Chapter 11 - Zerina

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„Er... wurde getötet? Vor deinen Augen?" frage ich mit zittriger Stimme. Linus nickt und dreht seinen Kopf weg. Diesmal halte ich ihn nicht auf, und meine Hand rutscht von seiner Wange auf seinen Brustkorb.

„Wieso hast du mir das nie erzählt?" frage ich nach einigen Sekunden unerträglicher Stille. Ich spüre Linus' schnellen Herzschlag, und auch seine Atmung ist recht schnell. „Ich weiss es nicht, Zerina. Ich weiss es wirklich nicht. Ich wusste bis vor kurzem nicht mal, dass du seine Halbschwester bist. Ich konnte nicht mal seiner Familie die Wahrheit erzählen, wieso also sollte ich es bei Freunden können? Ausserdem hat dich sein Tod damals so getroffen, also dachte ich, dass ich auch dir erzähle, er sei verschwunden. Es tut mir leid Zeri."

Ich starre ebenfalls die Decke an und sage nichts. Main hat sein Leben für meinen besten Freund geopfert. Und dieser hat mir die Wahrheit verheimlicht. Was soll ich davon halten? Linus hat gesehen, wie Main getötet wurde. Er hat es miterlebt.

Ich werde verrückt bei dem Gedanken daran, zu sehen wie mein Halbbruder vor mir getötet wird. Das hätte ich nicht ausgehalten. Ich bin stolz auf Linus, dass er trotzdem so aufgestellt ist und einfach weitermacht, und ich verstehe es irgendwie, dass er die Wahrheit nicht sagen konnte. Trotzdem schmerzt es irgendwie.

„Zeri?" höre ich Linus' Stimme weit entfernt. Ich schüttle meinen Kopf, und der Raum, in dem ich mich befinde, rückt meiner Wahrnehmung wieder näher. Linus hat sich inzwischen über mich gebeugt und betrachtet mich besorgt. Als er merkt, dass ich voll und ganz da bin, atmet er erleichtert auf und lässt sich wieder neben mich aufs Bett fallen.

„Meine Güte. Ich dachte du fällst in Ohnmacht oder so." ich lächle schief, dann murmle ich: „Nicht nochmal, und erst recht nicht mehr vor dir. Ihr rennt mir im Krankenhaus ja die Bude ein." Linus grinst ebenfalls, dann nimmt er meine Hand und schaut mich ernst an. „Zeri, wir packen das, okay? Wir werden Elias auslöschen. Ein für alle Mal. Das verspreche ich dir."

Ich nicke zuerst etwas zögernd, dann jedoch fester und entschlossener. „Ja, das werden wir. Zusammen." Ich drehe meinen Kopf zur Seite, so dass ich Linus direkt in die Augen sehen kann. Erst dann merke ich, wie nahe sich unsere Gesichter sind, und dass unsere Hände sich umklammern, als würden wir ertrinken.

Ist das normal in einer solchen Freundschaft? Oder ist das mehr? Was genau empfinde ich eigentlich für meinen besten Freund? Wir haben uns ja schon mal geküsst, doch ich habe mir nicht mehr dabei gedacht. Ich dachte, das komische, angenehme Gefühl in meinem Bauch ist wegen der Magie, doch jetzt ist es wieder da. Wie Linus sich wohl gerade fühlt? Es ist das erste Mal, dass ich mir darüber wirklich Gedanken mache.

Gerade als ich Linus drauf ansprechen will, klopft es an der Türe, und Marcos' Stimme ertönt: „Leute, wir brechen auf zur ersten Suchschicht. Elias' möglicher Standort wurde ausfindig gemacht, und wir sollten keine Zeit verlieren. Zieht eure Gewänder an." Linus und ich schauen uns nochmal an, dann steht er auf und zieht mich gleich mit auf die Beine.

Er öffnet den Kleiderschrank, und ich schaue ihn etwas verwundert an. Zieht er sich jetzt aus? Tatsächlich fängt er an, sein Shirt auszuziehen. Als er meinen fragenden Blick sieht, fängt er an zu lachen. „Magier haben eigentlich beinahe alle ein spezielles Gewand, welches sie vor Angriffen etwas besser schützt und einem nicht erlaubt, Magie anzuwenden, wenn das Limit erreicht ist. Also eigentlich ist es eine Art Schutz vor Feinden und vor uns selbst."

Achso, jetzt verstehe ich es. „Hab ich auch so eines?" frage ich, und Linus denkt kurz nach. Dann öffnet er die andere Hälfte des Kleiderschrankes und hält mir ein weiss-blaues Ganzkörpergewand hin. „Hier, das gehört jetzt dir, da du ja jetzt ein Mitglied von uns bist. Es passt sich seinem Besitzer perfekt an, also keine Angst. Ist nur ziemlich enganliegend."

Run - Tief in der Vergangenheit (Band 1)Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt