Ich weiß nun, was eine der beschissensten Sachen überhaupt ist: ein Zelt im Dunkeln aufbauen. Noch dazu sind wir nicht mal in einem Wald sondern auf einem kleinen Rasenstück zwischen einem Feldweg und einer Koppel. Keine Ahnung, was für Tiere auf dieser Wiese wohnen – gesehen haben wir sie noch nicht.
„Bella, hey, lass uns die Nacht doch einfach nochmal im Auto schlafen", meint David, als dieses blöde Stangending vom Zelt schon wieder auseinandergefallen ist, während ich es kniend in die dazugehörige Schlaufe geschoben habe.
„Kannst du vergessen. Du wolltest zelten, also zelten wir", wehre ich ab.
David seufzt. „Wir können doch auch morgen zelten. Dann bauen wir tagsüber auf und haben abends keine Probleme. So bringt das doch nichts", schlägt er sanft vor. Stöhnend sehe ich auf. „Ich mach das hier nur für dich und jetzt bin ich diejenige, die dafür kämpft, dieses blöde, blöde Zelt zu Ende aufzubauen?"
Er muss sich ein Grinsen verkneifen. „Tut mir leid."
Wortlos stehe ich auf, lasse alles stehen und liegen und klettere in den Wagen. Während ich mich in die Decke einrolle und meine Kaputze über den Kopf ziehe, räumt David das Zelt zusammen, wirft es in den Kofferraum und kommt zu mir.
„Ich weiß es wirklich zu schätzen, dass du es versucht hast", sagt er.
„Ach, halt die Klappe", grummele ich und wende ihm den Rücken zu. Ich höre ihn noch leise in sich hinein kichern, während ich die Augen schließe und nach wenigen Sekunden einschlafe.
„Ist das eigentlich erlaubt?"
„Was meinst du?"
„Na, mitten im Wald zu campen?"
„Wer soll' s uns denn verbieten? Die Wald-Polizei?"
Lachend beiße ich von meinem Apfel ab, während David die Heringe in den Boden steckt. Ihm steht der Schweiß auf der Stirn, was bei der Mittagssonne nicht weiter verwunderlich ist. Wir sind ziemlich früh aufgestanden, heute Morgen und dann zum nächsten großen Waldstück gefahren, das wir finden konnten. Hier riecht es ganz anders als in der Stadt und es gibt sogar einen wunderschönen, riesigen See, an dessen Ufer wir unser Zelt aufbauen. Oder besser gesagt David. Ich rühre keinen Finger.
„Willst du mir eigentlich auch mal helfen?", fragt er und zieht sich seinen Pulli aus. Ich glaube, das ist das erste Mal, dass ich ihn nicht in etwas Langärmligem sehe. Und ich muss sagen, dass er kräftiger aussieht, als ich dachte. Immer noch relativ schlank, aber nicht dürr.
Er sieht nicht todkrank aus. Obwohl er das ist.
„Hey, Bella", erinnert er mich daran, dass er mir eine Frage gestellt habe. Und anstatt zu antworten, habe ich ihn hoffentlich nicht allzu auffällig angestarrt.
Kann man jemanden unauffällig anstarren?
„Du bist doch eh fast fertig", sage ich und esse weiter meinen Apfel.
Er neigt den Kopf zur Seite. „Ja, jetzt."
„Na siehste. Was soll ich denn da noch machen?"
Er bewirft mich mit seinem Pullover. „Die Luftmatratze aus dem Wagen holen zum Beispiel, du fauler Sack."
Seufzend lehne ich mich nach hinten, stopfe mir seinen Pulli unter den Nacken und strecke mich alle Viere von mir auf dem Boden aus.
„Das letzte Mal als du das gemacht hast, musstest du kurz davor deinen Kotzeimer loswerden", erinnert David mich.