Schweiß und Tränen.

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Lyndis sah den einsamen großen Berg schon von weiten. Rund um ihn herum war keine einzige weitere Erhebung zu sehen, was ihn noch beeindruckender wirken ließ. Seine Spitze bildeten zwei gewaltige Felsen, die sich genau gegenüberlagen. Vor allem aber, war das Mädchen von der Festung beeindruckt, die zum größten Teil in den Berg hineingebaut worden war und die beinahe uneinnehmbar wirkte. Zu ihren Füßen erstreckte sich eine kleine Stadt.
„Viele Zwerge halfen bei dem Aufbau der Festung Thamia. Sie wurde zu Ehren des legendären Drachen Morkior erbaut, nachdem unser Orden benannt wurde. Seit hunderten von Jahren werden hier Krieger ausgebildet. Früher um dem Großkönig als Elitegarde zu dienen, nun um die Hilflosen zu schützen“, erzählte Phalur, als sie sich der Festung näherten.
Thamia war von dicken Steinwällen umgeben, die die Festung in mehreren Ringen umgaben und von der Rückseite war sie von dem gewaltigen Bergmassiv geschützt. Noch nie hatte das Mädchen ein so eindrucksvolles Bauwerk gesehen. Schloss Lutriel, schien im Gegensatz zu dieser Festung wie eine Spielzeugburg.
Als die Kutsche sich dem Tor näherte, ritt ihnen ein einzelner Mann auf einem grauen Pferd entgegen. Als er sie erreichte, fragte er: „Warum seid ihr hier. Was sucht ihr in Thamia?“ Dann erst fiel sein Blick auf Phalur und sein ernster Blick verwandelte sich in freudige Überraschung. „Ah wenn das nicht der blinde Weise ist, der nach langer Zeit nach Thamia zurückkehrt. Bitte vergebt mir meine Fragen und folgt mir.“
Daraufhin ritt der Reiter voraus zum Tor, das sich nun langsam öffnete. Am Tor angekommen verabschiedete sich der Händler: „Ich werde mich nun von euch verabschieden. Ich muss weiter nach Sinolia. Dank des Umweges bin ich e schon spät dran.“ Phalur dankte dem Händler nochmal für die Fahrt und stieg dann gemeinsam mit Lyndis von der Kutsche. Das Mädchen folgte dem Blinden durch das Tor und warf einen beeindruckten Blick auf die Stadt, die sich hinter ihm verbarg. Alle Häuser bestanden aus massivem Stein und die meisten von ihnen waren mit prachtvollen Verzierungen versehen, die Szenen aus großen Kriegen nachstellten. Zwischen ihnen liefen viele Menschen geschäftig durch die Straßen.
Das Mädchen folgte Phalur die Hauptstraße entlang, bis sie das nächste Tor erreichten. Hinter diesem verbargen sich Felder, auf denen allerlei Gemüse angebaut wurde. Auch Ställe und Weiden, auf denen Pferde, Kühe, Schweine und Hühner gehalten wurden, waren hier zu finden. Außerdem waren hier einige Gruppen von Menschen zu sehen, die mit ihren Waffen zu trainieren schienen. Wie schon im vorherigen Stadtteil führte auch hier eine gerade Straße hindurch, die aus Pflastersteinen bestand. Lyndis und Phalur passierten nun das dritte Tor. Hämmern war zu hören, das aus verschiedenen Ecken zu kommen schien. Der Weg führt sie an allerlei Schmieden und Geschäften vorbei und schließlich zum vierten und letzten Tor, hinter welchem die eindrucksvolle Festung lag. Diese war mit Statuen von Drachen geschmückt und lag nur zu einem kleinen Teil außerhalb des Berges. Der Hauptteil der Burg war in den Berg hineingebaut worden. Oberhalb der Burg konnte Lyndis einige Balkone erkennen, die aus dem Berg herausragten.
„Phalur. Führen die Gänge im Berg wirklich bis zu den Balkonen hinauf?“, fragte sie ungläubig.
„Ja. Allerdings ist dieser Bereich den Anführern von Morkior vorbehalten. Nur sie bekommen dort oben ein Quartier.“
„Darf ich fragen wo euer Quartier ist?“
Der Greis lachte leise. „Auch dort oben, meine Liebe. Ich würde mich zwar selbst nicht als Anführer bezeichnen, jedoch scheine ich wichtig genug zu sein, um eines der edelsten Quartiere zu verdienen. Und nun komm endlich. Ich will dich den Ausbildern übergeben, damit ich endlich meine Ruhe von dir habe.“ Der alte Mann lächelte dabei und Lyndis wusste, dass er seine harten Worte nicht ganz ernst meinte.
Er führte sie in den Hof der Burg hinein. Dort trainierten gerade ein paar Leute mit dem Schwert. Der Blinde führte Lyndis an ihnen vorbei und durch eine Tür in ein Nebengebäude der Burg.
Dort saß ein Mann mittleren Alters. Sein schulterlanges zu einem Pferdeschwanz gebundenes Haar ergraute langsam und es war nicht mehr viel von dem einstiegen Braun in ihnen zu sehen. Er hatte einen sehr gepflegten Kinnbart und harte stahlblaue Augen. Lyndis hatte sofort Respekt vor diesem ernst wirkenden Mann. Er sah missmutig auf, doch als seine Augen Phalur erblickten, breitete sich ein Lächeln auf seinen Lippen aus und er rief: „Ah, der alte Mann kehrt also doch noch zurück! Ich habe schon fast daran gezweifelt, dich jemals wieder zu sehen und wie ich sehe war deine Mission erfolgreich.“
Phalur schüttelte den Kopf und lachte kurz, bevor er antwortete: „Zerion, sei gegrüßt, mein alter Freund. Ich schätze deine Sorge um mich, doch solltest du besser als die meisten Wissen, dass ich nicht so leicht tot zu kriegen bin.“
Zerions Blick fiel nun auf Lyndis, die unter dem durchdringenden Blick des Mannes zusammenzuschrumpfen schien. „Du täuscht mich immer wieder mit deinem Aussehen alter Mann. Nun, du kannst das Mädchen in meiner Obhut lassen. Ich denke, dass unser Großmeister schnellsten Bericht erstattet bekommen will.“
Phalur seufzte, nickte und verabschiedete sich dann von dem Mädchen und Zerion, woraufhin Lyn mit dem Mann alleine war. Dieser musterte sie nun durchdringend und fragte: „Wie lautet dein Name, Mädchen?“
Lyndis stammelte: „I-i-ich hei-hei-heiße Lyn“
„Du brauchst keine Angst zu haben. Ich fresse dich schon nicht und jetzt sag mir deinen vollen Namen, nicht nur die Abkürzung mit der du verbergen willst wer du wirklich bist.“
Lyndis atmete tief durch. Es überraschte sie nicht wirklich, dass der Mann wusste, dass ihr Name anders war, schließlich hatte auch Phalur gewusst, wer sie wirklich war. Mit fester Stimme antwortete sie: „Ich bin Lyndis de Lutriel, Prinzessin des Königreiches Lutriel.“
„Na geht doch junge Prinzessin. Wie man hört ist von deinem Königreich nicht mehr wirklich viel übrig und den Thron wirst du wohl niemals besteigen können. Obwohl du dadurch offensichtlich wertlos und nutzlos bist, glauben der alte Mann und ein paar andere, dass es äußerst wichtig ist dich hier auszubilden. Wenn du mich fragst verstehe ich den Sinn nicht. Scheinbar bin ich auch nicht wichtig genug, damit sie mit mir über ihre genauen Gründe sprechen … aber seis drum, nun bist du hier und es fällt in meine Verantwortung dich auszubilden.“
Lyndis fand die Worte von Zerion sehr hart und sie fühlte sich nun noch viel unwohler in seiner Gegenwart. Sie hoffte inständig, dass nicht wirklich er es war, der sie ausbilden würde.
Zerion fuhr nach einer kurzen Pause fort: „Zu deinem eigenem Schutz und im Interesse von allen Mitgliedern Morkiors wirst du hier nur Lyn genannt werden. Keiner soll wissen, dass du die Prinzessin eines gefallenen Königreiches bist.“
Das Mädchen nickte. Sie war eigentlich froh darüber hier nicht als Prinzessin zu gelten.
„Nun komm, Lyn. Ich zeige dir dein Zimmer und danach übergebe ich dich denn Leuten, die dich durch deine Ausbildung begleiten werden. Ach ja, vielleicht sollte ich mich auch noch vorstellen. Ich bin Hauptmann Zerion Atron, Verantwortlicher für alle Auszubildenden.“
Der Mann führte Lyndis nun über den Übungsplatz in die Burg hinein. Sie stiegen ein paar Treppen hinauf und gingen einen langen Gang entlang. An den Wänden hingen Wandteppiche, die Bilder von den prächtigsten Wesen zeigten, die auf Erden existierten, Drachen. Rund um die Stützpfeiler wanden sich die Skulpturen dieser mächtigen Wesen, in deren Mündern Feuer brannten, die die Gänge hell erleuchteten. Kurz bevor sie das Ende des Ganges erreicht hatten, blieb Zerion vor einer Tür stehen.
„Hier ist dein Zimmer und hier der Schlüssel dafür. Ich hoffe du hast dir den Weg gemerkt. In diesen Gemäuern kann man sich nämlich sehr leicht verlaufen.“
Lyn nahm den Schlüssel entgegen und wollte gerade in das Zimmer hineingehen, als der Mann knurrte: „Dafür hast du später noch mehr als genug Zeit. Ich stelle dich jetzt erst dem Ausbilder vor, der für dich verantwortlich sein wird. Ich habe nämlich auch noch andere Aufgaben, als dich herumzuführen.“

Das Mädchen folgte dem Mann den ganzen Weg zurück zum Hof der Burg. Dabei versuchte sie sich den Weg genau einzuprägen. Im Hof der Burg angekommen ging Zerion zielstrebig zu dem Mann, der das Schwertkampftraining leitete und unterbrach die Übungsstunde.
„Solem, das ist Lyn, sie ist deine neue Rekrutin. Kümmere dich um sie. Ich muss weiter, hab noch was Wichtigeres zu tun.“
Damit drehte sich Zerion um und zog seines Weges.
Lyndis musterte den Mann, dem sie gerade übergeben worden war. Er war jünger als Zerion und hatte kurzes blondes Haar. Seine grünen Augen strahlten viel Wärme aus und Lyndis sah ihm an, dass er viel und gerne lachte.
„Nun willkommen, Lyn. Wie du wahrscheinlich mitbekommen hast, heiße ich Solem und kümmere mich um die Rekruten im ersten Jahr ihrer Ausbildung. Im Moment bin ich noch mit dem Schwertkampftraining beschäftigt. Du kannst gerne zusehen. Oder noch besser, schnapp dir ein Schwert und mach mit.“
Die frühere Prinzessin war sprachlos, als Solem sie vor sich her schob und ihr dann ein Schwert in die Hand drückte, das sie kaum heben konnte. Solem rief quer über den Platz: „Jori, komm sofort her!“ Ein Junge, der sich etwa in Lyndis Alter befinden musste, trabte daraufhin auf sie zu.
„Ja, Meister Solem?“, fragte er.
„Dies ist Lyn. Zeig ihr bitte die Grundtechniken des Schwertkampfes.“
„Natürlich, Meiste Solem.“
Lyndis musterte den Jungen vor sich. Er war nicht viel größer wie sie und gab sich ziemlich unterwürfig. Er hatte Schwarze struppige Haare und schielte ein bisschen. Insgesamt wirkte er tollpatschig und hier fehl am Platz.
Er sah Lyndis an und sagte schließlich: „Hallo, ich bin Jori. Wenn du willst können wir gerne anfangen.“
Lyn antwortete: „Hallo, meinen Namen kennst du ja schon und bevor wir anfangen, sollte ich dir wohl gestehen, dass ich nicht die geringste Ahnung davon habe, wie ich ein Schwert überhaupt halten soll.“
„Oh, ich verstehe. Also hast du zuvor noch nie eine Waffe in der Hand gehabt … dann bist du wohl wegen magischer Fähigkeiten hier.“
„Ähm nein, ich habe keine magischen Fähigkeiten.“
„Hm schon komisch. Normalerweise haben alle Rekruten schon eine gewisse Kampferfahrung oder besitzen zumindest magische Fähigkeiten, bevor sie zum Orden kommen.“
Lyndis kam sich durch die Worte des Jungen nun vollkommen fehl am Platz vor. Warum hat mich Phalur hierhergebracht. Ich passe doch überhaupt nicht an einen solchen Ort. Ich habe keinerlei Erfahrung im Kampf, noch ist irgendetwas anderes an mir, das mich hierfür geeignet machen würde.
Aber Jori ließ ihr keine Zeit noch länger nachzudenken und zeigte ihr, wie man das Schwert richtig hielt.
„Nun, da du das Schwert schon mal richtig hältst, greif mich an.“
Das Mädchen sah ihn verwirrt an, aber tat wie ihr geheißen. Sie ging auf den Jungen los und setzte einen Hieb an. Der Junge wich leichtfüßig aus und gab ihr einen Tritt, der sie stolpern ließ.
„In einem richtigen Kampf wärst du jetzt schon tot. Stell dich Breitbeiniger hin und greif nochmal an.“
Lyn befolgte den Rat und bemerkte, dass sie nun einen viel sicheren Stand hatte. Dann griff sie wieder an. Ihr Hieb kam wie zuvor von oben. Diese Mal wich Jori allerdings nicht aus, sondern fing ihn mit seiner Klinge ab. Durch den Stoß wurde dem Mädchen das Schwert aus der Hand geprellt.
„Los, heb es wieder auf und halt es das nächste Mal besser fest. Und nun stell dich ein bisschen Seitwärts hin.“
Wieder griff sie an und lies den Hieb von der Seite kommen, doch wieder fing Jori ihr Schwert problemlos ab. Dieses Mal gelang es dem Mädchen allerdings die Waffe in der Hand zu behalten. Doch nun startete ihr Gegner einen Gegenschlag. Sie versuchte noch ihre Klinge hochzureißen, war jedoch zu langsam und wurde von dem Schwert am Arm getroffen. Mit einem Aufschrei ließ sie ihre eigene Waffe fallen und hielt sich den Arm. Tränen liefen ihr übers Gesicht.
„Los, stell dich nicht so an. Steh auf und nimm dein Schwert. In einem richtigen Kampf mit scharfen Klingen wäre dein Arm jetzt wahrscheinlich abgetrennt“, rief der Junge rau.
Das Mädchen versuchte daraufhin die Tränen hinunterzuschlucken und den Schmerz zu ignorieren. Zitternd kam sie wieder auf die Beine und hob das Schwert auf. Ihr Gegner griff sie sofort wieder an. Lyn schaffte es irgendwie mit ihrem Schwert das seine abzufangen. Jedoch machte Jori nun eine kleine Drehung und Lyn bekam den nächsten Treffer ab. Dieses Mal traf er ihre Schulter. Lyn konnte einen erneuten Schmerzensschrei gerade noch verhindern und auch das Schwert in der Hand behalten, jedoch liefen ihr erneut Tränen über das Gesicht und sie konnte fast nichts mehr sehen. Ein ums andere Mal wurde sie von den Hieben des Jungen getroffen und bereits nach kurzer Zeit war sie mit Schrammen und Blutergüssen übersäht, während Jori noch keinen einzigen Treffer wegstecken hatte müssen. Mittlerweile spürte das Mädchen den Schmerz kaum noch, sondern wurde mit jedem Treffer ihres Kontrahenten wütender. Tief in sich verspürte sie den Wunsch Jori mit ihrem Schwert zu erschlagen.
Obwohl es ihr immer besser gelang die Hiebe Joris abzufangen, musste sie einen Treffer nach dem anderen einstecken, auf diese hin der Junge immer neue Tipps und Anweisungen gab. Doch das Mädchen hörte ihm schon gar nicht mehr richtig zu. Die Wut und der Schmerz machten sie Taub für seine Worte.
Als Lyndis erneut einen Hieb auf sich niedergehen sah, den sie unmöglich abwehren konnte, schloss sie die Augen in Erwartung erneuter Schmerzen. Sie spürte das heran zischende Schwert und sprang plötzlich ohne nachzudenken zurück. Die Klinge verfehlte sie um wenige Zentimeter. Lyndis Augen waren noch immer geschlossen, als sie herumwirbelte und dem Jungen ihr Schwert mit einem Wutschrei gegen den Brustkorb rammte. Jori stöhnte erschrocken auf, als der Hieb ihn traf. Lyndis öffnete nun die Augen und sah den am Boden sitzenden Jungen fassungslos an, überrascht darüber, dass es ihr gelungen war den Jungen zu treffen.
In diesem Moment rief Solem: „So, genug für heute! Ihr wisst alle wo ihr als nächstes hin müsst. Lyn, du kommst zu mir.“
Lyndis gehorchte und ging zu dem blonden Mann, welcher sie mitfühlend anlächelte, als er die vielen blauen Flecken sah. „Keine Sorge, Lyn, umso länger du trainierst, umso weniger blaue Flecken wirst du einstecken müssen. Und wie ich sehen konnte, hast ja nicht nur du blaue Flecken davongetragen. Was sehr erstaunlich ist, wenn man bedenkt, dass du heute zum ersten Mal ein Schwert in der Hand gehalten hast.“
„Danke. Allerdings weiß ich nicht, wie ich das gemacht habe.“
„Mädchen, egal wie lange du mit dem Schwert trainierst, es kann nie ein Meister aus dir werden, wenn du überlegen musst was du tust. Im Kampf mit der Klinge musst du instinktiv Handeln, oder du bist verloren.“
Lyn nickte und glaubte die Worte Solems zu verstehen. Der blonde Mann wechselte nun das Thema: „Nun, für heute hast du genug trainiert. Ich führe dich jetzt ein wenig herum und zeige dir alle wichtigen Orte. Wir beginnen hier im Burghof. Manchmal findet hier wie heute ein Training statt. Meistens jedoch ist es hier sehr ruhig, da sich die Trainingsplätze im zweiten Bezirk der Stadt befinden, wo die Weiden sind. Aber zuerst zeige ich dir den Speisesaal und die Waschsäle. Dort bekommst du auch neue Kleidung.“

