Kapitel 6

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„Wegen was soll ich der letzte sein, mit dem sie reden möchte?" höre ich Paddy fragen. Ja vielleicht hast du mich verletzt oder so? Vielleicht warst du die Person, die mir in schweren Situationen durch deine Musik halt gegeben hat? Und jetzt hasst du mich. Ich habe deine Schweigeminute zerstört, du hast mir mein Herz etwas in Stücke gerissen. Oder so ähnlich. Aber bist du echt der letzte mit dem ich reden möchte? Ich habe keine Ahnung. Soll ich mich entschuldigen, weil ich deine Schweigeminute zerstört ha... „Aua kann man nicht mal aufpassen?" Vor lauter Gedanken saß ich immer noch mit dem Kopf an der Tür. Doch diese wurde gerade geöffnet - das tat und tut immer noch weh und gibt bestimmt ne Beule. Bevor überhaupt jemand raus kam, wurde die Türe sofort wieder verschlossen. Wer war das? Wer 'schlägt' mir die Tür an den Kopf? Okay, woher will jemand auch wissen, das ich vor der Tür sitze und den Gesprächen lausche? „Scheiße man, warum setzt sie sich auch vor die Tür, wenn die Tür nach außen aufgeht?" Also war es Paddy der mir die Tür an den Kopf 'geschlagen' hat. „Patrick die Pause ist jetzt schon seit 5 Minuten offiziell vorbei. Geh da jetzt wieder raus. Ich kümmere mich gleich um sie" „Du nervst. Ich muss mich aber noch kurz dafür entschuldigen das ich ihr die Türe an den Kopf geschlagen habe. Dann bin ich auch schon wieder weg. Nichmal Pause machen darf man. Achso und Achtung ich öffne jetzt die Tür. Nich das ich wieder jemand verletze." Erschrocken stehe ich auf und renne den Gang entlang - wohin weiß ich nicht - einfach weg. Auf einem Schild steht WC und da gehe ich auch rein. Ich habe jetzt keine Lust auf eine Entschuldigung. Ich habe auch keine Lust auf Tränen. Ich hasse es. Immer diese Tränen die die ganze Zeit über dein Gesicht laufen. Das schlimmste ist, das es mein Lieblingsmusiker ist der mich grade so fertig macht. Warum? Wie habe ich das nur alles verdient? Kann ich nicht einfach ein normales Leben führen - wie jeder andere auch? Wieso muss immer alles schief laufen? Ich brauche irgendeinen Ausweg. Es geht einfach nicht mehr.
Als ich mich wieder beruhigt habe, finde ich mich selbst sitzend auf dem Boden. Aber meine ganze Kraft ist verschwunden. Wie viel Zeit ist vergangen? Ich versuche aufzustehen aber es geht einfach nicht. Bleib ich halt hier sitzen, irgendjemand wird mich schon finden... Aber wenn dich jemand findet ist das auch nicht so toll. Dann würden wieder so viele Fragen aufkommen. Ne darauf habe ich einfach keine Lust. Hinter mir befindet sich ein Waschbecken, kann man doch auch als Stütze verwenden oder? Also drehe ich mich um und versuche mich hoch zuziehen und es klappt wirklich. Ich stehe wieder auf meinen Beinen. Aber wo jetzt hin? Wie komme ich nach Hause? Mein Vater ist ja leider nicht mehr da. Er denkt, ich habe einen schönen Tag. Tja, eher nicht. Du wirst auch nie einen schönen Tag haben. Du wirst immer Unglücklich sein. Ich gehe aus dem WC raus und befinde mich auf dem Gang. Leider sehe ich schon eine Person die nach mir sucht. Pino. Kann der mich nicht einfach mal in Ruhe lassen? „Ach da bist du ja. Ich habe dich schon fast überall gesucht." Seine Stimme klingt besorgt, er kommt näher auf mich zu. In der Hand befindet sich ein Kühlpack. Er streckt es mir entgegen. „Dankeschön" eigentlich habe ich das gerade schon total vergessen. Aber jetzt stechen wieder die Kopfschmerzen hervor. Warum musste Pino mich jetzt wieder dran erinnern? „Kommst du wieder mit? Dann kannst du dich auf dem Sofa ein bisschen hinlegen. Du siehst echt fertig aus, ist irgendetwas passiert?" Eigentlich schon oder? Aber das erzähle ich jetzt mal nicht und schüttel einfach meinen Kopf. „Ich will eigentlich nur noch nach Hause. Hier hält mich gar nichts mehr." „Ich kann dich nachher nach Hause fahren, aber solange das Konzert ist, muss ich als Manager anwesend sein. Leg dich doch einfach hier ein bisschen hin." Ich will eigentlich nicht noch länger hier bleiben, aber es bringt wahrscheinlich eh nichts mich zu wehren. Deshalb laufe ich gemeinsam mit Pino in den Raum von vorher zurück. Hier schießen mir sofort die Erinnerungen zurück. Hier stand Paddy vorher und hat sich richtig über mich ausgekotzt. Trotzdem bin ich total fertig und das Sofa schreit förmlich nach mir. Also lege ich mich hin. Nach einer sehr kurzen Zeit bekomme ich schon nichts mehr mit.
