Kapitel 1

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Phoebe

Ich warte bis die Mannschaft die Kabine verlassen hat, bevor ich aus der Dusche trete. Meine strohblonden Haare hängen nass auf meinen Schultern, aber ich bin zu faul um sie zu föhnen. Als ich gerade meine Schienbeinschoner einpacke, stürmt meine beste Freundin Emely in die Umkleide.

„Das war ein phantastisches Spiel!", ruft sie und fällt mir von hinten um den Hals.

„War es nicht", protestiere ich düster, „Hätte ich den verdammten letzten Freistoß eingelocht, hätten wir gewonnen. Ich kann mich einfach nicht konzentrieren, wenn Harry-"

Ich breche meinen Satz ab, weil Ashton in diesem Moment den Raum betritt.

„Das ist eine Damenumkleide!", rufe ich. Aber Ash lacht nur.

„Also ich sehe hier keine Dame!"

Er und Emely sind seit vier Monaten ein paar, und auch wenn ich ihn am Anfang überhaupt nicht mochte, sind wir inzwischen ein perfektes Dreierteam. Nur über die Sache mit Harry weiß Ashton nicht Bescheid. Harry ist im Abschussjahrgang und der süßeste Junge, den ich je getroffen habe. Leider sehen das neben mir noch ungefähr tausend andere Mädchen so. Und weil wir in der Sportschule sind, ist leider mein sportlicher Körperbau keine Besonderheit, die ich zu seiner Eroberung einsetzen könnte. Den haben nämlich alle hier, da müsste ich schon mit besonderen Leistungen glänzen. Aber stattdessen verschieße ich ja lieber den einfachsten Freistoß der Saison, nur weil Harry auf der Tribüne mich nervös gemacht hat. Ich stöhne peinlich berührt auf und schlage mir mit der flachen Hand gegen die Stirn.

„Hey, Phoebe, es war doch nur ein unentschieden, ihr habt ja nicht verloren!", meldet sich Emely zu Wort. Sie versteht mich einfach nicht, beim Ballet gibt es schließlich kein Unentschieden. Ich wechsle einen Blick mit Ashton, als Schwimmer weiß er wenigstens wie ich mich fühle. Bei den letzten Landesmeisterschaften hat er sich den zweiten Platz mit Josh Stinson geteilt. Weil er bei dem Wettkampf weit unter seiner Bestzeit lag, musste er stundenlanges Gerede der Trainer über sich ergehen lassen. Der Leistungsdruck an unserer Schule ist enorm.

Nur vier meiner Mannschaftskameradinnen sind in meiner Klassenstufe. Wir sind gemeinsam mit den Leichtathleten, Wasserspringern und Handballerinnen in einer Klasse. In Ash's und Emelys Klasse sind außer Ballettänzern und Schwimmern noch Turner, Basketballer und Ruderer.

Ash verabschiedet sich zum Training und Emely geht ins Internat, während ich langsam nachhause schlendere. Das Internat ist nur für Schüler gedacht, die weit entfernt wohnen.

Auf dem Weg denke ich an meinen Bruder. Er ist sechs Jahre älter als ich und wohnt in den USA. Nur durch Michael habe ich überhaupt mit Fußball angefangen, er hat mit mir gekickt kaum konnte ich laufen. Früher sind wir zusammen zum Training gegangen und haben uns gegenseitig bei Spielen angefeuert. Und auch als er mit sechzehn aufgehört hat und zwei Jahre später nach Amerika gegangen ist, habe ich weitergespielt und es sogar bis in die Sportschule geschafft.

Wenn mein Bruder in London ist, schaut er sich immer noch jedes meiner Spiele an. Normalerweise rufe ich ihn auch an, um von Spielen zu erzählen, aber heute habe ich darauf keine Lust. Nur wegen diesen blöden Hormonen habe ich einen Freistoß verschossen. Was Harry jetzt nur von mir denken muss?

Weil ich in der Dusche so lange getrödelt habe, komme ich spät nachhause.

Meine Mutter steht aufgelöst im Wohnzimmer inmitten aller ihrer Klamotten.

„Mam, was soll das?", frage ich sie genervt.

„Ich weiß nicht, was ich heute Abend anziehen soll..."

Heute Abend? Ich versuche mich zu erinnern, was heute für ein Datum ist. Habe ich irgendetwas wichtiges vergessen?

Ich schlage mir mit der flachen Hand gegen die Stirn. Dorffest im Heimatdorf meiner Mutter. Die ganze Familie wird dort sein und Mam hat mir keine Wahl gelassen.

Tequila (Calum Hood)Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt