👑 Königsschlaf 👑

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Das Schlafzimmer war verhältnismäßig klein, ein hoher Kleiderschrank drängte sich neben dem ohnehin schon schmalen Bett, und auf einer Kommode stand ein Kerzenständer mit schon ziemlich heruntergebrannten, roten Kerzen.
Trotz allem waren sie froh, ein Dach über dem Kopf zu haben, denn Ayla konnte sich vorstellen, dass eine Nacht im Freien nicht sonderlich angenehm war.
Zwar war der Mann sehr gastfreundlich und lud Samail und Ayla sogar noch zum Essen ein, doch Samail lehnte dankend ab. Später, als der Mann gegangen war, packte er aber trotzdem aus einer Tasche trockenes Brot und Wurst aus. Um die Gastfreundschaft des alten Herrn nicht zu strapazieren, meinte er nur, als Ayla fragend in Richtung des Brotes nickte.
Heute Nacht hielt sich Samail zurück. Es gab nur einen Gute-Nacht-Kuss, worüber Ayla, das musste sie sich eingestehen, etwas betrübt war. Sie wusste nicht, ob er es aus Respekt vor dem alten Mann tat, oder ob Ayla tags unbewusst etwas getan oder gesagt hatte, das ihm missfiel. Ayla konnte es nicht einordnen, und das Grübeln fand kein Ende.

Am Morgen dann, nach einer durchwachten Nacht, wollte Samail schon früh aufbrechen, weil er anscheinend heute noch sehr viel Strecke zurücklegen wollte.
Als Ayla mit halbgeschlossenen Augenlidern zu ihrem Pferd trottete und sich in den Sattel zog, beschwerte sie sich darüber.
"Warum müssen wir denn so früh aufstehen? Wir haben doch alle Zeit der Welt, oder nicht?"
Samail runzelte die Stirn. "Bist du etwa müde?"
Ayla zog eine Augenbraue hoch.
"Da in nächster Zeit kein Dorf auf der Strecke liegt, müssen wir heute versuchen, noch die Berge zu erreichen", erklärte er und gab seinem Pferd die Sporen.
Skeptisch hob Ayla den Blick und betrachtete die fernen, verschneiten Gipfel, die die Wolken durchstachen und von der Morgensonne angestrahlt wurden.
"Ist es in den Bergen nicht viel gefährlicher?", keuchte Ayla, als sie ihn eingeholt hatte.
Samail warf ihr einen Seitenblick zu und schmunzelte. "Wir reiten ja auch nicht in die Berge, sondern an die Berge. Und einfach nur deswegen, weil sich dann die Chance, eine schutzbietende Höhle zu finden, erhöht."
"Achso." Ayla schwieg eine Weile.
Diese Gelegenheit ergriff erneut Samail. "Wir werden wahrscheinlich in zwei bis drei Tagen die Drachenburg erreichen."
Ayla wollte protestierend den Mund öffnen, schwieg dann aber doch. Stattdessen wurde sie nachdenklich. Sollte ihre Beziehung wirklich schon zu Ende sein beziehungsweise hatte sie denn jemals existiert? War sie wichtig, vor allem für Samail? Und wie ging es weiter, nun, da sie ja bald wieder den Alltag einer Prinzessin verlebte? Wie würde Samail entscheiden? Ayla traf die Entscheidung, ihre Zeit, die ihr mit Samail blieb, auf jeden Fall zu nutzen. Denn im Schloss des Königs würde es sicher nicht einfach sein, die Beziehung aufrecht zu erhalten.

Nach mehreren Stunden waren die rauen Höhen schon in greifbare Nähe gerückt, und es dauerte nicht lange, bis sich an der grauen Felswand ein düsterer Höhleneingang öffnete und Samail ging so zielstrebig auf sie zu, dass sich Ayla fragte, ob er schon öfter hier gewesen war. Die Höhle bot genug Platz für alle ihre Sachen, ihre Pferde und sie selbst. Samail hatte etwas Feuerholz eingepackt und machte nun ein Lagerfeuer, um wilde Tiere fernzuhalten. Doch obwohl Ayla im Verlauf ihrer Reise an unkomfortable Unterkünfte gewohnt sein sollte, war ihr das wenig gemütliche Schlaflager etwas zuwider. Aber zumindest hatte der junge Königsdiener seines nahe Aylas aufgebaut. Eine gehauchte Versprechung, die die Königstochter dazu bewegte, sich trotz allem niederzulegen.
„Der Stein ist aber unbequem", stellte Ayla fest, während sie näher an Samail rückte.
Samail grinste nur. „Wir sind nicht mehr im Königspalast", hauchte er ihr zu und beugte sich hinunter, um sie sanft auf die Stirn zu küssen. Immer wieder, und irgendwann fanden seine Lippen die ihren, und in ihrer Brust entfachte ein Feuer, das nie mehr erlischen sollte. Dann wurden seine Lippen und auch seine Hände und Hüfte drängender und Ayla blieb fast die Luft weg im Liebesrausch. Inzwischen konnte sie ganz deutlich die Ausbeulung in Samails Hose spüren. Im flackernden, gedämpften Licht des Feuers entledigten sie sich ihrer Kleider und fuhren ihr zuckersüßes Liebesspiel fort. Niemand ahnte, dass die Sonne draußen rot unterging.

