30 Erstes Date

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„So, Draco. Und jetzt erzähl mal, was hast du die letzten Jahre so getrieben?" Sie saßen in einem gemütlichen kleinen Café mit Blick auf die Themse. Harry hatte ihnen einen Tisch am Fenster reservieren lassen und Draco genoss die Aussicht, während er gedankenverloren in seinem Kaffee rührte.

Er wusste nicht, wie er auf Harrys Frage antworten sollte. Während des Brunchs hatten sie nur über Belanglosigkeiten gesprochen, meistens über ihre Arbeit. Harry hatte auch ein bisschen von seinen Freunden erzählt, was Draco jedoch nicht sonderlich interessierte. Er konnte immer noch nicht verstehen, weshalb Harry Potter mit dem Wiesel und dem Schlammblut befreundet war.

Harry lehnte sich seufzend in seinem Stuhl zurück. Das Essen war verdammt lecker gewesen und er hatte sich scheinbar ein bisschen zu viel zugemutet. Erwartungsvoll sah er Draco an.

Draco stützte seine Ellenbogen auf dem Tisch ab, nahm langsam seine Tasse in beide Hände und starrte in den Kaffee, als würde er dort die Antworten finden. Leise und zögerlich begann er zu sprechen. „Du warst bei meiner Verhandlung dabei. Du kennst das Urteil, Harry."

Harry nickte und verschränkte seine Arme vor der Brust. Dracos Verhandlung war ein heikles Thema. Draco erinnerte sich noch zu gut daran, wie Harry damals ausgeflippt war. Viele unbedeutende Todesser hatten dasselbe Urteil wie Draco bekommen, denn Askaban platzte bereits aus allen Nähten. Deshalb suchte der Gamot nach anderen Bestrafungsmöglichkeiten. Während Draco noch unter Hausarrest gestanden und auf seinen Prozess gewartet hatte, hatte er von Harrys Aufstand gehört.

„Ich war mit diesen Urteilen nicht einverstanden", entgegnete Harry hart. „Reinblütige Zauberer ohne Hilfestellung in die Muggelwelt zu entlassen..." Harry schüttelte verärgert seinen Kopf.

Draco zuckte mit den Schultern und starrte weiter in seine Tasse, der Kaffee war mittlerweile kalt. Er hatte sein Urteil damals in dem Bewusstsein angenommen, dass er in der Muggelwelt keinen einzigen Tag überleben würde. Für ihn war dies einem Todesurteil gleich gekommen. „Du konntest nichts dagegen tun, Harry", sagte er leise. Harry schnaubte und Draco musste schmunzeln. Da war er wieder: Harry Potter, Retter der Unterdrückten.

„Wie dem auch sei. Du kennst die Muggelwelt besser als ich, Harry. Ohne Schulausbildung - also eine andere als Hogwarts - und ohne Berufsausbildung kommst du nicht weit. Das Startgeld, das man uns zur Verfügung stellte, reichte nicht mal für eine erste Monatsmiete für ein kleines Zimmer. Wie so viele andere auch, landete ich auf der Straße. Anfangs war ich zu stolz, um Hilfsarbeiten anzunehmen. Doch eine Woche ohne Essen lehrt dich Demut." Draco hatte ohne Vorwurf, ohne Bitterkeit gesprochen. Darüber war er längst hinweg. Er hatte seine Situation akzeptiert und versucht, das Beste daraus zu machen.

Harry starrte aus dem Fenster, während er leise zu erzählen begann. „Ich habe einige der verurteilten Todesser eine Weile im Auge behalten. Viele starben bereits innerhalb des ersten Monats." Draco hörte die Traurigkeit in Harrys Stimme und er wunderte sich. Wie konnte ein Mensch, dem so viel Schlimmes angetan worden war, noch Sympathie für seine Peiniger empfinden? Gespannt hörte er weiter zu. „Die meisten verhungerten oder kamen bei Auseinandersetzungen um. Das Ministerium interessierte sich nicht für sie. Doch dich", Harry drehte den Kopf und sein Blick durchbohrte Draco förmlich, „habe ich sofort aus den Augen verloren. Wie hast du es geschafft, zu überleben?"

