9. Kapitel

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Ich wurde geweckt von einem Geräusch, das mir das Gefühl gab zu Hause zu sein. Es war der Regen der gegen das Fenster prasselte.
Ich hatte das schon so lange nicht mehr gehört, seitdem der Virus ausgebrochen ist eigentlich gar nicht mehr. Es regnete zwar in dieser Zeit schon öfters, jedoch lag ich da nicht in einem Raum mit Bett und einem Fenster, dass nicht kaputt ist.
Für einen kurzen Augenblick erinnerte ich mich wieder an alles, dachte aber nicht weiter drüber nach.
Ich setzte mich hin und rieb mir die Augen. Es war ziemlich anstrengend sich hinzusetzen, denn meine Wunder brannte immer noch, aber es war auszuhalten.
Negan war nicht hier, aber das Bett neben mir sah unordentlich aus. Hatte er die Nacht über hier geschlafen?
Es lagen wieder ein paar Klamotten da, sogar eine Regenjacke.
Ich zog mich an, machte das Bett ordentlich und ging raus, was anstrengender war als ich erwartet hatte. Ich war ziemlich langsam und schnell aus der puste.
Alle waren wieder an ihrer Arbeit, von dem Regen ließ sich keiner aufhalten.
     „Jesse, du bist wach." sagte eine männliche Stimme die den Gang entlang zu mir kam.
Es war Negan, er kam zu mir und hatte ein sanftes lächeln im Gesicht.
     „Komm ich helf dir. Lass uns ins Zimmer gehen." sagte er und stützte mich.
Er öffnete wieder die Tür und brachte mich zum Bett.
Ohne etwas zu sagen zog er mein T-Shirt etwas nach oben und öffnete meinen Verband.
     „Heilige scheiße, sieht das eklig aus!" sagte er und grinste dabei breit.
Ich wusste nicht wirklich was ich sagen sollte, auf eine gewisse Art und Weise war ich überfordert. Er wechselte den Verband und setzte sich neben mir aufs Bett.
     „Wie geht es dir?" fragte er ruhig.
     „Ich denke ganz gut soweit und dir?"
Er lachte. Offensichtlich wollte er auf etwas anderes hinaus.
     „Du warst gestern extrem fertig, ich wollte nur sicher gehen dass es dir gut geht."
     „Nein ich ... mir geht es gut, aber ..."
Ich sah in seine Augen und überlegte kurz. Die Frauen. Sie sind immer noch dort. Sie sind immer noch in Gefahr, während ich hier mit Negan auf dem Bett sitze und wir uns Unterhalten. Ich kann das nicht auf mir sitzen lassen.
     „... die Frauen sie ..." fing ich an.
Negans Blick ging runter zu seinen Händen.
     „Du willst sie retten?" fragte er. Er wusste die Antwort, aber er wollte es von mir hören.
Ich nickte nur ohne etwas zu sagen.
     „Jesse ... lass uns erst mal die Sache von gestern verarbeiten, lass uns morgen darüber sprechen."
Er hatte zwar recht, aber trotzdem ließ mir das keine Ruhe.
     „Okay, klar, morgen." sagte ich und brachte ein mildes lächeln über meine Lippen.
Negan bestand darauf dass ich den Tag über lieber im Bett bleibe und ein paar alte Filme gucke, er wollte nicht das ich mich mit einer derartigen frischen Wunde überfordere.
Die Filme waren recht langweilig, aber viel mehr als das und schlafen konnte ich an diesem Tag nicht tun.
Es dauerte eine Weile bis ich mich vollkommen erholte und wieder fit war. In der Zeit redete ich mit Negan nicht noch einmal über die andere Gemeinschaft. Er hatte viel zu tun und ich wollte ihm genügend Zeit zum nachdenken geben.
Ein paar Tage vergingen. Bis auf meinen Schmerzen hatte sich nicht viel verändert. Negan war wie immer morgens bereits aus dem Raum, aber diesmal fand ich auf dem Sessel eine Notiz.
