Run - Tief in der Vergangenheit (Band 1)

Chapter 2 - Linus

„Wann bist du schlafen gegangen?" fragt mich Zerina und ich weiß, dass dies hier der Anfang einer langandauernden Fragerunde à la Zerina ist. „Keine Ahnung. Ein Uhr?" Ich versuche mich zu konzentrieren. Nur so geht das hier schnell vorbei. „Okay. So kommen wir nicht weit. Was ist los?" Erst jetzt sehe ich die Sorge in ihrem Gesicht. Sieht man mir gerade wirklich alles an?

„Also gut. Ich habe mich mit Alec gestritten. Eigentlich gehen mir Streitigkeiten nur bei dir nahe, das weißt du. Aber Alec... er ist anders. Du weißt schon, du kennst ihn ja. Das geht mir näher als gewollt." Alec ist ein guter alter Freund aus Kindertagen. Bis ich die Schule gewechselt habe, waren wir immer in einer Klasse. Auch Zerina hat er recht schnell kennengelernt. Anfangs mochten die beiden sich nicht so, jedoch ist das jetzt anders. Sie sind gute Freunde geworden, worüber ich extrem froh bin.

Kurz dachte ich mal, Alec und Zerina wären verliebt, bis ich gemerkt habe, dass Alec überhaupt nicht ihr Typ ist. Alec mag Zerina aber ziemlich, jedenfalls hat er mir das mal gesagt. „Zerina ist schon eine Nummer für sich. Ich mag sie. Sehr." Damals saßen wir genau so wie Zerina und ich jetzt sitzen. Alec war unglaublich nervös und Zerina war gerade nach Hause gegangen, also habe ich Alec einfach gefragt, ob er was von ihr will.

Eigentlich nur aus Spaß, deshalb war ich umso überrumpelter nach seiner Antwort. Ich hatte keine Ahnung, wie ich reagieren sollte. Freudig? Verwirrt? Mitfühlend?! Oder leicht gereizt, weil sie meine beste Freundin war? Schlussendlich nahm Alec mir die Entscheidung ab – er wechselte das Thema. Damit war ich mehr als zufrieden.

Noch Tage danach habe ich drüber nachgedacht, was passieren würde, wenn Alec und Zerina ein Paar werden würden. Das hätte doch gar nicht gepasst! Zerina ist frech, aufgeweckt und für jeden Spaß zu haben. Andererseits ist sie aber auch immer für einen da, wenn's nötig ist. Sie hat ein riesen Herz, doch bis man da reingelangt, muss man einen harten, langen Weg gehen. Sie sucht sich ihre Freunde sehr sorgfältig aus, was unter anderem auch mit ihrer Vergangenheit zu tun haben könnte.

Verkackt man einmal bei ihr, gibt sie dir nur ganz selten eine zweite Chance, und selbst wenn, wird es nie mehr wie vorher. So tickt sie eben. Für viele mag sie arrogant und abgehoben rüberkommen, da sie sich nicht mit jedem abgibt. Doch wenn neue Leute in die Klasse kommen, ist sie die Erste, die auf sie zugeht und sie fragt, ob sie zusammen mit ihr essen wollen oder sonstiges. Das hätte sie sich selbst vor einigen Jahren bestimmt gewünscht. Zerina ist ein guter Mensch. Jedoch kann sie sehr wütend werden.

Ich kann mich noch gut an meine Ex-Freundin Jane erinnern. Sie wollte mir das Leben zur Hölle machen. Als ich das Zerina erzählt habe, ist sie beinahe explodiert. Sie hat Jane gesucht, gefunden und ihr innerhalb von fünf Minuten klargemacht, dass sie sich gefälligst von mir und meinem Leben fernhalten soll, und wehe, wenn nicht. Nun ja, ich habe seither nichts mehr von Jane gehört.

„Das wird schon wieder mit Alec und dir. Du weißt doch wie er ist. Wenn er wütend ist rastet er immer leicht aus und ist paar Tage beleidigt." Meint Zerina und reißt mich aus meinen Gedanken. Ich zucke mit den Schultern. „Stimmt. Trotzdem, es belastet mich einfach. Wir streiten nie!" sage ich, dann korrigiere ich mich nochmal: „Okay. Fast nie." Zerina unterdrückt ein Kichern, doch ihre Mundwinkel zucken trotzdem.

Gekonnt weicht sie meiner Hand aus, mit der ich sie in die Seite boxen wollte. Ich grinse mittlerweile auch. Zerina hat Recht, Alec beruhigt sich schon wieder. Das hat er bis jetzt immer. Ich ducke mich, dann springe ich auf, packe Zerina an ihrer Hüfte und stemme sie hoch. „Hey! Das ist nicht fair, du bist viel zu groß für mich, lass mich runter! Ich rufe deine Eltern an!" Ich lache nur, dann setze ich Zerina wieder ab.

„Hey. Lust auf 'ne Kippe?" frage ich Zerina, und sie nickt noch leicht geschockt von meinem Hochhebe-Manöver. Ich schiebe sie aus meinem Zimmer, schnappe mir meine Bauchtasche und schließe die Türe hinter uns. „Wo gehen wir hin?" fragt Zerina mich beiläufig, während sie ihre Schuhe anzieht. „Keine Ahnung. Bank?", schlage ich vor, und Zerina nickt.