„Wie wäre es, wenn wir wegfahren?"
Ich höre Davids Stimme nur ganz leise und dumpf, weil ich eigentlich schon fast schlafe, doch als mir bewusst wird, was er da gesagt hat, öffne ich träge die Augen und sehe ihn stirnrunzelnd an.
„Was hast du gesagt?", nuschele ich und ziehe meinen Eimer etwas fester an mich.
„Ach, nichts", wehrt er gleich ab und weicht meinem Blick aus.
Erst will ich mich aufrichten, aber mein Magen beginnt sofort wieder zu rebellieren, weswegen ich doch genau so liegen bleibe. „Versteh mich nicht falsch, dein Auto ist echt super bequem, aber ich...muss zur Arbeit. Am Montag. Also wenn du nicht gerade an so was wie einen Tagestripp gedacht hast, wird das wohl nichts", sage ich und gähne. Das Auto wird langsamer, wir sind wohl fast da. Ich höre, wie er die Handbremse anzieht und den Schlüssel umdreht.
„Ich dachte eigentlich an so was wie einen Roadtripp über...na ja...ein paar Wochen oder Monate."
Überrascht öffne ich die Augen, die mir erneut zugefallen sind. „Und wohin?"
Er zuckt mit den Schultern. „Weiß nicht. Irgendwohin."
Aha. Irgendwohin.
Ich drehe vorsichtig den Kopf und sehe nach draußen. Wir stehen in der Einfahrt des Mehrgeschossers, in dem ich wohne.
„Isa, ich...bitte nicht", sagt David plötzlich lauter als zuvor, weswegen ich mich ihm verwundert wieder zuwende.
„Was ist denn?", frage ich.
„Ich dachte, du willst aussteigen."
„Nee."
„Tut mir leid, dass ich dich das gefragt habe."
„Muss dir nicht leid tun."
Er nickt, ich nicke, mir wird schlecht. Mit dem Ellbogen öffne ich die Beifahrertür, stolpere aus dem Wagen und fülle den Eimer, den David mir vorhin noch aus dem Club besorgt hat. Bis hier hin habe ich es geschafft, ihn nicht zu benutzen.
„Kommst du wieder rein?", fragt David, als ich nicht mehr würgen muss.
„Ich stinke nach Kotze", antworte ich und wische mir über den Mund.
Er zuckt erneut die Achseln, schnallt sich ab und verlässt ebenfalls das Auto, um sich neben mich zu stellen.
„Wo arbeitest du?", fragt er beiläufig und kickt einen Stein mit der Fußspitze über den Gehweg. Der Stein war wohl schwerer als gedacht, ich sehe ihn zusammenzucken, aber er versucht es sich nicht anmerken zu lassen, weswegen ich so tue, als hätte ich es nicht bemerkt.
„Ich mache eine Ausbildung zur Steuerfachangestellten", antworte ich, sehe mich um und überlege, wo ich meinen Eimer am besten verschwinden lassen könnte.
„Klingt...spannend", bemerkt David.
„Ist es auch", antworte ich im selben, ironischen Ton.
„Warum machst du' s dann?", fragt er.
Ich hebe die Schultern. „Meine Eltern wollen das."
„Und was willst du?", fragt er interessiert.
„Dass mir nicht mehr schlecht ist", antworte ich, weil ich zu solch tiefgründigen Gesprächen nicht mehr in der Lage bin. Meinen Eimer stelle ich neben eine Mülltonne und hoffe, dass keiner der Nachbarn mich dabei beobachtet. Kurzentschlossen beschließe ich, dass ich mich auf den Boden setzen möchte und das tue ich dann auch. David schenkt mir wieder diesen Blick, als würde er mich damit fragen wollen, ob ich noch alle Tassen im Schrank habe, aber dann setzt er sich zu mir. Und weil mir selbst das Sitzen zu anstrengend ist, lasse ich mich auf den harten Boden sinken, flach wie ein Seestern. Mit zwei kleinen Huckeln. Ich muss kichern.
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