand und verharrte so, damit die Drachen sie beschnuppern konnten. Beide zögerten zuerst, doch schließlich beugte Saphir seine Nase herunter und schnupperte an ihrer blutverschmierten Hand.
Eine kleine Ewigkeit verging, in der Saphir nachzudenken schien.
Plötzlich zuckte er zurück. Er baute sich vor seiner Mutter auf, holte tief Luft und öffnete sein beängstigendes Maul zu einem gleißenden Feuerstrahl.

👑Drachenwinter👑 Der Aufstieg und der Niedergang einer KöniginWo Geschichten leben. Entdecke jetzt