Draco hörte die stumme Frage aus Harrys Zeilen heraus. Er wusste, worauf Harry hinaus wollte. Draco stellte seine Tasse ab, beugte sich etwas über den Tisch und nahm Harrys Hand. „Ich bin ein Malfoy, Harry. Die geben sich nicht auf. Außerdem bin ich nicht dumm. Ich habe mich mit kleineren Jobs über Wasser gehalten. Manchmal reichte es sogar für eine Wohnung. Aber oft schlief ich auf der Straße."

„Hast du auch... Ich meine, hast du dich... Musstest du..." Harry senkte den Blick und schluckte hart.

Draco drückte Harrys Hand. Was sollte er dazu sagen? Natürlich hatte er sich auch prostituiert, das war die schnellste Art, an Geld zu kommen. Aber er hatte es nur im äußersten Notfall getan und nur, wenn es wirklich keine andere Möglichkeit mehr gegeben hatte. Doch von dieser dunklen Zeit in seinem Leben wollte er Harry nichts erzählen.

Also ging er nicht auf Harrys Gestammel ein, sondern fuhr nur leise fort. „Vor beinahe zwei Jahren war ich völlig abgebrannt. Ich hatte schon länger keine bezahlte Arbeit mehr gehabt, meine Reserven waren aufgebraucht und ich wusste, wenn ich den kommenden Winter überleben wollte, müsste ich schnell einen Job finden. So kam ich zu Emma."

Er ließ Harrys Hand los und setzte sich wieder gerade auf seinen Stuhl. Auch Harry lehnte sich wieder etwas entspannter zurück. „Diesen Teil der Geschichte kennst du, habe ich Recht?" Er sah Harry an und fragte sich, warum er so schnell Vertrauen zu seinem ehemaligen Erzfeind fassen konnte. Vielleicht lag es an ihrer besonderen Verbindung?

Harry nickte. „Ja, Emma hat mir erzählt, wie sie dich kennenlernte. Damals, als du in Flourish & Blotts warst. Ich war wirklich überrascht, als du an diesem Tag im Ministerium aufgetaucht bist. Was wolltest du damals eigentlich recherchieren?"

Draco wurde heiß und er spürte, wie seine Wangen rot wurden. Wie sollte er Harry erklären, dass er damals einen Weg finden wollte, um den Seelenzauber zu lösen? Harry schien sich aufrichtig über ihre Verbindung zu freuen. Wollte er diese Freude wirklich trüben, indem er ihm gestand, dass er ihre Verbindung nicht gewollt hatte?

Doch der Kellner nahm ihm die Entscheidung ab. Er kam in diesem Moment an ihren Tisch und fragte sie, ob sie noch etwas bestellen wollten und als Harry und Draco beide verneinten, begann er zügig, ihren Tisch abzuräumen.

Das war ihr Signal zu gehen. Harry bat um die Rechnung und nach einem kurzen Protest von Dracos Seite und einem strengen Blick von Harry, übernahm er den gesamten Betrag.

Vor dem Restaurant sahen sie sich an. „Und nun?", fragte Harry.

„Wie wäre es mit einem Spaziergang?", antwortete Draco mit einer Gegenfrage.

„Gute Idee." Harry strahlte ihn an und griff scheinbar ohne nachzudenken Dracos Hand. Draco erstarrte und blickte auf ihre ineinander verschränkten Finger. Sein Herz blieb stehen und die Welt hörte auf, sich zu drehen. Zumindest fühlte es sich für Draco so an.

Als Harry seine Starre bemerkte, sah er ihn erschrocken an und ließ Dracos Hand los schnell wieder los. „Tut... tut mir Leid, Draco. Wirklich. I-ich hab nicht nachgedacht. Entschuldige", stotterte Harry und lief knallrot an. Beschämt senkte er seinen Blick.

Draco war vollkommen überrumpelt gewesen, doch er fasste sich ein Herz und griff nun seinerseits nach Harrys Hand und verschränkte ihre Finger wieder miteinander. Scheu lächelte er Harry an, als ihn dieser verwundert und fragend anblickte. Langsam legte sich auch auf Harrys Gesicht ein zaghaftes Lächeln, er drückte Dracos Hand und gemeinsam schlenderten sie die Themse entlang.

In Dracos Bauch tanzten die Schmetterlinge wild umher und sein Herz schlug so schnell, dass er glaubte, es könnte einfach aus ihm heraushüpfen. Diesen Tag würde er so schnell nicht wieder vergessen.

Seelenverwandt (Drarry)Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt