einundzwanzig

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Toni Topaz

Bis ich dreizehn Jahre alt war, war ich der festen Überzeugung gewesen, dass es ein Junge sein würde, der mir das Herz zum ersten Mal brechen würde. Dass es ein Draufgänger aus der beliebten Jugendgang der Southside sein würde, der mich durch den dato schlimmsten Schmerz schicken würde. So ein leichtsinniger Rebell, beliebt genug, um von den unschuldigen Mädchen angehimmelt zu werden, und der es vermochte, mich mit einem Lächeln zu den Sternen befördern – jemand wie Gabe. Omi hatte immer gesagt, er wäre das Beste, was ich auf dieser Stadtseite finden würde, und deshalb stand lange fest, dass mein fünfzehnjähriges Ich dann mein Herz an ihn, diesen perfekten Rebell, verlieren würde. Er würde außerdem derjenige sein, der es bricht, als wäre es nichts weiter außer einem Organ, dessen Überreste zwischen seinen rauen Händen zerrinnt. Und er hätte mir die großartigste Jugend geschenkt, bevor er mich einsam und verletzt zurücklässt. Ich hätte nicht mehr die Liebeslieder hören können, die er mir zeigte, oder ins Diner gehen können, weil wir uns dort kennenlernten. Und dann hätte meine Omi mich getröstet, weil das Omas eben tun und es schließlich auch nur ein dämlicher Junge war.

Aber nichts von dem geschah.

Stattdessen wurde mein High School kurz vor meinem Abschluss geschlossen und schon am ersten Tag stritt ich mich auf dem Schulflur mit dir und etwas schrie auf: »Diese da, die willst du!«. Auf einmal stand es in den Sternen, dass nichts und niemand mich davon abhalten konnte, mehr für dich zu empfinden, als ich je dachte, fähig zu sein zu fühlen. Aber die Sterne sagten wohl auch, dass ich mich heillos in dein verwirrendes Leben stürzen würde, egal wie sehr es mir nicht gut tat. Du hast mich so einfach dazu gebracht dich zu lieben - deine verdrehte Wahrnehmung, deine roten Haare, dein verstecktes Grinsen nach Sommerwind und Autofahrten mit One Directions »Perfect« rufend, deine Sturheit, deine Unvernunft einzusehen, dass du der selbstloseste Mensch bist.

Und dann die Nacht, als wir uns küssten, oh Gott ... Die Nacht endlich, als wir uns küssten – nicht im günstigsten Moment zugegebenermaßen – seitdem – Gott, ich schwöre, ich bin nicht besessen aber – seitdem habe ich diese Träume, wo ich nur dein makelloses Gesicht sehe, und ein Urinstinkt setzt ein, der dich will. Er schwillt an, als wäre ich ein undichtes Boot und du bist die See, und wenn meine Hände ohne Körper deine roten Haare aus dem Zopf lösen, erwiderst du die Geste mit einem Nicken. Von da an war mir klar, dass es unvermeidbar war. Ich wäre dir überallhin gefolgt. Sogar in den Krieg - oder vor allem in den Krieg.

Du hast mir alles zurückgegeben, von dem ich dachte, es zu früh verloren zu haben. Du hast alle Nächte wett gemacht, die ein zweiter Körper neben meinem lag und ich mich fragte, wie es sein konnte, dass Menschen in solchen Geschichten plötzlich Liebe fanden. Ich habe vorher nicht ans Schicksal geglaubt, ich schwöre, und auch nicht daran, dass ich jemanden fände, der mehr als meinen Körper will. Das war für mich so unmöglich wie Laubblätter, die im Winter von Bäumen fielen. Zwar hatte Fangs öfter davon erzählt, den Schmetterlingen im Bauch und dem Nebel im Kopf, wenn man jemanden liebte. Doch seine Schilderungen wurden übertroffen. Du bist alles. Du bist der Antrieb, der mein Herz schlagen lässt. Von dir hängen meine Launen ab. Du siehst mich endlich an, als wäre ich nicht nur für eine Nacht bestimmt.

Wie soll ich also ohne leben können? Wie sollte ich weiter atmen, wenn du fehlst? Was geschieht mit mir, jetzt da alles in einem Scherbenhaufen vor mir liegt? Alles, was ich je wollte, liegt zwischen zerbrochenen Erwartungen und unwahren Wünschen und wurde niedergestreckt durch das Ego einer unfähigen Mutter. Bitte verlass mich nicht.

Durch ein großes Fenster strahlt mehr Licht. Ich glaube, das Monster wird in einen Käfig gesperrt. Aber egal. Was ist mit dir? Bleib bei mir.

Sirenenorchester folgen, aber der Nachhall meines Schreis klingelt lauter als sie. Ich schaue dich an und ich sehe rot. Ich kann das Leuchten schwinden sehen und ich will mich schlagen, weil ich nichts dagegen unternehmen kann. Dein Körper liegt vor mir, als erwartest du, dass ich dich vom Gehen abhalte, und ich weiß nicht wie. Du liegst vor mir mit deinem entschuldigenden Blick in meine Seele gerichtet, die vor sich her brennt. Dann tust du es nicht mehr und mir fehlt das Vokabular, um die Hölle zu beschreiben, die ich dabei fühlte.

Rot ist eine warme Farbe (Choni)Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt