Kapitel 7

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Besorgt und gleichzeitig Neugierig sieht er zu mir hinüber und direkt in meine dunkelbraunen Augen. "Und was bringt dich, eine reine frohnatur und eigentlich recht fröhliche Person dazu, so etwas zu glauben?" fragt er und ich sehe ihn weiterhin ernst an. "Vielleicht der fakt, dass ich mit sieben in ein Internat abgeschoben wurde, in dem es die Prügelstrafe gab? Dass ich nicht einmal die warme Hand meiner Mutter gespürt habe? Dass mein Vater mich auf den Wissensstand einer 20 Jährigen geprügelt hat? Das ich sie erst Mutter und Vater nennen durfte, als ich meinen Abschluss mit 1,0 gemacht habe? Dass ich nie wirklich Freunde hatte?" Ich sehe nach vorne auf die gegenüberliegende Wand und habe jede einzelne Szene vor mir. "Dass ich wie Vieh an den höchstbietenden als Braut verkauft werden sollte? Kinder bekommen sollte, für die ich nie bereit war? Das ich in einer zwangsehe enden sollte?" Langsam drehe ich meinen Kopf wieder zu Hanzo, der mich nun etwas entsetzt ansieht. Ich zucke mit den schultern. "Such dir einen grund aus... Sollten ja genügend zur verfügung stehen." sage ich und beobachte seine Reaktion. Unverständnis. Wut. Ungläubigkeit. Racheglüste. Und zu guter letzt Mitleid. Ich schüttle energisch den Kopf. "Kein Mitleid! Vergiss es Hanzo! Das ist das letze, was ich brauche!" Überrascht zuckt er kurz zurück, lehnt sich aber wieder zu mir. "Mitleid ist das letzte, was ich dir im moment geben könnte! Aber langsam verstehe ich dich..." gibt er von sich und ich lasse die Zunge schnalzen. "Wenn du glaubst, so viel zu verstehen wie jeder andere der glaubt, mich zu kennen... Dann wirst du mich nie auch nur im geringsten verstehen! Du wirst immer auf der stelle treten weil ich dich sehen lasse, was du willst! Weißt du wieso ich so gut in diesen Dingen geworden bin? Ausreden suchen? Umschreibungen finden? Ehrlichkeit von Lüge unterscheiden? Die kleinste Lücke in Argumenten finden, durch die ich schlüpfen und so verschwinden kann?" Ich rede mich in rage und richte mich auf. Setze mich auf meinen Gips und ignoriere die stechenden Schmerzen in meinem Knöchel! "Weil das der einzigste weg war, um mich selbst zu retten! Um mich aus allem heraus zu winden! Jeder hat auf mich eingehakt wie ein verrückter! Wollte dies und das von mir! Hat mich ausgenutzt von vorn bis hinten! Niemand hat für mich eingestanden, wenn ich ihn gebraucht hätte! Alles musste ich alleine machen! Selbstständigkeit! Daraufhin hat mich meine Mutter gedrillt!" Ich atme schneller als gewollt und bin jetzt echt sauer. Meine Hände sind zu Fäusten geballt und ich presse meine Kiefer nun kräftig aufeinander. Mit aller macht versuche ich, aufzustehen! Doch ich werde von Hanzo wieder auf den Boden gedrückt. Er ist verdammt still geworden und hat seine Augen geschlossen. Wütend starre ich ihn an und warte irgendwie auf eine Antwort! "Und diese fröhlichkeit ist das einzige, was dich am durchdrehen hindert. Stimmts?" Ich werde langsam ruhig und entspanne mich. Die wut fällt langsam von mir ab, wie Herbstblätter von einem Baum. Ich sinke in mich zusammen und schlinge die Arme um meine Beine. Mein Blick gerade aus. "Vielleicht..." flüstere ich und verliere mich in meiner eigenen Gedankenwelt. Drifte in die unheilvolle Zeit von früher ab. In die Zeit, in der ich nicht einmal menschliche berührungen bekam. In die Zeit, in der ich im internat war. Bis zu meinem 18. Lebensjahr war ich dort 'untergestellt'. Meine Eltern sah ich an Ostern, Weihnachten und an meinem Geburtstag. Also genau dreimal pro Jahr. Am anfang war es die hölle! "Aber nach ein paar Jahren gewöhnt man sich an die einsamkeit. Daran, dass niemand einen wahrnimmt und man nur gut genug für Leistung ist..." murmle ich und merke gar nicht, wie ich das laut ausspreche!