Solem ging voraus und das Mädchen folgte ihm. Sie gingen in die Burg hinein. Der Mann führte sie durch ein paar Gänge im Erdgeschoss und hielt dann vor einer großen Tür an, welche er aufschob. Dahinter befand sich eine große Halle, die voll mit Tischen und Bänken war.
„Hier nehmen die meisten der Bewohner der Burg von Thamia ihr Essen zu sich. Dort vorne ist die Essensausgabe. Wenn du hungrig bist, kannst du dir dort jederzeit etwas holen. Auch zu trinken bekommst du dort immer was. Meistens kannst du zwischen mehreren Gerichten wählen. Allerdings würde ich dir raten, die Finger vom Gemüseragout zu lassen. Es schmeckt immer grässlich.“
„Danke für die Warnung“, antwortete Lyndis schmunzelnd.
Solem führte Lyndis nun in das Stockwerk, indem sich auch das Zimmer des Mädchens befand, nahm dort allerdings einen anderen Weg, als Zerion zuvor.
„Hier sind die Waschräume für die Frauen, die unserem Orden dienen. Morgens und abends steht heißes Wasser zur Verfügung. Hinter dieser Tür erhältst du neue Kleidung. Hol sie dir bitte und zieh dich gleich um. Danach setzen wir unsere kleine Führung fort.“
Lyndis ging wie geheißen durch die Tür. Sie befand sich nun in einem Raum, in dem einige Wäscherinnen ihren Aufgaben nachgingen. Eine dicke, alte Frau bemerkte das Mädchen und rief freundlich: „Ah, eine Neue! Komm schon her.“
Das Mädchen gehorchte und ging zu ihr. Die Frau begann sie sofort herumzudrehen und ihre Maße zu nehmen. Dann ging sie zielstrebig zu einem Schrank und holte ein paar Röcke und Pullover heraus, welche sie dem Mädchen in die Hände drückte. Nun ging sie zu einem anderen Schrank, aus dem sie Socken und Unterwäsche hervorholte und auch diese auf den Stapel in Lyns Armen legte. Anschließend holte sie noch Jacken und viele andere Kleidungsstücke hervor.
„Dies ist ab sofort dein persönliches Gewand. Wenn es dreckig ist kannst du es hier gegen neues tauschen.“
Die Frau musterte Lyn noch einmal genau und fügte hinzu: „Auch wenn du aus den Sachen herauswächst, kannst du dir neues Gewand holen. Nun, zieh dich um.“
Lyndis gehorchte. Der schwarze Rock ging ihr bis zu den Knien, dazu braune Wildlederstiefel und einen giftgrünen Pullover aus Leinen. Ein schwarzer Ledergürtel, an dem ein kurzer Dolch in seiner Wildlederscheise angebracht war. Anschließend ging sie mit ihrem großen Kleiderstapel hinaus, wo Solem grinsend auf sie wartete.
„Nun, wir sollten vielleicht noch einen kleinen Umweg über dein Zimmer machen. Ich schätze du willst nicht die ganze restliche Führung über die Sachen mit dir herumtragen.“
Die beiden gingen gemeinsam zu Lyns Zimmer. Lyndis war schon sehr gespannt, wie der Raum wohl aussehen würde.
Solem sperrte die Tür für sie auf, da sie selbst keine Hand freihatte. In dem kleinen Zimmer standen ein einfaches Bett, ein kleiner Schrank, ein Schreibtisch, ein Stuhl und ein kleines Regal. Es war eine sehr dürftige Unterkunft, jedoch besser wie alles, was Lyndis während ihrer Reise hierher zur Verfügung gehabt hatte. Sie legte die Kleider auf ihr Bett und setzte die Führung mit Solem fort.

Dieser zeigte ihr danach die Bibliothek und erklärte ihr, dass im Orden Morkior nicht nur der Umgang mit Waffen und Magie ausgebildet wurde, sondern auch Wissen über die Geschichte des Reiches und die verschiedenen Völker vermittelt wurde.
Danach führte er sie aus der Festung hinaus und in den dritten Bezirk der Stadt. Er erklärte ihr unterwegs, wie die Stadt aufgebaut war: „Im äußersten und erstem Bezirk der Stadt lebt das ganz normale Volk. Nur die wenigsten von ihnen sind Mitglieder im Orden, jedoch tragen auch sie alle viel dazu bei, dass hier alles funktioniert. Die Gebäude dort sind überwiegend normale Wohnhäuser. Es gibt dort allerdings auch ein paar Händler.
Im zweiten Bezirk befinden sich die Felder und Ställe. Dort wird fast alles angebaut, was der Orden an Essen benötigt. Außerdem findet man dort die verschiedenen Trainingsorte für die Ausbildung in der Kunst der Waffenhandhabung.
Der dritte Bezirk, in dem wir uns nun befinden, ist der Marktbezirk. Hier sind die meisten Händler ansässig. Es gibt hier sehr viele Schmieden, die die Rüstungen und Waffen für die Mitglieder des Ordens herstellen. Außerdem einige nette Tavernen, in denen man sich abends manchmal entspannen kann, doch dafür bist du wohl noch etwas zu jung.
Der vierte Bezirk ist die eigentliche Festung.“
Er erzählte ihr noch einiges mehr zu der Stadt und deren Befestigung.
Schließlich hatte Lyn die ganze Stadt gesehen und wusste, wo sich die einzelnen Trainingsorte befanden, die sie in den nächsten zwei Jahren häufig besuchen würde.
Auf dem Rückweg erklärte Solem: „Nun, unsere Führung ist abgeschlossen. Ich werde dir, wenn wir in der Burg zurück sind, noch deinen Trainingsplan übergeben. Du hast zu jedem einzelnen Training anwesend zu sein. Wenn du nicht erscheinst, musst du einen sehr, sehr guten Grund haben. Hast du diesen nicht wirst du bestraft.“

In der Burg angekommen, folgte Lyndis Solem in ein Nebengebäude. Dort schrieb ihr der blonde Mann auf einen Zettel, wie ihr Trainingsplan war, gab ihr den restlichen Tag frei und verabschiedete sich von ihr. Lyndis brummte der Schädel von all den Informationen, die sie heute erhalten hatte und sie beschloss, zuerst in ihr Zimmer zu gehen und sich den Trainingsplan genauer anzusehen.
Jeder Tag war vollgestopft mit Trainingseinheiten. Von Bogenschießen über Kampf mit der Axt, bis hin zu Reittraining und Lernen in der Bibliothek.
Lyndis fragte sich, wie sie das alles schaffen sollte.
Sie räumte die Kleidung die noch auf ihrem Bett lag in den kleinen Schrank und lies sich danach auf das Bett fallen. Ungefähr eine Stunde lag sie mit offenen Augen darin, während ihre Gedanken um ihr neues Leben kreisten, das gerade zu beginnen schien. Niemals hätte sie sich vorstellen können es vermissen zu können eine Prinzessin zu sein. Noch vor einem Monat hätte sie liebend gern mit irgendeinem anderen Mädchen getauscht, um dem Schloss und ihren Pflichten zu entkommen. Nun wünschte sie sich nichts mehr, als ihr altes Leben zurück. Alles was sie früher für anstrengend und unbequem gehalten hatte, kam ihr nun vor wie der Luxus auf Erden. Früher war sie in ein weiches Himmelbett gefallen. Nun lag sie auf einer harten Matratze, in einem spärlich eingerichteten Zimmer, übersät mit blauen Flecken und schmerzenden Muskeln. Sie fragte sich bereits jetzt, wie sie den nächsten Tag überleben sollte, der mit Schwertkampf begann, gefolgt von Bogenschießen, Lernen in der Bibliothek und abschließendem Axtkampf.

Lyn setzte sich im Bett auf und entschied etwas essen zu gehen. Im Speisesaal wimmelte es nun von Menschen. Lyndis stellte sich in der Schlange an. Ein großer, breitschultriger Mann fragte sie, was sie gerne Essen würde. Lyn nahm den Rindereintopf mit gekochten Kartoffeln und setzte sich an einen leeren Tisch, wo sie alleine aß. Das Essen schmeckte besser als es aussah. Jedoch war es in keinster Weise mit dem zu vergleichen, was sie aus ihren Tagen als Prinzessin gewöhnt war.
Nach dem Essen beschloss das Mädchen, sich noch zu waschen und anschließend schlafen zu gehen. Sie ging in das Stockwerk, in dem auch ihr Zimmer lag und durch die Tür, die ihr Solem zuvor gezeigt hatte. In dem Raum waren einige Waschzuber, die mit dampfendem Wasser gefüllt waren. Neben jedem Zuber lag ein Stapel mit Handtüchern und ein Stück Seife. Sie stieg in einen hinein und genoss das heiße Wasser auf ihrer Haut.
Schließlich machte sie sich, eingewickelt in eine weiche, grüne Willdecke, auf den Weg in ihr Zimmer und sank in das Bett, in dem sie sich lange hin und her wälzte, ohne einschlafen zu können.

Das Mädchen wurde durch einen sehr lauten Glockenschlag, früh am nächsten Morgen, geweckt. Langsam rappelte sie sich vom Bett auf. Zuerst wusste sie nicht wirklich, wo sie war und erwartete, dass jeden Moment Hilda durch die Tür kam, um sie aus dem Bett zu werfen, doch dann wurde ihr schlagartig bewusst, wo sie war und was ihr heute noch bevorstehen würde. Am liebsten hätte sie sich die Decke über den Kopf gezogen und sich vor allem und jedem versteckt, doch sie wusste, dass dies ihre Situation nur noch weiter verschlimmern würde und so quälte sie sich aus dem Bett, zog sich die Wildlederstiefel, eine robuste und hautengen Hose aus dem selben Material, und ein knappes Top aus schwarzem Leder an, welches die Brust zuverlässig verdeckte. Die Haare zum Zopf gebunden, machte sich auf den Weg in den Speisesaal.
Dort fand sie ein üppig angerichtetes Frühstücksbuffet vor, bei dem nichts zu fehlen schien. Nachdem sie sich den Bauch mit Brot, Käse, Wurst und frischen Obst vollgeschlagen hatte, machte sie sich auf den Weg zum zweiten Bezirk der Stadt, wo ihr erstes Training auf sie wartete.

Lyn hatte gerade das Tor zu dem Bezirk passiert, in dem ihr Training stattfinden sollte und blickte sich nun ratlos um, da sie den Weg zum Übungsgelände der Schwertkämpfer vergessen hatte. Mit aller Kraft versuchte sie, sich an den Weg, den sie am Vortag mit Solem genommen hatte, zu erinnern. Das Mädchen wollte gerade auf gut Glück einen Weg nehmen, als sie ein ihr bekanntes Gesicht sah.
„Jori!“, rief Lyn laut.
Der Junge drehte sich zu ihr, um und lächelte kurz freundlich, als er sie erkannte. „Hallo Lyn, schön dich zu sehen. Hast du dich von unserem kleinen Kampf gestern erholt?“ Das Mädchen warf ihm einen missmutigen Blick zu und musste wieder an die vielen blauen Flecken denken, die immer noch schmerzten. Sie gab ein Brummen von sich und fragte dann: „Ich suche den Trainingsort für den Schwertkampf und habe leider vergessen wo er ist.“
„Ah, was für ein Zufall. Wir können zusammen hingehen, da ich jetzt dasselbe Training habe. Vielleicht dürfen wir ja wieder gegeneinander kämpfen“, antwortete Jori und fing an zu lachen, woraufhin auch Lyn schmunzeln musste.
Sie brauchten nicht lange, um das Übungsgelände zu erreichen, wo eine Frau mit langen blonden Haaren bereits auf ihre Schüler wartete.
Jori flüsterte Lyn zu: „Oh Gott, das ist Ophelia. Sie ist die strengste Trainerin. Sie wurde als Elitekriegerin ausgebildet, aber durch eine Verletzung in einer Schlacht wurde sie für den Einsatz im offenen Feld unbrauchbar und fungiert nun als Ausbilderin, doch sie ist noch immer eine Meisterin des Schwertes und man sollte sie nicht unterschätzen. Du solltest dich lieber persönlich bei ihr vorstellen, da sie in dieser Hinsicht etwas kompliziert ist.“
„Danke für den Tipp, Jori“, meinte das Mädchen und ging auf die Ausbilderin zu.
„Hallo, ich bin Lyn und neu im Rekrutentraining.“
Die blonde Frau drehte sich zu ihr herum und musterte sie mit ihren kalten stahlblauen Augen, die sie zu durchdringen schienen, ehe sie antwortete:
„Ah, eine Neue. Sag mir, hast du schon einmal ein Schwert in der Hand gehabt?“
„Gestern zum ersten Mal.“
„Das erklärt die vielen blauen Flecken. Du wirst mich mit Meisterin Ophelia ansprechen und heute ein Spezialtraining mit mir machen, damit ich sehen kann, wie weit deine Fähigkeiten ausgeprägt sind und ob es sich lohnt dich überhaupt weiter an meinem Training teilnehmen zu lassen.“
Meisterin? Lyndis war nicht der Typ Frau, der sich gerne unterwürfig gibt. Sie nickte jedoch zögerlich.
Das ungute Gefühl, dass sie nur versagen konnte, kroch wie eine Schlange in ihrem Unterleib herum. Ophelia begann laut Anweisungen zu brüllen, worauf die anderen Rekruten hastig nach ihren Schwertern griffen und sich ins Training stürzten.
Ophelia warf Lyn ein Schwert zu und befahl: „Zeig mir deine Grundhaltung, Mädchen.“
Lyndis stellte sich, so wie Jori ihr gestern erklärt hatte, breitbeinig und leicht schräg hin, woraufhin die blonde Frau sie unzufrieden musterte und ihr Schwert zog. Binnen eines Sekundenbruchteils schlug sie ihrer Schülerin das Schwert aus der Hand und befahl ihr es wieder aufzuheben. Lyn tat wie ihr geheißen und nahm wieder die Grundhaltung ein. Daraufhin packte Ophelia Lyndis grob und schob die Beine des Mädchens in eine andere Position. Zu guter Letzt zeigte sie dem Mädchen noch, wie sie das Schwert richtig zu halten hatte. „So Mädchen, das ist die richtige Grundhaltung. Jetzt versuch mich abzuwehren.“
Mit einer unglaublichen Geschwindigkeit prasselten plötzlich Hiebe auf Lyndis hernieder. Doch obwohl sie keine Zeit hatte zu reagieren, traf kein einziger Hieb ihren Körper, da die Ausbilderin nur auf das Schwert in ihren Händen zu Zielen schien. „Du musst schneller werden. Das Schwert darf nicht so unsicher in deiner Hand liegen.“
Nach einer Weile schien es Ophelia langweilig zu werden nur auf die Klinge in Lyns Händen zu zielen und ihr Schwert traf immer öfter die Arme, Beine und das Becken des jungen Mädchens.
Lyndis war hoffnungslos unterlegen und sie wusste dies auch. Egal wie sehr sie sich konzentrierte, sie schaffte es nicht, einen einzigen Hieb abzuwehren, wenn Ophelia dies nicht wollte. Ihre Arme und Beine pochten schon von all den harten Treffern. Als sie erneut einen harten Schlag gegen die Rippen bekam, erinnerte sie sich an die Worte von Solem. Beim Schwertkampf ging es nicht darum zu denken, man muss instinktiv fühlen, wie der Gegner handelt. Lyndis wich ein Stück zurück und atmete tief durch. Ophelia kommentierte dies mit den Worten: „Na, schon am Ende, kleines Mädchen? Wenn du hier bestehen willst, musst du schon ein bisschen mehr aushalten können. Halte Stand, oder ich werde dich die Nacht über in Ketten legen lassen!“ Sie stürmte auf das Mädchen zu. Lyn machte ihren Kopf frei von allen Gedanken und konzentrierte sich nur noch auf Ophelia. Sie achtete weder auf das Schwert ihrer Gegnerin, noch auf ihre eigene Klinge. Als Ophelia beinahe heran war, schien sich alles zu verlangsamen. Lyndis sah, wie Ophelias Augen für einen Moment ihren Arm anvisierten und sie wusste, dass sie darauf zielen würde. So schnell sie konnte drehte das Mädchen sich zur Seite, um der Klinge ihrer Gegnerin auszuweichen. Es hätte beinahe geklappt, doch Ophelia sah das Manöver des Mädchens vorher und änderte ihr Angriffsmuster rapide. Lyn hatte sich zu schnell zu sicher gefühlt und sah den Angriff nicht kommen. Ein harter Schlag traf sie in den Rücken, wodurch sie das Gleichgewicht verlor und hart zu Boden stürzte.
Ophelia streckte ihr die Hand hin und half ihr auf. „Das war nicht mal schlecht, junge Dame. Du hast ein gewisses Talent für das Schwert. Jedoch darfst du dich nicht nach einem halbwegs erfolgreichen Ausweichmanöver sicher fühlen. Dein Verstand muss zu jedem Zeitpunkt des Kampfes frei von Gedanken sein. Du darfst nur den Gegner wahrnehmen und musst alles andere ausblenden, bis dieser vor dir auf den Boden liegt. Nun ja, aber es ist ja noch kein Meister vom Himmel gefallen und ich schätze, dass du nach ein paar schmerzvollen Erfahrungen begreifen wirst, dass du dich erst sicher fühlen kannst, wenn dein Gegner endgültig besiegt ist. So, gleich nochmal.“
Lyn atmete wieder tief durch und wartete auf den Angriff der Meisterin. Wieder blendete sie alles um sich herum aus und konzentrierte sich nur auf die blonde Frau und dieses Mal gelang es ihr sogar, einigen Hieben auszuweichen oder diese Abzufangen, doch schlussendlich lag sie wieder vor der Frau am Boden und stöhnte vor Schmerzen.
„Beeindruckend, junges Mädchen. Ich habe noch nicht viele getroffen, bei denen ich so großes Potential sah und ich freue mich darauf, dich weiter zu trainieren und zu sehen, wie sich dieses Talent entwickeln und formen lässt. Natürlich lasse ich dich nicht in Ketten legen. Das sollte dich nur morivieren." sagte sie, und lachte dreckig.
"Ich werde mich niemals megr in Ketten legen lassen, lieber sterbe ich!" erwiderte Lyn fest. Doch neben dem Trotz war sie verwirrt. Das Training konnte doch noch nicht vorbei sein, doch tatsächlich war die erste Trainingsstunde an ihrem Ende angelangt und die Schüler verabschiedeten sich von der Meisterin und verteilten sich in verschiedene Richtungen. Lyn überlegte gerade, wo das Bogenschießfeld war, als Jori auf sie zukam.
„Du hast Ophelia ja ganz schön beeindruckt. Normalerweise schickt sie die neuen nach spätestens zwanzig Minuten zum Rest der Gruppe und beobachtet nur noch. Aber naja, du hast ja schon gestern bewiesen, dass du ein Händchen für das Schwert hast. Trotzdem würde ich mich an deiner Stelle nicht so sehr darüber freuen. Dass Ophelia an dir Interesse zeigt, wird wahrscheinlich dazu führen, dass du kein Training bei ihr ohne neue Blutergüsse überstehst.“
„Ich bin nur froh, dass ich nicht total versagt habe. Ich denke nicht, dass ich Talent habe. Ich bin noch weit davon entfernt, auch nur annähernd so gut zu sein wie du.“
Jori schmunzelte. „Ich trainiere schon seit ich sieben Jahre alt bin. Um das Niveau zu erreichen, das du jetzt schon hast, brauchte ich eine halbe Ewigkeit, also sei nicht so bescheiden.“
„Wirklich? Mir kommt es gar nicht so schwer vor.“
„Sag ich doch, du hast Talent. Ach ja, was steht als nächstes auf deinem Programm?“
„Bogenschießen.“
„Wirklich? Bei mir auch. Solem hat uns scheinbar gleich eingeteilt. Wir können gerne gemeinsam gehen, wenn du willst.“ Lyndis lächelte und nahm das Angebot dankbar an. Nachdem sie kurz schweigend nebeneinander hergegangen waren, fragte sie: „Jori? Wie lange bist du schon hier?“
„Ungefähr ein Monat.“
„Das ist ja auch noch nicht solange. Wie kommt es, dass du dich schon so gut auskennst? Ich habe das Gefühl, Jahre zu brauchen, um hier irgendetwas zu finden.“
Jori lachte und antwortete: „Das Problem haben viele. Aber ich besitze einen sehr guten Orientierungssinn und eine schnelle Auffassungsgabe. Ich kann mir alles sehr schnell merken und habe keine Probleme, mich irgendwo zurechtzufinden.“
„Bewundernswert.“
Ein paar Minuten später erreichten die Beiden das Bogenschießfeld. Lyndis hatte schon Angst, dass nun jemand mit dem Bogen auf sie schießen würde, aber diese Angst war unbegründet. Für die Schießübungen gab es Zielscheiben. Das Mädchen stellte sich wie zuvor bei dem Ausbilder vor, bei dem es sich um einen griesgrämig dreinblickenden alten Mann handelte. Dieser drückte ihr einen Bogen in die Hand und sagte barsch, dass sie schießen und nicht reden solle.
Lyn nahm daraufhin eine Zielscheibe ins Visier, zog die Sehne des Bogens nach hinten und schoss. Der Pfeil flog meterweit am Ziel vorbei. Der alte Ausbilder namens Thebor kommentierte dies missmutig: „Man merkt, dass du noch nie eine Bogen in der Hand hattest. Rücken gerade. Pfeil anlegen. Jetzt schau mit dem rechten Auge den Schaft des Pfeils entlang. Linkes Auge schließen. Ziel anvisieren. Und dann, schießen.“
Lyn befolgte die Anweisungen. Doch als sie gerade den Schaft des Pfeiles entlang blicken wollte, kippte ihr dieser zur Seite weg.
„Du übst das jetzt bis das Training heute vorbei ist und versuchst dabei, niemanden zu erschießen“, befahl Thebor. Das Mädchen beobachtete kurz Jori, der an der Zielscheibe direkt neben ihr übte und jeden einzelnen Pfeil genau in die Mitte der Zielscheibe traf, danach versuchte sie wieder einen Pfeil anzulegen und zu zielen, doch es schien ihr, als würden sich Pfeil und Bogen dagegen wehren in ihren Händen zu liegen. Ständig kippte der Pfeil weg und in dem seltenen Fall, dass es ihr gelang den Pfeil anzulegen, zu zielen und zu schießen, flog der Pfeil meterweit an seinem Ziel vorbei. Obwohl das Training mit dem Bogen nicht annähernd so schmerzvoll war, wie das mit dem Schwert, hasste das Mädchen es jetzt schon viel mehr und sie konnte ihre Erleichterung kaum unterdrücken, als es endlich vorbei war.
Gemeinsam mit Jori ging sie zurück zur Burg, da sie nun Mittagspause hatten und der Junge sie eingeladen hatte, gemeinsam mit ihm und seinen Freunden zu essen.
Sie warteten vor dem Speisesaal auf Joris Freunde. Nach ungefähr fünf Minuten kam ein sehr junges Mädchen auf sie zu. Sie hatte silbernes Haar und ungewöhnlich hervorstechende lila Augen. Ihre Gesichtszüge waren sehr zart und alles an ihr wirkte zerbrechlich. Lyn wunderte sich über das Alter des Mädchens, da sie höchstens dreizehn sein konnte. Doch trotz ihres jungen Alters strahlte sie sehr viel Eleganz und Anmut aus.
Jori stellte die beiden Mädchen vor: „Luna, das ist Lyn. Lyn, das ist Luna. Lass dich nur nicht von ihrem Alter täuschen. Sie ist schon einige Jahre hier und hat nur vier Monate gebraucht, um ihre Grundausbildung abzuschließen. Sie wird seither in den beiden Magierklassen ausgebildet, da sie eine ungeheuer talentierte Magierin ist. Oh, und sie redet nicht viel.“
„Hallo Lyn, es freut mich dich kennen zu lernen“, begrüßte das Mädchen Lyndis mit einer leisen Stimme, in der eine gewisse Melodie zu liegen schien.
Kurz darauf stießen noch ein braunhaariger Junge und ein blondes Mädchen zu ihnen hinzu.
„Hallo. Ich bin Yuri und das ist meine Zwillingsschwester Anna“, stellte der Junge sich und seine Schwester vor.
„Hallo, ich bin Lyn.“
Jori erzählte ihr, dass er gemeinsam mit Yuri und Anna aufgewachsen war und die beiden vier Monate vor ihm dem Orden beigetreten waren. Luna hatte er durch Zufall am ersten Tag im Orden kennengelernt und sie war seitdem ein fester Bestandteil der Gruppe. Die Zwillinge waren ein Jahr älter als Lyn und Jori.
Gemeinsam gingen sie in den Speisesaal. Yuri redete beinahe ununterbrochen, während seine Schwester ihn immer wieder leicht genervt boxte.
Yuri redete in einer unglaublichen Geschwindigkeit auf Lyn ein: „Lyn, ich habe gehört du hast Jori gestern einen schönen blauen Fleck zugefügt. Glückwunsch, schadet ihm nämlich nicht. Ich wünschte, wir hätten mehr Stunden gemeinsam, so dass ich ihn auch öfter mal vermöbeln könnte. Aber naja, kann man nichts machen. Obwohl wir auch manchmal nach dem Abendessen noch trainieren. Dann bekommt er immer eins von mir auf den … Au verdammt, Anna was soll das?!“
Anna antwortete: „Sei endlich mal still, Yuri. Den ganzen Tag muss ich mit dir verbringen und du redest ununterbrochen. Ich halt das nicht mehr aus. Nicht eine getrennte Stunde haben wir im Training und immer musst du reden und reden und reden.“
„Ach was, mein liebes Schwesterlein, du liebst doch meine angenehme Stimme.“
„Seit ich geboren bin muss ich deine Stimme ununterbrochen ertragen und immer mehr wächst in mir der Wunsch, dir die Zunge herauszureißen. Ich wünschte wirklich, Luna würde dich zumindest mal für fünf Minuten mit einem Zauber belegen, der dich am reden hindert“
„Luna mag mich viel zu sehr. Niemals würde sie mir das antun“, antworte Yuri und zwinkerte dem zierlichen Mädchen zu.
Anna fing nun an zu flehen: „Luna, bitte nur ein einziges Mal. Bring ihn zum Schweigen, zumindest für fünf Minuten. Bitte, bitte, bitte.“
Luna kicherte leise und schüttelte den Kopf.
Jori flüsterte Lyn, die dem Geschehen verwirrt folgte, zu: „Diese Diskussion haben sie beinahe jeden Tag. Du gewöhnst dich daran.“

Als sie ihr Essen bekommen hatten, nahm die kleine Gruppe an einem leeren Tisch Platz und Anna fing damit an, Lyndis Fragen zu stellen: „Lyn, woher kommst du?“
Lyn wusste nicht was sie auf diese einfache Frage antworten sollte, da Zerion ihr deutlich zu verstehen gegeben hatte, dass sie niemanden sagen sollte, wer sie wirklich war. Schließlich beschloss sie, zumindest so nahe an der Wahrheit zu bleiben, wie möglich und antwortete: „Ich komme aus einen kleinen Dorf im Königreich Lutriel.“
Nun fing Yuri wieder zu reden an: „Lutriel, ist das nicht das westlichste Königreich? Ich habe gehört, dass es von einem Unbekannten dem Erdboden gleichgemacht wurde. Binnen weniger Tage soll das gesamte Reich gestürzt worden sein. Das Schloss soll gleich als erstes vernichtend geschlagen worden sein und soweit man den Gerüchten glauben kann, hat niemand den Angriff auf das Schloss überlebt. Es heißt sogar, dass der Angriff am Tag des Geburtstages der Prinzessin stattgefunden haben soll und mit einem Schlag fast der gesamte Adel ausge … Au Anna, verdammt lass das.“
Das blonde Mädchen hatte ihren Bruder unter dem Tisch getreten und fauchte ihn nun wütend an: „Verdammt Yuri, sei etwas einfühlsamer. Es ist schließlich die Heimat von Lyn, über die du da redest.“
Lyndis, die durch die Worte von Yuri an den schlimmsten Tag in ihrem Leben erinnert worden war, konnte gerade noch die Tränen zurück halten.
Luna flüsterte nun leise mit ihrer beinahe singenden Stimme: „Es tut mir leid, was mit deiner Heimat passiert ist.“
„Lyn, bitte entschuldige die Taktlosigkeit meines Bruders. Er redet immer ohne Nachzudenken. Wie alt bist du eigentlich?“
Doch die Angesprochene hörte nicht wirklich zu. In Gedanken war sie wieder bei der Zerstörung von Lutriel. Abermals sah sie den Tod ihres Vaters mit an.
„Lyn? Geht es dir gut?“ fragte Jori und legte seine Hand auf ihre Schulter.
Das Mädchen zuckte zusammen, als sie aus ihren Gedanken gerissen wurde und flüsterte leise: „Ja, es geht mir gut. Tut mir leid, ich war mit den Gedanken gerade woanders. Wie war deine Frage, Anna?“
Anna wiederholte ihre Frage. Und Lyndis antwortete wahrheitsgemäß darauf.
Yuri sagte mit einem Zwinkern: „Also bist du so alt wie unser Jori. Na, wenn das mal nicht passend ist. Anna und ich sind 17 und Luna ist zwölf.“
Lyndis sah Luna erstaunt an. Das Mädchen war noch jünger, als sie gedacht hatte. Wie konnte es sein, dass ein Kind schon seit vielen Jahren Mitglied eines Ordens wie diesem war. Sie war doch noch viel zu jung.
Als sie Luna danach fragte, antwortete diese: „Als ich sechs war, wurde mein Heimatdorf von einem wahnsinnigen Fremden vollkommen zerstört. Meine Familie wurde von ihm vor meinen Augen hingerichtet. In diesem Moment habe ich das erste Mal Magie eingesetzt. Der Fremde war allerdings selbst ein Magier und konnte meinen Angriff ohne Mühe abwehren. Aus irgendwelchen Gründen tötete er mich nicht, sondern verschwand einfach. Ich wanderte damals fast ein halbes Jahr durch die Länder um das zerstörte Dorf. Hauptmann Zerion fand mich, nachdem ich ein halbes Jahr in der Wildnis überlebt hatte, mehr tot als lebendig und nahm mich mit nach Thamia, wo ich seitdem meiner Ausbildung nachgehe.“
Lyn schwieg daraufhin. Sie hatte selbst fast keine Woche alleine in der Wildnis überlebt und dieses junge Mädchen war als kleines Kind ein halbes Jahr auf sich allein gestellt gewesen und war noch am Leben.
Nach dem Essen trennte sich die kleine Gruppe und nur Lyn und Jori blieben zurück. Beide hatten nun Unterricht in der Bibliothek. Während des Essens hatten sie ihre Pläne abgeglichen und festgestellt, dass sie einen identischen Wochenablauf hatten und ihre Grundausbildung gemeinsam durchlaufen würden. Das Mädchen war froh, dass sie jemanden an ihrer Seite hatte, der ihr half sich einzugewöhnen.

Lyndis war überwältigt von der Größe der Bibliothek. Noch nie hatte sie so viele Bücher an einem Fleck gesehen. Zwar hatte es in Lutriel auch eine Bibliothek gegeben, doch diese musste mindestens fünf Mal so groß sein. Doch trotz der Größe und den vielen Bücherregalen, stapelten sich noch zusätzliche Bücher auf dem Boden. Jori erklärte ihr, dass die Bibliothek viele Bücher in den unterschiedlichsten Sprachen besaß. Von Jahrhunderten alten Gedichtbänden der Elfen, über Bücher über die geheimnisumwobene Schmiedekunst der Zwerge, bis hin zu den neuesten Werken menschlicher Gelehrter. Jori behauptete, dass die Bibliothek sogar ein paar Bücher enthielt, die von Orks geschrieben worden waren, allerdings war daran wohl nicht viel Wahres. Weiterhin beinhaltete die Bibliothek einige Schriftstücke, die in der Sprache der Magier verfasst worden waren. Bei diesen Exemplaren handelte es sich um äußerst seltene und kostbare Einzelstücke, da die Sprache der Magie, aufgrund der Macht, die in ihr steckte, fast nie niedergeschrieben wurde. Diese Bücher wurden deshalb auch fest unter Verschluss gehalten, da nur die mächtigsten Magier dazu in der Lage waren, sie, ohne dabei in Gefahr zu geraten, zu lesen.
Es gab sogar einige Bücher, die in der Sprache der Drachen verfasst worden waren. Diese Werke waren von unschätzbarem Wert, da sie älter waren, als die gesamte menschliche Rasse. Nur sehr wenige, ausgewählte Mitglieder hatten Zugang zu diesen uralten Schriftstücken, von denen niemand wusste, wer sie niedergeschrieben hatte.

