07 Die Stimme

1.2K 48 6
                                    

Ein weißer Raum, völlig steril. Keine Fenster. Keine Tür. Keine Möbel. Einfach nur weiße Wände, weißer Boden, weiße Decke. Draco drehte sich hin und her, doch er konnte nichts anderes sehen. Was sollte das? Er öffnete seinen Mund, um etwas zu sagen, doch kein Laut kam über seine Lippen. Er schrie - völlig tonlos. Nicht einmal seine Atmung konnte er hören. Die Stille schien ihn zu erdrücken.

Draco hatte nur vor sehr wenigen Dingen Angst. Er würde sich selbst zwar nicht als mutig bezeichnen, doch ein Angsthase war er auch auf keinen Fall. Schon als Kind hatte er keine Angst vor den obligatorischen Monstern unter dem Bett oder im Schrank gehabt. Außerdem war er nicht klaustrophobisch veranlagt, doch dieser Raum jagte ihm mächtig Angst ein. Und je mehr Zeit verstrich, desto mehr Panik bekam er. Wie sollte er hier wieder raus kommen? Und wie war er hier überhaupt erst reingekommen?

Während er sich weiterhin panisch umsah und nach einer Möglichkeit suchte, diesem seltsamen und bedrohlich sterilen Raum zu entkommen, materialisierte sich aus dem Nichts eine Gestalt. Oder eher der Schatten einer Gestalt. Draco blinzelte mehrfach, um die Schattengestalt besser erkennen zu können, doch die schwarzen Schemen wurden nicht klarer. Sie wirkten verschwommen, wie Nebel.

Draco versuchte, näher ran zu gehen, doch die Gestalt blieb immer auf dem gleichen Abstand zu ihm. Wie groß war dieser Raum eigentlich? Es war, als würde sich der Raum mit ihm bewegen. Draco brach kalter Angstschweiß aus und die Panik verstärkte ihren eisernen Griff um sein Herz noch mehr. Irgendetwas stimmte hier nicht. Irgendetwas stimmte ganz gewaltig nicht.

Die Schattengestalt streckte ihre Arme nach ihm aus. Draco zitterte mittlerweile vor Angst. „Draco", hauchte die Gestalt. Und wieder „Draco"

Bei dem Klang seines Namens wurde Draco jedoch überraschender Weise ruhiger. Sein Herzschlag normalisierte sich wieder und der Raum veränderte sich. Schließlich standen sie auf einer Wiese, die Schattengestalt und er, und wieder hauchte die Gestalt seinen Namen.

Draco nahm die Wiese um sie herum nicht wirklich wahr, denn er spürte einen inneren Drang, der Gestalt näher zu kommen. Etwas zog ihn zu ihr hin und aus dem Hauchen der Gestalt wurde ein Flüstern und dann eine klare, laute Stimme. Draco wurde unterbewusst klar, dass er die Stimme, die unablässig seinen Namen sagte und ihre Hände nach ihm ausstreckte, irgendwoher kannte. Und schlagartig traf ihn noch eine andere Erkenntnis: Die Gestalt nannte ihn Draco. Nicht Dean, sondern Draco! Sein richtiger Name!

„Wer bist du?", fragte er leise und vorsichtig. Irgendwie war ihm klar gewesen, dass er jetzt wieder würde sprechen können. Doch die Gestalt antwortete ihm nicht. Sie streckte nur weiter ihre Hände nach ihm aus und rief seinen Namen.

Plötzlich und ohne Vorwarnung fing die Gestalt an, sich aufzulösen. „Nein", schrie Draco auf. „Warte. Bleib bei mir!" Verzweifelt rannte er auf die Gestalt zu und versuchte, den Nebel, in den sie sich auflöste, festzuhalten. Doch natürlich gelang es ihm nicht und schließlich stand er allein auf der Wiese.

In seinem Herzen spürte Draco eine große Leere, die sich immer weiter auszubreiten schien. Er fühlte sich, als hätte er etwas unfassbar Wichtiges verloren und er begann zu schluchzen. „Wo bist du?", flüsterte er in die unnatürliche Stille, die auf dieser fremden Wiese herrschte, und dann wachte er auf.

~~~*~~~

Draco setzte sich ruckartig in seinem Bett auf Rose Manor auf und spürte die Tränen heiß sein Gesicht hinab laufen. Emma saß auf seiner Bettkante und trotz des spärlichen Lichts, das der Mond in sein Zimmer warf, konnte Draco erkennen, dass Emma ihn besorgt ansah.

„Dean, ist alles in Ordnung? Ich habe dich schreien hören. Du weinst ja, was ist los?"

Draco schüttelte den Kopf. Er atmete schwer. „Es ist alles in Ordnung. Ich habe nur schlecht geträumt." Er starrte auf seine Bettdecke. Was war das nur für eine Stimme gewesen? Er kannte sie... Aber wer...?

„Dean?" Emma hatte ihm eine Hand auf die Schulter gelegt und musterte ihn weiter besorgt. „Du weißt, dass du mit mir über alles reden kannst?" Draco nickte, ließ den Blick aber gesenkt. Die Gedanken jagten durch seinen Kopf. Wem gehörte diese Stimme? Wem? Wer war diese Gestalt gewesen?

„Möchtest du reden?" Draco schüttelte den Kopf. „Kann ich dich allein lassen?" Wieder nickte Draco und Emma stand zögerlich auf. Natürlich wollte sie Draco in diesem Zustand nicht allein lassen, doch der Junge war alt genug und sie war nicht seine Mutter. Emma wusste, sie musste ihm Zeit geben. Sie hoffte, dass er irgendwann genug Vertrauen zu ihr fassen würde, um ihr seine Probleme zu erzählen.

Zärtlich strich sie ihm über den Kopf und als Draco schließlich doch seinen Blick hob, lächelte sie ihn warm an. „Schlaf gut, Dean."

„Danke, du auch." Er musste sich zwingen, Emmas Lächeln zu erwidern. Als sie die Tür endlich hinter sich zugezogen hatte, ließ er sich frustriert in sein Kissen zurücksinken. Unablässig wanderten seine Gedanken zurück zu dem Traum. Diese Stimme... Wem gehörte diese Stimme?

Während er noch darüber nachgrübelte, woher er die Stimme kannte, glitt er zurück in einen ruhigen Schlaf.

Seelenverwandt (Drarry)Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt