Die Seele der Magie

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Am nächsten Morgen klopfte es an Lyns Tür und das Mädchen erblickte Luna vor sich, als sie die Tür öffnete.
„Guten Morgen, Lyn. Ich soll dich heute mit zu den Magiern nehmen.“
Lyndis nickte und folgte dem silberhaarigen Mädchen, nachdem sie sich zurechtgemacht hatte, durch die Gänge der Festung. Sie gingen einige Stockwerke hinauf und durch ein großes Tor, hinter dem sich einige Magier versammelt hatten und ihren Übungen nachgingen.
Das rothaarige Mädchen sah, wie Kugeln aus purem Licht durch den Raum flogen und wie ein Mann Wasser in der Luft tanzen ließ, während eine Frau Gegenstände durch die Luft fliegen ließ. Lyn beobachtete das Schauspiel voller Faszination. Bis auf den Mann, der den Drachen aus Feuer beschworen und dadurch ihr Zuhause vernichtet hatte, hatte das Mädchen noch nie jemanden Magie anwenden sehen.
Eine schwarzhaarige Frau kam auf Lyn und Luna zu und begrüßte sie mit einem Lächeln: „Willkommen in den Hallen der Magier, Lyn. Meine Aufgabe ist es, in den nächsten Tagen herauszufinden, ob du magische Fähigkeiten besitzt. Mein Name ist Mona und ich hoffe, dass wir eine angenehme Zeit zusammen haben werden.“
Lyndis begrüßte die Frau und behauptete, keinerlei magische Fähigkeiten zu besitzen.
„Nun, das wird sich ja die nächsten Tage zeigen. Luna, geh deinen Aufgaben nach.“
Luna nickte und verschwand, woraufhin Mona ihre Begleiterin durch die Halle führte und ihr erklärte wie sie versuchen würde herauszufinden ob Lyn Magie ausüben könne: „Wir werden uns in einen stillen Raum zurückziehen, in welchem ich ungestört mit meinen Geist nach Magie in dir suchen kann. Du musst dich dafür öffnen, da es sonst eine äußerst unangenehme Prozedur werden kann. Falls ich Magie in dir entdecken sollte, werden zu deinen bisherigen Übungen noch einige Magieübungsstunden hinzukommen.“
Sie kamen an Luna vorbei, welche gerade eine kleine Handbewegung machte, woraufhin ein Stuhl in tausende Teile zerbarst, die daraufhin in der Luft schwebten und sich auf eine erneute Handbewegung von dem silberhaarigen Mädchen zu einer Statue eines Pferdes zusammensetzten. Luna flüsterte etwas, woraufhin die Statue in Flammen aufging. Der Rauch der dadurch entstand nahm die Gestalt von Kriegern an, die sich solange bekämpften, bis Luna mit einem erneuten Flüstern dafür sorgte, dass der Stuhl, so als wäre nie etwas passiert, wieder vor ihr stand.
Lyndis beobachtete das Schauspiel voller Faszination und verspürte gleichzeitig eine große Angst vor dieser Macht. Mona lachte leicht und sagte: „Luna gehört zu den mächtigsten Magiern hier, obwohl ihre Gabe noch lange nicht voll ausgeprägt ist, ist sie jetzt schon zu Dingen fähig, von denen andere Magier noch nicht mal zu träumen wagen. Es ist kaum auszumalen, wie mächtig sie in ein paar Jahren sein wird.“
Lyndis folgte der Frau nun in einen kleinen Raum, in dem nur zwei Stühle standen. Mona bat Lyn auf einem Platz zu nehmen und setzte sich selbst auf den Stuhl gegenüber. Danach sagte sie: „Versuche an nichts zu denken. Mach dich frei von allem was dich ablenken könnte und wehre dich nicht.“
Dann nahm sie Lyns Hände in die ihren und schloss ihre Augen. Lyn spürte etwas in ihr, konnte dieses Gefühl allerdings nicht  beschreiben. Sie bekam etwas Angst und wollte, dass dieses seltsame unangenehme Gefühl verschwand. Kurz wurde es leichter, nur um kurz darauf noch stärker zurückzukehren. Wieder versuchte das Mädchen das Gefühl zu verdrängen. Plötzlich durchzuckte sie ein Schmerz, den sie unmöglich beschreiben konnte und sie schrie auf.
„Beruhige dich. Wehre dich nicht, es wird dir nichts passieren“, hauchte Mona angestrengt.
Doch Lyndis hörte die Worte nicht, da sie innerlich gegen das unangenehme Gefühl ankämpfte. Sie spürte, wie die Stellen, an denen Mona ihre Hände festhielt immer wärmer wurden, bis sie schließlich brannten wie Feuer. Das Brennen begann sich langsam in Lyns ganzen Körper auszubreiten. Als Lyn kurz vor einer Ohnmacht stand, lies Mona ihre Hände los und sank erschöpft auf dem Stuhl zusammen. Die Frau zitterte am ganzen Körper.
Der Schmerz und das Brennen verschwanden in dem Moment, als Mona die Hände von Lyns genommen hatte. Es vergingen Minuten, in denen Mona sich bis auf das Zittern nicht bewegte. Lyn kauerte verzweifelt vor der Magierin und überlegte fieberhaft, was sie tun konnte um ihr zu helfen. Sollte sie irgendwo Hilfe holen oder abwarten. Als sie gerade aufstehen wollte, um Hilfe zu holen, flüsterte Mona mit schwacher Stimme: „Warte. Ich brauche nur ein paar Minuten, um mich zu erholen.“
Lyndis kam es vor wie eine Ewigkeit, ehe Mona mit zittriger Stimme weitersprach: „Du hast dich viel zu sehr gewehrt. Meine Kräfte reichen nicht aus, um durchzudringen. Die meisten werden Ohnmächtig, wenn sie versuchen sich zu wehren. Du allerdings bist stark genug, um mir zu trotzen … warte hier. Ich hole jemanden der mehr Erfolg haben wird.“
Mona stand auf und verließ den Raum. Lyndis sah der noch immer geschwächten Frau nach und fragte sich, was gerade geschehen war. Noch nie hatte sie so etwas erlebt.
Kurze Zeit später öffnete sich die Tür wieder und herein kamen Mona und Phalur. Lyndis war erstaunt, den blinden Mann zu sehen. Phalur warf ihr ein warmherziges Lächeln zu und sprach: „Wie ich hörte hast du Mona ganz schön zugesetzt, als sie in deinen Geist eindrang und versuchte darin Magie zu finden. Nun, jetzt werde ich diese Aufgabe übernehmen. Ich rate dir, dich dieses Mal nicht dagegen zu wehren. Ich bin viel stärker als Mona und es würde starke Schmerzen für dich bedeuten.“
Lyn sah den alten Mann an und sagte: „Ich kann es nicht steuern. Es ist wie ein Reflex. Ich kann einfach nicht anders.“ Phalur nickte verständnisvoll und schickte Mona hinaus. Diese verließ widerwillig den kleinen Raum, danach sagte der alte Mann beruhigend: „Du hast keinen Grund, dich vor mir zu fürchten. Versuch es wenigstens, dich nicht gegen mich zu wehren. Ich tue dir nur sehr ungern weh, allerdings werde ich es, wenn du mir keine andere Wahl lässt, Lyndis.“ Er setzte sich auf den Stuhl, auf den zuvor Mona gesessen hatte und nahm ihre Hände. Lyn spürte, wie das unangenehme Gefühl von vorher zurückkehrte. Sie versuchte es hinzunehmen und nichts dagegen zu unternehmen, doch nach ein paar Minuten hielt sie es nicht mehr aus und versuchte erneut, das eigenartige Gefühl zu verdrängen. Phalur flüsterte: „Kämpfe nicht dagegen an.“
Lyndis antwortete: „Ich kann nicht anders.“
Der alte Mann nickte und flüsterte unglücklich: „Ich habe dich gewarnt.“ Im nächsten Moment schrie das Mädchen laut auf, als ein gewaltiger Schmerz sie durchfuhr. Jede ihrer Adern fühlte sich an, als würde kochend heißes Blut durch sie hindurchfließen und ihr Kopf fühlte sich an, als würde er jeden Moment explodieren. Sie warf den Kopf zurück und versuchte sich mit aller Macht aus dem Griff Phalurs zu befreien, doch die Hände des alten Mannes schlossen sich wie ein Schraubstock um die ihren und Lyndis hatte keine Möglichkeit zu entkommen. Schließlich brach das Mädchen Ohnmächtig auf den Stuhl zusammen und nur Phalurs Griff hinderte sie daran, auf den Boden zu fallen.
Sie wachte in dem Moment wieder auf, als Phalur seine Hände von den ihren nahm. Lyndis fühlte sich, als hätte sie Tagelang nicht geschlafen. Sie war müde und erschöpft, kaum in der Lage sich aufrecht auf dem Stuhl zu halten.
Phalur sagte mitfühlend: „Ich lass dich jetzt erst mal auf dein Zimmer bringen. Über die Ergebnisse die ich erzielt habe, können wir morgen reden.“
Das Mädchen wurde von Mona, die sich mittlerweile wieder erholt zu haben schien und Luna auf ihr Zimmer gebracht. Erstaunt stellte sie bei einem Blick aus dem Fenster fest, dass es bereits dunkel wurde. Doch bevor sie sich weitere Gedanken darüber machen konnte, wurde sie von ihren Begleiterinnen auf ihr Bett gelegt, wo sie schlagartig einschlief. Schon auf dem Weg ins Zimmer, hatte Lyn mehrmals das Bewusstsein verloren.

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