Kapitel 10

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"Und du bist wirklich sicher, dass du da schlafen willst?"

"Ámbar zum tausendsten Mal ja, es macht mir wirklich nichts aus. Entspann dich"

"Ganz sicher? Wir können auch tauschen"

"Tausendprozentig sicher und das bleibe ich auch. Egal ob du noch zwanzig mal fragst oder nicht"

Nachdem Ámbar und ich zuhause angekommen waren, hat sie sich im Bad abgeschminkt und umgezogen, während ich in der Zeit ihre Klamotten und den Rest ihrer Sachen zu mir rübergeholt habe. Nicht alles, aber das, was sie für die nächste Zeit brauchen wird.

Als ich damit fertig war, holte ich aus dem Wäscheschrank noch schnell ein zweites Paar Bettwäsche für mich und wartete dann bis die Blondine das Bad frei gemacht hatte, um mich ebenfalls umzuziehen. Da der einzige Zugang zum Bad in meinem Zimmer ist, habe ich es eigentlich immer ganz für mich. Es ist ungewohnt, dass es heute nicht so ist, was allerdings nicht bedeutet, dass es schlecht ist.

Mittlerweile konnte ich sie sogar überreden sich endlich in mein Bett zu legen und mich auf der Couch schlafen zu lassen. Mir war klar, dass ich mit ihr darüber diskutieren müsste, aber ich hätte nicht gedacht, dass es so viel Überzeugungskraft kosten würde ihr etwas gutes zu tun. Das Sofa ist zwar ausziehbar und bei weitem nicht unbequem, aber trotzdem ist mein Bett bequemer.

"Simón?"

"Ja?"

"Danke"

"Danke wofür?"

"Für alles. Dafür, dass du mich neulich vor Matteo verteidigt hast, dass du mir zugehört hast, dich um mich kümmerst, einfach für alles. Danke"

"Du musst mir nicht danken. Das ist selbstverständlich"

"Nein das ist es nicht"

"Für mich schon. Was hätte ich denn machen sollen? Dich links liegen lassen und nur mit dir sprechen, wenn es unbedingt sein muss?"

"Ja, so wie die meisten anderen, die ich kennenlerne auch"

"So bin ich nicht Ámbar"

"Ich weiß"

"Ich würde dich niemals links liegen lassen. Ich würde alles für dich tun"

"Ich weiß"

"Ich bin für dich da, egal was ist"

"Danke"

"Gute Nacht" murmelt sie dann, bevor sie die Nachttischlampe ausschaltet und sich Dunkelheit im Raum ausbreitet.

"Gute Nacht"

Noch immer ist es stockdunkel, als ich aufwache. Ein kurzer Blick auf mein Handy verrät mir, dass es drei Uhr morgens ist. Ich will mich gerade wieder umdrehen und weiterschlafen, als ich ein leises Winseln höre. Es ist kaum hörbar, aber ich weiß, dass es aus Ámbars Richtung kommt.

Es ist nicht das erste Mal, dass ich sie weinen höre. In der ersten Nacht, die sie hier verbracht hat, weinte sie ebenfalls. Das ist mittlerweile fast einen Monat her. Damals hab ich mich nicht getraut anzuklopfen und bin weitergegangen. Im Nachhinein habe ich mich innerlich dafür geohrfeigt sie allein gelassen zu haben, anstatt sie zu trösten.

Ich hab allerdings nicht vor diesen Fehler zu wiederholen, also mache ich die kleine Lampe neben mir an und gehe langsam zum Bett.

"Ámbar?" meine Stimme gleicht einem Flüstern, doch ich bekomme keine Antwort.

Langsam gehe ich um das Bett rum und setze mich auf die Bettseite, zu der sie gedreht ist.

"Ámbar? Alles okay?" flüstere ich erneut, stelle aber zu meiner Überraschung fest, dass sie schläft.

Sie weint im Schlaf. Wie kaputt muss ein Mensch sein, dass er selbst im Schlaf keine Ruhe findet? Und alles dank meinem Vater. Ich kann das nicht weiter zulassen. Ich muss sie beschützen. Komme was wolle. Vorsichtig lege ich meine Hand auf ihre Schulter.

"Ámbar? Ámbar wach auf. Alles ist gut"

In einem Zug schlägt sie ihre Augen auf und sitzt wie eine eins im Bett. Als sie mich sieht verdoppeln sich die Tränen in ihren Augen, bevor sie mir auch schon um den Hals fällt und ich sie fest an mich ziehe.

"Hey, was ist passiert? Was hast du?"

"Nein, nichts"

"Ámbar das sieht nach allem anderen als nichts aus. Was ist los?"

"Nichts, ich hatte nur einen Traum"

"Und willst du mir nicht erzählen worum es ging?"

Sie schüttelt den Kopf, in ihren Augen sammeln sich allerdings schon wieder Tränen.

"Hey, es ist alles gut, komm her" Ich rücke neben sie auf die andere Bettseite und schon klammert sie sich an mich.

"Und du willst mir wirklich nicht erzählen was los ist?"

"Bitte bleib einfach hier"

"Was ist-"

"Bitte bleib hier. Lass mich nicht allein" schluchzt sie noch immer an mich geklammert. Ihre Augen sind krebsrot.

Schnell schlüpfe ich mit unter die Bettdecke und wische ihr vorsichtig die restlichen Tränen aus dem Gesicht. Was bleibt mir schon übrig? Ich kann sie ja schlecht so hier liegen lassen. Ihre Atmung ist zwar noch immer schnell und stoßweise, aber wenigstens hat sie aufgehört zu weinen.

Sanft küsse ich sie auf die Stirn, bevor ich die Lampe ausschalte und mich wieder neben sie lege. Mit meinen Armen ziehe ich sie fest an mich. Vielleicht kann ich ihr so wenigstens ein Stückchen das Gefühl von Sicherheit geben.

Ich weiß zwar nicht was passiert ist, aber ich weiß, dass ich dem ein Ende bereiten muss und zwar schnell. Ich kann sie nicht weiterhin leiden lassen.

"Hallo, Erde an Simón. Jemand Zuhause?"

"Mhm?"

"Lass ihn Pedro. Der ist gerade auf nem anderen Planeten"

"Lass mich raten. Dieser Planet beginnt mit A?"

"Was sonst? Auch wenn er da bald mal wieder runterkommen müsste. Passiert doch sowieso nichts oder irre ich mich?"

"Simón?" Mit einem Klopfen auf den Rücken holt mein Freund mich in die Gegenwart zurück.

"Mhm? Was ist?"

"Sag mal, was ist passiert, das dich so sehr beschäftigt, dass du nichts mehr um dich herum mitkriegst?"

"Nicht wichtig"

"Sieht mir aber nicht danach aus"

"Okay ich sag's euch, aber erzählt es niemandem. Vorallem ihr nicht. Ich will nicht, dass es ihr am Ende noch peinlich ist und sie noch mehr belastet"

"Wem sollen wir es nicht erzählen. Ich versteh' gar nichts mehr"

"Okay Ámbar hat gestern bei mir im Zimmer geschlafen, weil ich nicht wollte, dass sie alleine ist. Irgendwann in der Nacht hab ich sie weinen hören und als ich sie gefragt hab was passiert ist, wollte sie mir nichts sagen und hat sich nur an mir festgeklammert. Deshalb hab ich am Ende mit ihr im Bett geschlafen, um sie sich geborgen fühlen zu lassen.

"Halt, warte. Du hast mit ihr in einem Bett geschlafen?" fragt Nico ungläubig nach.

"Ja und?"

"Und was war da noch was? Du weißt schon"

"Nein! Nein für was hältst du mich denn? Ich meine... einfach nein"

"Sie hat sich die ganze Nacht über nur unruhig umhergewälzt. Ich weiß echt nicht was ich machen soll, um ihr zu helfen" lasse ich mich bei meinen Freunden über meine Probleme aus.

Wovon wohl ihr Traum handelte?

Solos ~ SimbarWo Geschichten leben. Entdecke jetzt