Auf dem Zettel stand, dass wir uns unten am Haupteingang treffen würden, sobald ich wach bin. Ob er es sich überlegt hat und wir zu der anderen Gemeinschaft fahren? Ich ließ Ihn nicht lange warten und machte mich sofort auf den Weg dorthin.
Es waren bereits einige seiner Leute versammelt, aber viel zu wenig um die Frauen retten zu können, was mich etwas verwirrte.
     „Da bist du ja!" sagte er mit einem breiten grinsen im Gesicht.
     „Wir gehen heute auf die Jagt." sagte er und gab mir einen Bogen und dazu einen Pfeilköcher mit Pfeilen drinnen.
     „Was?"
     „Der gehört dir, du meintest doch, dass du besser mit Pfeil und Bogen umgehen kannst."
Mich freute das zwar, endlich wieder eine Waffe benutzen zu können, mit der ich umgehen kann, aber ich war etwas enttäuscht, dass wir jagen gehen.
     „Na los." sagte Negan und alle bewegten sich raus aus Sanctuary.
Wir gingen in den Wald und Negan wich mir nicht von der Seite.
     „Wie hast du geschlafen?" fragte er.
Was war das? Er wusste doch ganz genau, was für eine Art von Gespräch ich führen wollte, also warum fing er mit dem Small-Talk-Dreck an?
     „Ganz gut und du?" fragte ich ziemlich emotionslos.
Negan bemerkte das.
     „Was ist los?"
     „Warum gehen wir jagen?" fragte ich und erhoffte mir eine vernünftige Antwort von Ihm.
     „Du hast schon länger nicht mehr gekämpft oder? Außerdem dachte ich es würde dir ganz gut tun ein wenig frische Luft zu schnappen und uns zu begleiten."
     „Ich kann noch ziemlich gut kämpfen."
     „Du hast immer noch eine Wunde, unterschätz' das nicht."
Ich stöhnte leise und war enttäuscht. Was war das? Was sollte das?
Wir liefen eine ganze Weile durch den Wald und allmählich wurde mir bewusst, dass das keine Jagd ist. In diesem Wald lebt nichts mehr. Wenn das wirklich eine Jagd wäre, würden wir uns leiser und langsamer bewegen, aber so würden wir gar nichts erreichen.
Wenn ich in Negans Augen starrte sah ich, dass er wusste was er tat. Er wollte der Situation aus dem Weg gehen, aber dann hätte er mich auch genauso gut im Sanctuary lassen können.
     „Ich glaube nicht das wir hier noch etwas lebendes finden."
Negan sagte nichts, aber er hörte mich ganz genau.
     „Also, was sagst du ... wann fahren wir zu der anderen Gemeinschaft und retten die Frauen?"
Negan fing mitten im Satz an sich mit jemand anderen zu Unterhalten, er wollte dem wirklich aus dem Weg gehen.
Ich wurde sauer und auch die anderen bekamen davon mit.
     „Negan! Sie sterben wenn wir nichts machen."
Es war ruhig, totenstille, aber er reagierte nicht.
Ich blieb stehen.
     „Du hörst mir nicht zu!" sagte ich laut und man sah mir die Enttäuschung an.
Negan drehte sich um und war ganz ruhig. Er wusste, das ich Recht hatte, aber was war es, dass Ihn dazu brachte das ganze zu ignorieren?
Seine Leute drehten sich zu mir um.
     „Ist es dir egal? Geht es darum? Oder hast du einfach nur schiss?" ich wurde immer lauter.
Mich schauten alle schockiert an, sogar Negan. Habe ich gerade so mit ihm gesprochen? Schauen Sie deswegen schockiert? Weil Ihn alle für den bösen halten und er sich selbst auch? Schwachsinn.
Negan's Blick war angespannt, er kam auf mich zu und schaute mich wütend an.
     „Ob ich schiss habe fragst du mich?" er kam noch näher, sodass ich anfing einen Schritt zurück zu gehen, doch viel weiter konnte ich nicht gehen, weil hinter mir ein Baum stand. Vermutlich lockte unser Gebrülle Beißer an, aber darauf konzentrierten wir uns gar nicht. Die anderen hingegen waren irritiert. Sie schauten sich immer wieder um und waren etwas angespannt.
     „Natürlich hab ich das!" setzte er wütend fort.
Sein Gesicht fing an rot zu werden, er war so entsetzt und konnte sich nicht länger zusammen reißen..
     „Weißt du nicht mehr was beim letzten mal passiert ist? Du bist fast gestorben!"
Ich sagte nichts und dachte nach. Ist das alles? Ist es DAS, was ihn davon abhält noch einmal dort mit mir hinzugehen?
Er atmete laut und beruhigte sich langsam, ich habe Ihn noch nie so erlebt.
Er deutete seinen Leuten an, schon vor zu gehen und ohne zu zögern taten Sie es.
Auch ich brauchte eine kurze Zeit um wieder klar denken zu können.
     „Was ist wenn ich dich nicht immer beschützen kann? Was ist wenn du beim nächsten mal nicht mit einer beschissenen Wunde davon kommst? Was ist wenn du stirbst?"
Sein wütender Blick verwandelte sich in einen ängstlichen.
     „Negan ..." sagte ich leise und war überrascht von seiner Antwort.
Er schaute mir in die Augen und wischte sich mit seiner Hand über seinen Mund.
Wir hörten ein knistern. Wir beide wussten sofort was das bedeutete.
Es waren Beißer, Sie waren noch ziemlich weit weg, aber ihr stöhnen war ein Geräusch, an das ich mich nie gewöhnen würde.
Negan drehte sich genervt um und ging auf den Beißer zu. Das war kein großes Ding für ihn. Eigentlich für keinen von uns.
Mit  Lucille, war er gerade dabei den Beißer umzulegen, doch bevor er das tat, zückte ich mein Bogen und schoss den Beißer einen Pfeil durch den Kopf.
Negan drehte sich um und hatte nicht damit gerechnet. Ich hätte genauso gut seinen Kopf treffen können, aber im Bogen schießen war ich ein Naturtalent.
Ich ging zu dem Beißer, der nun reglos auf dem Boden lag und zog den Pfeil aus seinem Schädel.
Dann herrschte für einen kurzen Moment Stille.
Negan schaute die ganze Zeit zu mir runter, während ich einfach nur den Toten betrachtete.
     „Ich hab schiss." sagte er leise.
Ich schaute ihn in die Augen.
     „Ich werde nicht sterben." sagte ich selbstbewusst.
     „Ich hab' das schon einmal erlebt." sagte er.
Was meinte er damit? Wenn ich so darüber nach dachte, habe ich selten mit Negan über seine Vergangenheit gesprochen und das obwohl wir uns jeden Tag sahen. Das war wohl kaum der richtige Moment um nachzufragen.
Ich würde Negan nicht dazu überredet bekommen noch einmal mit mir dorthin zu fahren.

Wir gingen wieder zu der Gruppe und haben nicht mehr miteinander gesprochen. Nicht am Abend und auch nicht am nächsten Tag. Mich überforderte die Situation so sehr, dass ich selbst nicht wusste was ich sagen sollte. Habe ich ihn so sehr damit verärgert, dass er mich nun hasst? Wird er jetzt wieder zu dem Negan, für den Ihn alle halten?
Alles hatte wieder seinen Alltag. Ich arbeitete weiter mit Lucy, erzählte ihr aber nichts davon, doch Sie merkte das etwas nicht stimmte. Negan selbst benahm sich anders und war kaum noch zu sehen, meistens blieb er im Zimmer, welches ich versuchte so gut wie möglich zu vermeiden.

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⏰ Letzte Aktualisierung: Sep 14, 2018 ⏰

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