Die Schüler, die sich in der Bibliothek einfanden bekamen von ihrem Lehrer, der sich als Meister Gustav vorstellte mehrere Bücher überreicht, die von den Elfen und Zwergen handelten und sie bekamen die Anweisung in den nächsten Wochen ihre Bibliotheksstunden dazu zu nutzen, so viel wie möglich über die mysteriösen Wesen zu lernen, die zwar auf demselben Kontinent lebten, sich jedoch weitestgehend von den Menschen fernhielten.
n Menschen fernhielten.
Die Schüler fingen sofort an das erste Buch zu lesen und machten sich eifrig Notizen. Lyndis hatte kein Problem mit dieser Art des Lernens, da sie auch auf Lutriel viele Bücher studiert hatte.
Ein einzelner Schüler schien jedoch mit seiner Aufgabe überfordert zu sein. Als Gustav dies bemerkte und nachfragte, was das Problem sei, gab der Junge zu, dass er nicht lesen und schreiben konnte. Der Meister beruhigte den Jungen, der kurz vor einem Zusammenbruch zu stehen schien mit den Worten: „Aber, das ist doch nichts schlimmes. Viele Menschen können nicht lesen und schreiben, aber alle können es lernen. Komm mit ich bringe dich zu Lady Marion. Sie bringt vielen neuen Rekruten das Lesen und Schreiben bei.“
Daraufhin verließen die beiden den Raum.
Jori beugte sich zu Lyn hinüber und flüsterte ihr zu: „Hey, ich hätte einen Vorschlag. Ich hab keine Lust all diese Bücher zu lesen und ich schätze du auch nicht. Was hältst du davon, wenn jeder die Hälfte liest und seine Notizen dem anderen gibt.“
Lyndis grinste und stimmte zu. Dadurch würden beide mehr Freizeit haben.

Nun trennte das Mädchen nur noch das Axttraining davon, den ersten Tag ihrer langen Ausbildung zu überstehen. Lyndis hatte während des Trainings viele Probleme. Die Axt war noch schwerer als das Schwert und außerdem handelte es sich dabei um einen viel grobschlächtigeren Kampfstil, mit dem das Mädchen nicht zurechtkam. Jori meinte, dass dies sehr ungewöhnlich wäre, da das Schwert viel mehr Feingefühl benötigte als die Axt. Den meisten erginge es genau andersherum wie Lyn.

Schließlich war der erste Tag vorbei und Lyndis musste feststellen, dass sie das Axttraining noch mehr verabscheute, als das Bogenschießen. Sie aß, nachdem sie sich gewaschen und frische Kleider angezogen hatte mit Jori und seinen Freunden zu Abend. Es herrschte eine angenehme Stimmung an dem Tisch und die Gruppe lachte viel und nur Luna war wie schon beim Mittagessen sehr zurückhaltend und still. Nach dem Essen luden die Freunde Lyndis noch ein, den restlichen Abend mit ihnen zu verbringen, doch das Mädchen war so müde, dass sie nur noch ins Bett fallen und schlafen wollte.

So vergingen einige Tage in denen Lyn sehr viel Zeit mit Jori und seinen Freunden verbrachte und sich langsam in die Gruppe einfügte. Trotz der anfänglichen Schwierigkeiten, genoss sie mittlerweile das Training mit den unterschiedlichsten Waffen. Obwohl ihr zwar immer noch das Talent fehlte, begann sie langsam mit dem Bogen zurechtzukommen. Die einzige Waffe, die sie nach wie vor mehr als alles andere verabscheute war die Axt. Sie fand sie viel zu schwer und unpräzise und sie musste feststellen, dass sie im Führen dieser Waffe sogar noch weniger Talent als im Bogenschießen besaß.
Jori versuchte ihr zwar zu helfen, sich mit der Waffe zu arrangieren, jedoch waren seine Versuche von wenig Erfolg gekrönt.

Als die heutige Stunde im Axttraining vorbei war, rief der Ausbilder das Mädchen zu sich und erklärte ihr mit grimmiger Stimme: „Ich habe mit Meister Solem gesprochen. Er will, dass du dich nach deinem heutigen Tag bei ihm in seinem Zimmer einfindest.“
Lyndis nickte und lief dann los, um zu Jori aufzuschließen, der schon vorausgegangen war, während sich in ihrem Bauch ein mulmiges Gefühl breitmachte.
„Was wollte er noch von dir?“ fragte der Junge neugierig, als sie ihn endlich eingeholt hatte.
„Er will, dass ich mich heute nach dem Training bei Solem melde. Er will scheinbar mit mir reden.“
„Oh, das bedeutet selten was Gutes ….“

Lyndis war den ganzen restlichen Tag über sehr nervös und fragte sich, warum Solem mit ihr reden wollte. Sie überlegte ununterbrochen, was sie angestellt haben könnte.

Als schließlich die letzte Stunde des heutigen Tages vorbei war, ging Lyndis aufgeregt zum Quartier Solems. Mit pochendem Herzen, klopfte sie an die massive Holztür. Ein paar Sekunden später wurde sie hereingerufen.
Solem begrüßte sie freundlich, als sie eintrat und bot ihr an, auf dem kleinen Sofa Platz zu nehmen. Lyndis setzte sich und fragte mit zitternder Stimme nach dem Grund des Gespräches.
Solem antwortete: „Ich habe mit den Ausbildern gesprochen, die das Axttraining betreuen und sie gaben mir deutlich zu verstehen, dass du für diese Waffe mehr als ungeeignet bist. Es ist zwar sehr schade, wenn jemand eine Waffe so sehr ablehnt, wie du die Axt, aber man kann nicht viel dagegen machen. Nachdem Ophelia dich allerdings in den Himmel gelobt hat, was deinen Umgang mit den Schwert betrifft, und mich –ohne Widerspruch zu dulden - darum gebeten hat dich noch öfter im Schwertkampf zu unterrichten, haben ich und Zerion beschlossen, dass ab sofort deine Axtstunden durch weitere Schwertstunden ersetzt werden.“
Lyndis atmete erleichtert auf. Sie war froh, dass es keinen schlimmen Grund gegeben hatte, weshalb Solem mit ihr sprechen wollte und sie war überaus glücklich darüber, nie wieder eine Axt in den Händen halten zu müssen.
Solem sprach weiter: „Außerdem ist Phalur auf uns zugekommen. Er meint, dass es an der Zeit ist, dich auf magische Fertigkeiten zu untersuchen. Er muss irgendetwas während eurer gemeinsamen Reise in dir gespürt haben, dass ihn glauben lässt, du wärst in der Lage Magie einzusetzen. Naja, du kennst ja den alten Kauz, er sieht ja mehr als jeder andere. Deshalb wirst du – ob es mir und Zerion nun sinnvoll erscheint oder nicht - die nächsten Tage nicht am normalen Training teilnehmen, sondern deine Zeit im Flügel der Magier verbringen.“
Lyn konnte es kaum fassen, sie sollte magische Fähigkeiten besitzen, das war einfach nur lachhaft. Noch nie war auch nur ein Funke Magie aus ihr hervorgekommen. Egal wie weise Phalur auch sein mochte, in dieser Hinsicht irrte der alte, blinde Mann.
Trotz allem, wagte das Mädchen nicht zu widersprechen und erklärte sich mit den Plänen, die Solem mit ihr hatte, einverstanden. Sie wunderte sich etwas darüber, dass Phalur ihre Ausbildung scheinbar beobachtete, da sie den Greis, der ihr während ihrer gemeinsamen Reise ans Herz gewachsen war, seid ihrer Ankunft hier, kein einziges Mal mehr zu Gesicht bekommen hatte.



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