8. Kapitel

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Die Tür öffnete sich, aber diesmal wurde es nicht mit einem Schlag hell, weil es bereits dunkel war. Die beiden Männer stiegen sofort aus dem Truck.
Es war hektisch die Leute waren aufgewühlt und rannten hin und her, aber Negan bewegte sich nicht mit mir. Binnen von Sekunden hörten alle was passiert war.
     „Jesse!" schrie eine weibliche Stimme die in den Truck rein stürmte. Es war Lucy.
     „Oh mein Gott Jesse! Geht es dir gut!
Negan lächelte und schaute zu Lucy.
     „Ihr geht es gut." sagte er ruhig.
Lucy bemerkte erst jetzt, dass Negan vor ihr saß. Sie bemerkte erst jetzt, dass ich auf seinem Schoß lag und das er immer noch meinen Kopf streichelte. Sie bemerkte erst jetzt, dass alles voller Blut war, aber Sie war beruhigt von Negan's Worten und Sie lächelte.
     „Rot?" fragt Lucy, ohne eine Antwort darauf zu erwarten, eher um es mir klar zu machen.
Ich schaute zu Lucy und brachte ein milden lächeln heraus, dabei fing auch Sie an zu lächeln.
     „Passt du auf Sie auf?" fragte Lucy Negan, die bereit war zu gehen um Platz zu machen.
     „Ich pass auf Sie aus." sagte er beruhigend und Sie ging.
Es war ruhig und irgendwie war es schön so. Draußen war so viel los und ich hörte so viele Menschen reden, während ich immer noch mit Negan im Truck saß und er über meine Harre streichelte.
Negan starrte mich an und holte tief Luft.
     „Dann mal los." sagte er leise und nahm mich wieder hoch.
Ich krallte mich wieder um seinen Hals und versteckte mein Gesicht in seinem Nacken.
Es tat weh, nicht so doll wie vorher, aber es tat weh und viel mehr machte ich mir darüber Gedanken, was mit all den Frauen passiert? Wir haben Sie zurück gelassen. Wir haben Sie mit Ihren frustrierten Männern zurück gelassen, zumindest einigen davon, die hoffentlich anders Ihren Frust abbauten, als ich es mir gerade vorstellte.
     „Da vorn steht eine Trage, wir bringen Sie ins Krankenzimmer und schauen uns Ihre Wunde an." sagte einer seiner Leute. Es standen Massen an Menschen hier. Es waren vielleicht sogar alle.
Negan sagte nichts. Er blickte ernst und lief an der Trage vorbei und alle schauten sich verwirrt an.
     „Der Arzt ist bereits vor gegangen, er hat alles vorbereitet." teilte ihn einer mit, der neben uns her lief.
     „Gut." sagte Negan grob.

Er öffnete die Tür ins Krankenzimmer und legte mich hin.
     „Was ist passiert fragte der Arzt."
     „Ein Messer-" sagten Negan und ich gleichzeitig.
     „Schon gut ich ... warte draußen." sagte Negan und ging raus.
Der Arzt blickte mir kurz in die Augen.
     „Er ist sauer." sagte er und öffnete meinen Verband.
     „Ja es ... gab ein paar Komplikationen bei der Abholung der Medikamente."
     „Nein er ..." fing der Arzt an und lief im Raum umher um neues Verbandszeug zu holen.
     „... ist wütend, weil er Sie nicht beschützen konnte."
Ich schaute den Arzt skeptisch an. Was dachte er wohl über die ganze Sache und über Negan's Verhalten? Ob er gut oder Böse ist?
     „Was für ein Mensch ist Negan?" fragte ich den Arzt, während ich mich hin setzte.
     „Was glauben Sie denn?" fragte er während er meine Wunde genauer betrachtete und anfing zu nähen.
Ich zögerte.
     „Ich denke das er ein guter Mensch ist." sagte ich.
     „Jeder Mensch hat zwei Seiten, auch Negan." sagte er.
Der Arzt legte mir ein paar Verbände hin und Desinfektionsmittel zu Reinigung.
Die Tür öffnete sich und Negan lehnte sich am Türrahmen an und wartete.
     „Ihre Wunde ist soweit sauber, die Männer haben sich gut um Sie gekümmert. Ich gebe Ihnen das hier mit, bitte wechseln Sie ihr Verband regelmäßig und reinigen Sie es. Strengen Sie sich nicht zu sehr an, sonst geht die Wunder wieder auf."
     „In Ordnung, danke." sagte ich und lächelte dem Arzt zu.
Negan nahm das ganze Zeug und half mir aufzustehen.
Er stützte mich die ganze Zeit beim laufen und fragte mich, ob er mich nicht doch tragen sollte, aber ich lehnte ab, er hat schon so viel für mich getan.
Wir kamen im Zimmer an, wo Negan mir meine Jacke ab nahm und Sie in eine Ecke legte.
Ich setzte mich auf's Bett und verschnaufte kurz, das Laufen war doch anstrengender als ich gedacht habe.
Negan verschwand ins Bad, ließ aber die Tür offen.
Vermutlich bereitete er alles vor, damit ich keine Probleme beim duschen hatte, ich sollte dabei aufpassen dass nicht zu viel Wasser auf meine Wunde kam, aber ich wollte dringend das ganze Blut an meinem Körper los werden.
Das Wasser ließ er laufen und ein Handtuch hatte er mir auch schon hingelegt.
Ich war traurig. Ich konnte nicht aufhören an diese Frauen zu denken und daran was Sie wohl mit mir gemacht hätten, wenn Negan mich Ihnen übergeben hätte.
Ich war total in meinen Gedanken vertieft, kniff meine Fäuste zusammen und starrte ins Leere.
Ich bemerkte gar nicht, dass Negan die ganze Zeit im Türrahmen stand und mich beobachtete.
     „Jesse ...?" sagte er ruhig und schaute mich bemitleidenswert an.
Ich konnte nicht reagieren, ich war voller Gedanken und wusste nicht wie ich mich verhalten sollte, obwohl ich wusste, dass es den Frauen und Kindern schlecht ging.
Negan kam zu mir und setzte sich neben mich, er blickte auf seine zusammengeschlossenen Hände.
     „An was denkst du?" fragte er sanft.
Ich schüttelte den Kopf, weil ich nicht wusste wie ich am besten ausdrücken sollte, an was ich gerade dachte.
     „Komm ich helf' dir, das Blut von dir muss runter." sagte er fürsorglich.
Wir standen auf und gingen ins Bad.
Die Gedanken hörten nicht auf und plötzlich gingen mir auch Bilder von Finnley in meinem Kopf durch. Mir ging alles durch den Kopf. Mein bisheriges Leben, wie viele Menschen ich sterben sehen hab und wie viele es noch werden, das machte mir Angst.
Diese Welt wird sich in den nächsten Jahren nicht so schnell ändern. So schnell, kann der Virus nicht aufgehalten oder geheilt werden. Es wird noch eine Weile so bleiben, vielleicht sogar für immer. Vielleicht wird sogar eines tagen die Basis der Saviors angegriffen. Ich bin mir gar nicht so sicher, ob die Beißer oder die Menschen die Feinde sind.
Ich war so vertieft in so vielen Gedanken auf einmal.
Ich ging in die Dusche.
     „Jesse ..." seine Stimme wurde ruhiger und irgendwie verzweifelt.
Ich reagierte nicht.
Negan seufzte. Ich hatte meine Klamotten noch an und starte runter zu meinen Schuhen.
Ich wollte nicht wieder anfangen zu weinen, aber dennoch musste ich es mir verkneifen. Was macht diese Welt aus uns Menschen?
Ich schaute verzweifelt auf meine Sachen und überlegte einen Moment, ob ich Sie mir ausziehen sollte, aber aus irgendeinem Grund waren meine Arme komplett starr.
Negan sagte nichts und kam ebenfalls mit seinen Klamotten in die Dusche.
     „Jesse." flüsterte er.
Er stellte sich ganz dicht zu mir und unsere Klamotten waren komplett durchnässt.
Ich reagierte immer noch nicht, bemerkte gar nicht richtig, dass er direkt vor mir stand.
     „Hey." flüsterte er noch einmal.
Ich schaute ihn an und blickte in ein besorgtes Gesicht.
Ich beruhigte mich etwas und konnte wieder tief einatmen.
Negan öffnete meine Jacke und zog Sie mir langsam und vorsichtig aus, dabei prüfte er immer wieder meinen Blick.
Rot. Es war tiefrot. Sein Herz war rot.

Er schmiss die Jacke vorsichtig in die Ecke, der Dusche.
Dann starrte er auf mein Shirt, unter welches mein Verband war. Er überlegte eine Weile wie er das am besten anstellte, ohne mir weh zu tun, da ich immer noch nicht richtig reaktionsfähig war. Ich realisierte kaum noch etwas, nur das ich mich wohl und sicher fühlte, jetzt wo er hier war.
Er nahm das Ende meines Shirts und zog es vorsichtig über das Verband und über meinen Kopf.
Das Verband war rot. Wir müssten es wieder wechseln.
Auch das Shirt schmiss er in die Ecke. Er dachte gar nicht erst daran meinen Körper zu betrachten, er starrte lediglich in meine Augen und auf meinen Verband.
Er entblößte den Rest meines Körpers und wusch mir das Blut von meinen Armen, meinen Haaren und mein Gesicht.
Seine Berührungen waren so sanft, dass ich sie kaum spürte.
Seine Hand berührte nun mein Gesicht und für einen kurzen Moment war ich wieder komplett anwesend. Ich konnte mich immer noch nicht richtig Bewegen, aber mein Gesicht entspannte sich.
Er wischte mit seinem Daumen Blut von meiner Wange.
     „Warum tust du das?" sagte ich so leise und sanft, dass ich schon fast flüsterte.
Er schaute mir für einen Moment in die Augen und verfing sich darin.
Seine Bewegungen mit seiner Hand verwandelten sich von einem sanften Wischen in ein sanftes streicheln.
     „Ich hab dir doch gesagt, ich pass auf dich auf."
Er stellte die Dusche ab und wollte gehen um das Handtuch zu holen, aber ich krallte mich an seine schwarze Lederjacke.
Er blieb stehen.
Von seinem Gesicht tropfte Wasser auf meine Arme.
     „Es tut mir Leid." sagte ich sehr leise.
     „Ich habe einen Moment lang geglaubt du seist der Böse." fügte ich hinzu.
     „Dabei habe ich noch nie jemanden wie dich getroffen ... du bist der Gute." sagte ich.
Er sah immer noch besorgt aus und war selbst noch voller Blut.
In seinem Gesicht waren überall Spritzer, die er bekommen hat, als er mit Lucille auf den Anführer eingeschlagen hat.
     „Jesse ..." flüsterte er leise und blickte mir tief in die Augen.
     „Ich töte Menschen. Ich töte unschuldige Menschen."
     „Sie waren nicht unschuldig." sagte ich.
Vielleicht waren andere unschuldig, die er getötet hat, aber diese waren es nicht. Er hat heute diejenigen getötet, die es verdient haben zu sterben.
Negan nahm meine Hand, zog mich aus der Dusche raus und legte mir das Handtuch um.
Er hatte immer noch Blut an sich zu kleben, aber ihn kümmerte es nicht.
Negan ging wieder in den Raum nebenan, ließ aber die Tür etwas offen, sodass er mich die ganze Zeit hören konnte. Vorher hatte er mir ein paar Klamotten hingelegt. Diesmal waren es keine von Ihm. Vermutlich hat er irgendwo Frauen-Klamotten besorgt, dass ich nicht mehr ständig in Klamotten rum laufen muss, die mir viel zu groß waren.
Als ich fertig angekleidet war, ging ich in das Zimmer nebenan.
     „Wir müssen deinen Verband wechseln." sagte er und hatte bereits den nächsten Verband auf das Bett gelegt
Ich nickte und setzte mich.
Er hockte sich vor mich hin und öffnete die Verbands-Packung mit seinen Zähnen.
Er zog mein T-Shit etwas nach oben, welches ich fest hielt. Er nahm den alten Verband ab und wechselte es.
Als er fertig war machte er mein T-Shirt wieder nach unten.
     „Leg dich hin, ich geh erst einmal duschen."
     „Okay."

Rot oder Schwarz?Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt