"Was suchst du hier Raiee?"
Asher sah mich fragend an und erhob sich von dem Stuhl, auf dem er in einem der Krankenzimmer saß.
Ich antwortete nicht und sah zu dem Bett, in dem der Junge lag, den er aus dem Wagen geholfen hatte.
Er schlief und war an unzähligen Geräten angeschlossen, die Vitalwerte und andere Sachen im Auge behielten.
Hyuna hinter mir zog die Tür zu, als sie mich zu meiner Zielperson gebracht hatte.
Der Junge auf dem Bett sah aus wie ein halbes Skelett, bestand mehr aus Knochen als aus Haut und hatte braune und unglaublich unordentliche Haare.
Die Knoten aus ihnen zu bekommen würde schwierig werden.
"Ich hab dich gesucht." Murmelte ich und blickte noch immer nicht direkt zu ihm.
Mehr zu dem im Bett.
Er erinnerte mich ein wenig an mich selber, als ich aus den Dörfern gerettet wurde, durch Wonho.
Ich wusste dass ich mit Wonho reden musste, aber allein bei dem Gedanken daran ihm von dem Vorschlag meiner Eltern zu erzählen, wurde mir schlecht.Ashers Lachen tauchte in meinen Gedanken auf.
Es war nicht grob oder rau, sondern wirklich amüsiert, offenherzig.
"Wieso das?" Harkte er nach und verschränkte die Arme vor der Brust, als ich zu ihm sah.
"Du hast mich doch vorhin gesehen, als ich die Neulinge mit rein gebracht habe." Erinnerte er mich.
Ich nickte.
"Deshalb musstest du weg oder? Um sie abzuholen und her zu bringen."
Asher nickte nun.
"Wir konnten sie noch vor den Wächtern ausfindig machen und in Sicherheit bringen.
Sie kamen von den äußersten Ecken dieser Region und haben sich in den Vororten versteckt, nachdem sie von uns gehört hatten.
Seit Monaten sind sie unterwegs und haben kaum Pausen gemacht oder etwas gegessen." Erklärte Asher mir und seufzte.
"Es kann nicht jeder das bittere Glück besitzen einfach in der selben Stadt wie die Prophets zu leben.
Und eigentlich ist es nicht gut, dass man bis dahin weiß, dass es uns gibt, grade um diese langen und gefährlichen Reisen wegen." Sprach er weiter und schüttelte den Kopf.
"Viele von ihnen sind so ausgehungert, dass sie kaum noch laufen konnten.
Es wird lange dauern sie wieder aufzubauen und sie einzustufen." Murmelte er nun mehr zu sich selber, als zu mir.
Ich blieb leise und lauschte auf das regelmäßige Piepen im Zimmer, was von den Geräten kam, die an den Jungen angeschlossen waren, während Asher wieder einen dieser Momente hatte, in dem er mal nicht arrogant war oder Arschloch spielte."Warst du schonmal bei einem Außeneinsatz mit dabei? Bis auf das Abholen von Heut." Wollte ich von ihm wissen und schlang die Arme um mich.
"Warum willst du das wissen? Sowas ist bestimmt nichts für dich, zumal Frauen und Mädchen eh nicht zugelassen werden." Redete er mir aus.
"Ich hab daran nicht gedacht, aber mein Bruder vielleicht." Log ich.
Changkyun würde hier keinen Finger krümmen, er genoss es einfach erstmal wieder ein richtiges Dach über dem Kopf zu haben, bevor er sich hier mit einbringen würde, auch wenn er zwischendurch das ein oder andere Kampftraining hatte.
"Davon rate ich ihm ab.
Ich habe es ein halbes Jahr lang gemacht, nachdem ich hier die Nötige Weite dafür hatte.
Wenn man das durch hat, was ich erlebt habe, dachte man eigentlich man hat alles schreckliche gesehen und gefühlt, aber das ist die größte Täuschung die ich je hatte." Fing er mit der Sache um Wonho und seinen Eltern an, wo es in mir noch immer Aussage gegen Aussage stand.
"Du wirst als wirklicher Wächter eingespannt, bekommst eines der Dörfer zugeteilt, bleibst dort und achtest auf das Rechte oder bewachst diese abartigen reichen Leute hier, die Streifzüge zu den Lichtungen um diese zu überfallen, wenn man eine entdeckt, sind eher seltener als Wächter."
Bisher hatte man mir nur davon erzählt das man diese Lichtungen mit 'ausbeuten' sollte.
"Ich war damals in einem der Dörfer und musste mich verhalten wie eines dieser Abartigen Schweine und neben dem Tod meiner Eltern, war dies mit die Schlimmste Zeit in meinem Leben.
Kinder haben mich darum angefleht ihren Eltern, die im Sterben lagen, Medizin zu geben.
Ich musste Kinder schlagen, ihre Träume zerstören und sie ohne mit der Wimper zu zucken aus dem Leben ziehen, wenn sie bei etwas erwischt wurden, auf was die Todesstrafe steht."
Mir lief ein kalter Schauder über den Rücken.
Das würde sich Wonho bestimmt nicht antun.
Lieber würde er sich mit seinem Vater quälen, als unschuldige um ihr Leben zu bringen oder dabei zuzusehen, wie Kinder vor einem wegsterben, ohne dass man etwas dagegen unternehmen darf.