Als die Sonne den Horizont blutrot färbte, erwachten sie dicht umschlungen. Aber die Freude währte nicht lange. Als sich Samail ein paar Mal über die Augen gewischt hatte, schien er wieder klar denken zu können und er sprang auf, um alles zusammenzupacken.
"Wir könnten auch einfach weglaufen", sprach Ayla in diesem Moment ihre Gedanken laut aus und Samail schaute verwirrt zu ihr.
"Was?"
"Wir könnten zusammen weglaufen. Niemand weiß, dass wir noch leben. Wir könnten irgendwo hingehen und uns dort ein schönes Leben aufbauen", erklärte die Prinzessin ihm.
Erst schien er einen Moment diesen Gedanken ernsthaft abzuwägen, dann wandte er sich wieder dem Packen zu. "Niemand weiß, dass alle anderen tot sind. Sie erwarten dich. Der Prinz erwartet dich und mit ihm ein sehr angenehmes Leben als Prinzessin und schlussendlich Königin."
"Kein Leben könnte für mich erstrebenswerter sein als ein Leben mit dir", erwiderte Ayla und blickte ihm verliebt in die Augen.
Samail schien einen Moment zu brauchen, um zu verstehen, denn er blickte Ayla an, als hätte sie ihn bei etwas sehr Wichtigem gestört.
"Bitte", bettelte sie. "Lauf' mit mir weg und wir müssen nie mehr auf der Hut sein."
"Glaub' mir, Ayla, das würde ich liebend gern tun, aber du müsstest eine neue Identität annehmen. Wir müssten immer nur auf der Hut sein. Ein Leben als Königin wäre dagegen viel angenehmer."
Etwas gekränkt blickte Ayla auf ihre Hände. "Du willst mich nicht. Du findest mich nicht begehrenswert."
Samail hielt in seinem Tun inne. "Natürlich will und begehre ich dich. Wen könnte man jemals mehr begehren als solch eine Schönheit?" Er lachte etwas. "Nein, ich muss nach Hause zu meiner Familie. Ich habe es versprochen."
"Nimm' mich mit und sage, ich wäre eine Magd."
Er grinste wieder. "Nein, das glaubt dir keiner. Du siehst nicht aus wie eine Magd. Du hast wahrscheinlich noch nie im Leben ein Schwein gesehen, geschweige denn angefasst."
"Was tut das zur Sache?", antwortete sie ausweichend.
"Du benimmst dich nicht wie eine Magd", stellte Samail kühl fest. "Außerdem ist es bei mir gefährlich. Mein Vater und mein Bruder sind beide Drachentöter. Wir verdienen unser Geld damit, gefährlich zu leben, da hinein kann ich dich nicht ziehen."
Er widmete ihr nur einen kurzen Blick, doch als er sah, wie ahnungslos Ayla aussah, fing er wieder zu reden an. "Du hast keine Ahnung, wovon ich rede, oder?"
Statt einer Antwort legte Ayla nur den Kopf schief und sagte: "Erleuchte mich."
Er seufzte. "Drachentöter wurden früher die Freiwilligen genannt, die in der bestimmten Nacht, in der die Drachen über die Steppe flogen, diese auf sich aufmerksam und aggressiv machten, um mit ihnen zu kämpfen. Viele starben jedesmal, doch die Guten schafften es oft, mit einem Drachen heimzukehren. Wir brauchten sie in den Schmieden, oft nahmen wir auch Aufträge von anderen an und zähmten Drachen, um bezahlt zu werden. Es war ein gefährlicher Beruf, aber gutes Geld. Heutzutage gibt es kaum noch Bedarf an Drachen und daher ist der Beruf fast ausgestorben, aber nicht der Name. Wir sind eine Bruderschaft, die größtenteils im Geheimen agiert und der Gerechtigkeit dient. In der Region, in der meine Familie wohnt, haben sie die Herrschaftsgewalt komplett übernommen. Wir sorgen für Recht und Ordnung, also machen wir uns so manchen Feind, natürlich vorwiegend die, für die sich diese Gerechtigkeit negativ auswirkt. Also meistens die reichsten und einflussreichsten Geschäfts- und Regierungsleute. Nicht selten werden Attentate auf unsere Brüder und deren Familien ausgeübt, sozusagen als Rache, aber auch mit dem Ziel, dass unsere Bruderschaft ganz zerfällt. Doch wir geben nie auf." Samail ballte seine Hände zu Fäusten und zum ersten Mal fühlte sich Ayla in seiner Gegenwart bedroht. Sein Langschwert blitzte bedrohlich an seiner Seite auf.
"Hast du schon Menschen getötet?", fragte sie und konnte ihre Neugier nicht unterdrücken.
Er blickte sie mit einem merkwürdigen Augenmerk an, seltsam intensiv, drohend und nachdrücklich zugleich. "Ich bin - war - Palastwächter."
"Diener", korrigierte Ayla ihn.
Samail zeigte auf sein Langschwert. "Du kannst dir vorstellen, dass ich das nicht zum Spaß trage. Und ich habe es bekommen, als ich zur Palastwach- dienerschaft beordert wurde. Es gehört durchaus zur Aufgabe eines Palastdieners, dafür zu sorgen, dass diejenigen, die mit der Art und Weise der Herrschaft des Königs nicht ganz einverstanden sind, vom Palast fernzuhalten, damit die Königsfamilie sicher ist."
Ayla betrachtete wieder sein edel aussehendes Schwert, das rein silbern glänzte. Dies war ihr Antwort genug. "Ich will nicht mehr hören."
Samail neigte seinen Kopf leicht, wandte sich wieder ihrem Gepäck zu und blendete seine Umgebung scheinbar völlig aus. Frustriert stellte Ayla fest, dass die Diskussion hier für ihn augenscheinlich zu Ende war und dass er seine Meinung nicht ändern würde.

👑Drachenwinter👑 Der Aufstieg und der Niedergang einer KöniginWo Geschichten leben. Entdecke jetzt