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Als ich wieder aufwache, höre ich Stimmen. Das eine ist auf jeden Fall Pino's Stimme. Die erkenne ich mittlerweile sofort und die andere? Kurz überlegen. Welche Stimme könnte das sein. Ich versuche mich umzudrehen, damit ich es sehen kann.
„Autsch!" ich habe gar nicht bedacht, das ich auf diesem schmalen Sofa liege und bin deswegen vom Sofa gefallen. „Emilia! Ist dir was passiert?" Pino ist sofort aufgesprungen und zu mir gegangen. Jetzt sieht er mich besorgt an. „Ne ne alles gut. Hab nur nicht mehr an das Sofa gedacht. Und weil ich mich erschrocken habe, habe ich 'Autsch' gerufen. Also alles gut." „Dann ist alles gut. Naja vielleicht nicht ganz alles, da möchte nämlich noch jemand mit dir reden." Wer will denn jetzt schon wieder mit mir re... „Emilia ich muss mich bei dir entschuldigen." Meine Gedanken wurden unterbrochen. Mist Paddy ist da. „Ich also ich habe vorher nicht überlegt, bevor ich geredet habe. Und jetzt plagt mich das schlechte Gewissen. Ich habe dich heute sehr oft verletzt. Körperlich und innerlich. Du musst mir glauben ich wollte das wirklich nicht." Jetzt macht er einen auf unschuldig. Mittlerweile ist mir egal ob er mein Lieblingssänger war. „Ja pech, hast du aber. Du hast mein Tag ruiniert. Aber mach dir nichts draus. Das bin ich schon gewöhnt. Pino können wir jetzt gehen? Das Konzert ist doch aus?" Gerade will Pino antworten wird aber sofort unterbrochen. „Doch, ich mache mir was draus. Ich habe deinen Tag ruiniert. Ich möchte das wieder gut machen." „Da gibt es aber nichts gut zu machen. Es ist passiert und rückgängig machen geht nicht. Das ging noch nie." „Ja, ich weiß. Aber du wolltest nur einen schönen Tag ohne..." „Ja ohne Probleme, falls du das sagen wolltest. Aber ich wollte es, habe es aber halt nicht bekommen." Wieso schnauze ich Paddy so an? Gerade könnte man glaub' meinen, dass ich ihn hasse. Ich hasse ihn aber nicht. „Ich kann dich nach Hause fahren, wenn du willst." kommt es von Pino. „Ja, bevor ich meinen Lieblingssänger auch noch beleidige, wäre das glaube ich sehr praktisch. Sorry Paddy ich wollte so eigentlich gar nicht reagieren, aber mir wird gerade alles zu viel." Ein klingeln unterbricht die Stille. „Joelle was gibt's?" höre ich Paddy ran gehen. „Sorry, dauert noch ein paar Minuten länger aber ich fahre gleich los..." „Also können wir jetzt bitte gehen Pino? Meine Mutter macht sich bestimmt schon Sorgen." „Ja klar. Bis morgen Patrick." Mehr sagte er zu Paddy nicht, er war immer noch am Telefonieren und ich glaube Pino wollte ihn dabei nicht stören.
„So, sagst du mir noch deine Adresse?" frägt mich Pino, als wir am Auto angekommen sind. Ich nenne sie ihm und wir fahren los. Fast die ganze Fahrt ist es still. „Du musst Patrick glauben, wenn er eins hat, dann ist es ein großes Herz. Er wollte dich echt nicht verletzen. Manchmal überlegt er vorher nur nicht, bevor er etwas sagt. Das ist eine seiner Schwächen." „Ich habe glaube ich auch ein bisschen überreagiert. Aber ich war einfach so sauer... eigentlich auf mich selbst. Es war einfach ein Tag der schön werden sollte und auf den ich mich schon lange gefreut habe. Aber es war einfach das krasse Gegenteil von meiner Vorstellung... und deswegen... ja du weißt schon... hab ich etwas überreagiert. Was mein Verhalten gerade eben aber trotzdem nicht entschuldigt." „Du hast nicht überreagiert. Ich hätte glaub' genauso reagiert. Einfach aus dem Grund, weil er sozusagen dein Lieblingssänger ist. Verstehst du was ich dir sagen will?" „Ja, aber können wir das Thema bitte wechseln?" „Klar, kein Problem." Na toll, jetzt herrscht wieder Stille. Aber wir sind zum Glück gleich da. „Danke, das du dich so um mich gekümmert hast, also vorher." „Ach, schwer war das ja nicht." Er schmunzelt ins sich rein. „Da vorne wohne ich." „Wow, echt ein schönes Haus." „Ist es eigentlich auch, aber die Wände machen ein Problem. Sie sind sehr dünn. Deswegen kann ich nicht laut Musik hören, sonst steht der Nachbar da und dann gibt es ärger." „Ohh, da hat dein Nachbar wohl keinen guten Musikgeschmack, was?" „Hehe, ähm also wenn ich Klassik hören würde, wäre ihm es wahrscheinlich egal. Also so Mozart und so. Das könnte ich so laut aufdrehen wie ich will, aber bei Paddy's Musik... wie sagt er immer so schön, 'Wie kann man sowas nur anhören, diese Musik heute entsteht wahrscheinlich einfach nur, ohne das vorher überlegt wird. Hauptsache die Kohle fließt rein, damit man sich schnell ein eigenes Luxus-Haus kaufen kann. Also ich würde so etwas nie unterstützen. Schön ist was anderes.'" „Ah okay, ich glaube Patrick würde über diese Aussage etwas schockiert sein. Nicht überlegt... darüber sollte man sich bei Patrick keine Gedanken machen." Fängt er lachend an zu erzählen. Als das Auto vor unserem Hof stehen bleibt geht sofort das Fenster auf. Und gleich danach die Haustür. „Das ist meine Mutter." „Oh, da wird wohl jemand erwartet." „Ähm ja, mittlerweile ist es ja auch schon 0:42 Uhr, da tauchen schon mal Sorgen bei meiner Mutter auf.“ Ich mache die Autotür auf. „Wo warst du denn noch so lange? Warum kommst du so spät? Und wer ist das?" Sie zeigt auf Pino, dieser merkt es, steigt aus dem Auto aus und reicht meiner Mutter die Hand. „Hallo, ich bin Pino der Manager von Patrick." „Hallo, ich bin Julia, also die Mutter von Emilia. Und warum kommt ihr so spät?" „Als Manager muss ich immer bleiben, bis das Konzert zu ende ist. Danach folgt noch eine kurze Besprechung. Und die kurze Besprechung hat heute etwas länger gedauert. Ich entschuldige mich dafür." „Kein Problem. Ich hätte halt gerne Bescheid gewusst." „Das habe ich ganz vergessen tut mir mega leid. Wie geht es ihrem Mann?" „Meinem Mann geht es eigentlich gut. Der Verdacht auf eine Gehirnerschütterung ist mittlerweile auch schon negativ bestätigt. Er hat also keine Gehirnerschütterung. Und Emilia hast du jetzt echt Paddy getroffen? Und wie war das Konzert?“ Was soll ich sagen? Soll ich echt sagen was Geschehen ist? Pino ergreift das Wort „Ich glaube das Konzert hat Emilia echt sehr müde gemacht. Wie wäre es, wenn ihr morgen drüber sprecht?“ „Klar, ist wahrscheinlich eh besser.“ Gibt meine Mutter zu. Zum Glück hat Pino das Wort ergriffen, sonst hätte ich wieder etwas gesagt, was ich nachher bereut hätte. „Mama ich geh mal hoch, ich bin echt müde. Gute Nacht.“ soll ich Pino danken? Ja. „Achso Pino, Dankeschön für alles.“ „Ach kein Ding. Vielleicht trifft man sich ja wieder? Also irgendwann bestimmt.“ „Klar. Tschüss Pino.“ „Gute Nacht mein Schatz.“ kam noch von meiner Mutter, was etwas peinlich gegenüber Pino ist, aber so ist meine Mutter halt. Ich winke noch einmal, geh dann aber wirklich hoch. Der Tag war heute mehr als anstrengend. Ich bin sogar das erste Mal in meinem Leben umgekippt - und das war bestimmt nicht wegen der Musik - ich bin nicht so ein Fan, der umkippt nur weil er Paddy sieht. Und habe eine Tür an Kopf bekommen - von meinen Lieblingsmusiker. Ach und nicht nur das - ich wurde sogar von ihm angeschnauzt. Aber eins ist sicher... Seine Musik bleibt weiterhin meine Lieblingsmusik. Nichts kann mich davon abringen seine Musik zu hören.

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