Plötzlich spüre ich einen Arm um mich und ich werde nach rechts gedrückt! Überrascht verkrampfe ich mich und finde mich in einer tröstenden Umarmung wieder! Ich liege seitlich auf Hanzo's Schoß und werde sanft, aber doch bestimmt, auf ihn gedrückt! "Hanzo! Was soll das?" frage ich verdutzt, bekomme aber zunächst keine Antwort. Still sitzt er da und hat seine große Hand auf meinem linken Oberarm gelegt. Die punktuelle Wärme tut gut und ich entspanne mich wieder. "Einsam sollte eine Person wie du nicht sein." unterbricht er das schweigen und ich drehe mich auf den Rücken. Ernst sehe ich ihn von unten an und spüre seine Hand, die nun auf meinem Bauch liegt. "Eine Person wie ich wird immer einsam sein. Die eigenschaften die ich mir aneignen musste, um mich durchzuschlagen, schrecken nun alle ab. Wer bleibt freiwillig bei jemanden, der dir das Wort im mund umdrehen und gegen dich verwenden kann? Der die kleinsten Schlupflöcher findet und somit aus allen Argumentationen und Anweisungen fliehen kann? Jemand, der niemanden an sich ranlässt?" Doch Hanzo seufzt nur und schüttelt den Kopf. "Ich weiß, dass niemanden jemanden haben will, der so ein niedriges Selbstbewusstsein hat wie du!" gibt er von sich und sieht dann zu mir hinunter. Seine strähne baumelt ein wenig hin und her und sein Blick ist streng. Die grau melierten seitenhaare sind trotz des alters nicht schlecht! Ich sehe an die Decke des Ganges. "Weißt du wie egal mir das geworden ist? Mir ist echt egal geworden wie Leute über mich denken. Ob sie mich mögen oder nicht. Ob sie interesse zeigen oder nicht." ich zucke mit den Schultern. "Wie gesagt. Man lernt, mit der einsamkeit umzugehen. Sich mit ihr sogar zu verbinden! Sie wird dein einziger Freund." Hanzo seufzt und schnippst dann genervt an meine Nase. "Du bist echt unglaublich du kleines Gör!" schnaubt er und ich drehe langsam meinen Kopf zu ihm. "Hast du was gesagt du alter knacker?" knurre ich und er zieht beide Augenbrauen hoch. "Wie bitte?" erwiedert er und ich richte mich auf. Seine Hand geht von meinem Bauch und er verfolgt meine Bewegung mit seinen Augen. "Was hast du vor kleine?" fragt er und ich stehe wackelig auf. "Nach was sieht's denn aus? Ich hab dich gewarnt!" ich verschränke meine Arme und sehe auf ihn hinab. "Ausser du hast es schon an den Ohren!" Mit diesen Worten humpele ich lauter als gewollt davon, weil der beschissene Gips so laut auf dem Boden tacken muss! Kleines Gör?! Was bildet der dich eigentlich ein! Ich habe ihm mein Herz ausgeschüttet und dafür das?! Tch! Jetzt weiß ich, dass ich WIRKLICH niemanden vertrauen kann! Ich höre nur ein Kleidergeraschel und dann eine Hand auf meiner linken Schulter. "Kleine. Bleib stehen! Du sollst nicht so viel laufen! Eigentlich sollst du überhaupt NICHT laufen!" Etwas wiederwillig bleibe ich stehen und sehe ihn aus dem Augenwinkel an. "Was soll ich sonst tun? Junkrat hat ja netterweise den verdammt stabilen Metallrollstuhl, in dem ich vor einer sekunde noch saß, mit einem stacheligen Reifen plattgewalzt!" entgegne ich leicht angefressen und er seufzt. "Dann lass mich dich tragen. Dann gibt es auch endlich was zu essen!" Ich verdrehe die Augen. Muss aber zugeben, dass ich ziemlichen Hunger hab! Wortlos geht er vor mich, dreht den Rücken zu mir und kniet sich hin. Zögerlich lasse ich mich auf seinen breiten Rücken sinken und lege meine Arme um seinen Hals. Vorsichtig nimmt er meine Beine und steht auf. "Also dann! Ab in die Küche! Ich mach dir sushi!" Ich lege meinen Kopf an seinen und brumme nicht erfreut. "Muss das sein...?" frage ich und er nickt. "Fisch ist gesund! Und reis hilft dir auf die Beine!" sagt er zufrieden und ich schließe meine Augen. "Ich hasse Fisch..."

HanzoWo Geschichten leben. Entdecke jetzt