👑 Königsfeind 👑

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Rasch stiegen sie ein und der Kutscher trieb die Gäuler mit Rufen und der Peitsche an. Die Banditen hatten sie noch nicht bemerkt. Ayla hörte den Wind und die Peitsche, die durch die Luft zischte. Sie hörte, wie der Kutscher die Gäuler mit lauten Rufen antrieb und in der Ferne vernahm sie Kampfesgeschrei. Es erinnerte sie wieder an ihre erste Begegnung mit Banditen. "Sollten wir nicht umkehren und ihnen helfen?"
Theodorus unterdrückte ein Lachen. "Wie denn? Wir sind zwei alte Männer und eine Frau. Was können wir schon gegen fünfzig schwer bewaffnete Krieger ausrichten?"
"Er ist ein Krieger", erwiderte Ayla und zeigte auf Miguëll, der ihr gegenüber saß.
"Er mag gut kämpfen, aber gegen eine Übermacht kommt auch er nicht an."
Darob schwieg Ayla, weil sie wusste, dass er Recht hatte. Obwohl sie jetzt mehr Ahnung davon hatte, wie man mit dem Schwert umging, würden sie wohl kaum gegen fünfzig Mann ankommen. "Aber die Männer, wie sollen sie die Grenze zurückerobern, wenn sie verletzt oder tot sind?"
"Vielleicht", meinte der Greis nachdenklich, das erste Mal, dass er sich zu Wort meldete, "reicht es, wenn wir die Grenze verschieben und sichern."
"Ihr meint einen Rückzug?", fragte Theodorus ungläubig.
Der Greis zuckte mit den Schultern. "Rückzug klingt hart, aber... ja, im Grunde schon." Er musste husten. "So habt ihr Zeit, euch effektive Strategien zu überlegen, um die alte Grenze und damit das alte Gebiet zurückzuerlangen und zu halten."
Ayla nickte sofort zustimmend, aber Theodorus blieb skeptisch. „Und was, wenn die Männer die Grenze nicht zurückerobern können?" Er hielt inne, lehnte sich vor und zog die Augenbrauen hoch, während er leise, aber eindringlich meinte: „Es ist allgemein bekannt, dass es einfacher ist, etwas zu verteidigen statt zu erobern."
Der Greis neigte den Kopf. „Das mag stimmen, doch manchmal muss man zum Erreichen seiner Ziele unübliche Wege einschlagen."
Ayla senkte nachdenklich den Kopf. „Ich finde seinen Plan gut", erwiderte sie nur.
Theodorus verstummte und blickte zwischen der Königin und dem Greis hin und her. Eine Weile hörte man nichts als das Klappern der beschlagenen Hufe auf dem trockenen Boden und das Klirren der wertvollen Trensen.

Als es Nacht wurde, hielt der Kutscher die Pferde kurz an, damit er der Königin berichten konnte. Ein Bächlein plätscherte fröhlich in der düsteren Aue. Die Tür klapperte, als er sie öffnete.
Er klang abgehetzt, als er zu sprechen ansetzte. „Da wir nun ohne Geleit sind, würde ich davon abraten, lange zu rasten", begann er, was Ayla mit einem Nicken quittierte. „Wir sind schon eine Weile wieder in nordöstlicher Richtung unterwegs. Trotzdem und gerade deswegen wäre es wichtig, einen berittenen Boten loszuschicken und eine neue Garde für die Königin anzufordern. Außerdem wollen wir die Männer nicht vergessen, die wir zurücklassen mussten."
„Die sind jetzt schon längst alle tot", murmelte Theodorus finster. „Und die Überlebenden werden gefangen genommen werden. Wenn sie tatsächlich gewinnen sollten, werden sie alle fliehen." Er warf dem Greis einen forschen Blick zu.

Sie hatten beschlossen, Theodorus loszuschicken, um ihnen Hilfe zukommen zu lassen.
„Woher sollen wir wissen, ob er wirklich zur Burg reitet?", fragte Ayla den Greis, als nur noch die Staubwolke auszumachen war, die sein Pferd aufwirbelte. „Und wenn er das tut, woher sollen wir wissen, ob er sie auch erreicht?"
„Nun, Ersteres zu beantworten ist weitaus leichter als das Zweite." Er ließ eine Pause, ob absichtlich oder unabsichtlich vermochte Ayla nicht zu sagen. „Er ist stolz", meinte der Greis rau. „Er wird die Chance nutzen, um selbst den Thron zu fordern. Und zu Zweiterem, das werden wir nie erfahren, wenn wir die Burg nicht aus eigenen Kräften erreichen."
„Warum sollte er das tun?", meinte Ayla ohne Gefühlsregung. „Er weiß, er wird hängen, wenn er das tut."
Der Greis nickte kaum merklich. „Wenn Ihr nachkommt. Und er weiß auch, die Chancen stehen schlecht ohne seine Hilfe."
Ayla straffte sich und drehte sich um, um zu dem einen Pferd zu gehen, das der Kutscher inzwischen ausgespannt hatte und führen würde, damit die Königin nicht laufen musste. Miguëll stand daneben. Der Greis folgte Ayla in einigem Abstand. Sie nickte und da hob der Kutscher sie auf den Rücken des Pferdes. Sobald Ayla einigermaßen ordentlich saß, ging es los. Ohne Sattel war es ein ganz anderes Gefühl und Ayla rutschte hin und her, obwohl das Pferd nur im Schritt lief. Aylas Finger krampften sich in die Mähne des weißen Pferdes, und zwar so heftig, dass es erschrocken zusammenzuckte und quiekte.
Der Kutscher bemerkte es natürlich. „Lehnt Euch zurück", wies er sie an. „Presst die Oberschenkel an den Bauch. Fühlt nach der Schulter des Pferdes. Dahinter ist eine Kuhle in die Ihr Euer Bein legen könnt."
Ayla runzelte nur die Stirn, als sie seine Hinweise befolgte. Sie ließ es sich nicht anmerken, aber sie war sehr dankbar für des Kutschers Anweisungen. Zwar ruckelte es immer noch sehr, aber so ließ es sich bequemer aushalten, obwohl sie trotzdem die Mähne nicht losließ. Wenn sie nur die Schulter finden würde.
Ayla hatte aber nicht groß Zeit, um darüber nachzudenken, denn auf einmal kam aus dem Dämmerdunkel zu ihrer Linken ein Pfeil, der präzise den Kopf des Kutschers traf. Ayla schlug sich erschrocken die Hand vor den Mund, um nicht laut loszuschreien. Das Blut spritzte auf das weiße Fell des Schimmels und dieser scheute leicht, als auf einmal Krieger aus dem Dunkel kamen.
„Reite weg!", murmelte der Greis ihr zu, doch sie zögerte. Ein weiterer Pfeil verfehlte knapp ihren Arm.
Miguëll sprang hinter ihr aufs Pferd und trieb es in den Galopp, bevor einer der Krieger dem Greis den Kopf abschlug. Das Blut sprudelte nur so aus der Halsschlagader. Dann fiel sein Körper um und blieb reglos liegen.
Ayla schrie auf und die Tränen schossen ihr in die Augen. So hätte es nicht enden müssen, dachte sie, nicht so, das hatte er nicht verdient. Sie wusste nicht, in welche Richtung sie ritt, aber Miguëll vermittelte mit seiner Wärme Sicherheit. Die Zügel baumelten nutzlos am Hals herum und Ayla klammerte sich krampfhaft an die Mähne. Sie mussten die Burg erreichen, sie mussten es schaffen! Der Zugwind trocknete ihre Tränen und ihr Blick wurde kalt. Es war wie ein Fluch, Aylas ganz persönlicher Fluch, dass alle, die ihr nahe kamen, sterben mussten. Und sie konnte niemanden retten, sie war verdammt, hilflos zuzuschauen, wie ein Leben nach dem anderen ausgelöscht wurde. Aber das war jetzt vorbei, ja, ganz sicher. Sie war stark geworden. In ihr wuchs eine Kraft, die über alles Bekannte hinausging. Ja, sie musste zurückkommen, um die zu bestrafen, die ihr das nehmen wollten, was sie verdient hatte, was ihr gehörte und von Anfang an gehört hatte. Ja, wenn sie schon sterben musste, so würde sie als Königin sterben und nicht als Feigling!

👑Drachenwinter👑 Der Aufstieg und der Niedergang einer KöniginWo Geschichten leben. Entdecke jetzt