Kapitel 9

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Grummelnd geht er hinter die Theke, die gleichzeitig die Küche ist und macht sich an's Werk. "Ich mach dir trotzdem Sushi!" Bevor ich protestieren kann hebt er einen Finger und sieht mich ernst an. "Erst probieren und DANN sagen, dass es nicht schmeckt!" Genervt stöhnend drehe ich mich nach vorne und lege meinen Kopf auf das Holzbrett. "Und du bist extrem stur. Hat dir das schonmal jemand gesagt?" brumme ich und er lächelt. "Schon mehrmalig. Und jetzt sei still. Das essen ist bald fertig!" Ich ziehe beide Augenbrauen hoch und sehe ihn an. "Du hast noch nicht einmal angefangen..." weise ich ihn auf das offensichtliche hin und er holt Messer, komische Bambusmatten, Löffel, Reisessig, Reis und noch einiges anderes heraus. Gelangweilt sehe ich ihm zu und langsam werde ich müde. Wie Hanzo arbeitet, so sicher und zielstrebig, ist es irgendwie hypnotisierend und meine Augenlider fallen mir zu. Ebenso das monotone dahin kruschen von Werkzeugen und dem kratzen von Messern ist es, als würden sie mich langsam in's Traumland begleiten.

"Kleine... Wach auf...!" flüstert mir jemand sanft in mein rechtes Ohr und ich werde aus meinem schlaf geholt. Langsam öffne ich die Augen und sehe Hanzo, der ganz nah an meinem Gesicht steht und mich leicht lächelnd ansieht. "Guten morgen du kleine schlafmütze...!" flüstert er und streicht mir durch meine Haare. Ich sehe ihn mit halb offenen Augen an und muss ersteinmal richtig wach werden! Ich gähne und richte mich dann langsam auf. Der braunhaarige nimmt seine Hand von meinem Kopf und beobachtet mich amüsiert. "Hätte ich dich schlafen lassen sollen?" fragt er und verschränkt die Arme. Ich nicke leicht und reibe mir meine Augen. Hanzo seufzt und geht dann hinter mich. Immer wieder gähne ich und versuche, wach zu werden und mein Hirn langsam aber sicher mal in schwung zu bringen! "Na komm..." meint er und hebt mich im Braut-style hoch. "Ich bring dich in mein Bett. Das Krankenzimmer ist ja ein bischen... demoliert. Da schläfst du ganz sicher nicht mehr!" sagt er entschlossen und ich kuschle mich an seine Brust. Ich schließe meine Augen wieder und spüre seine Hände unter meinem Rücken und in meinen Kniekehlen. Sein Herzschlag und die Wärme. Die ruhe die er ausstrahlt. Hanzo kichert und ich kann die vibrationen spüren. "Holst du gerade den ganzen Körperkontakt nach, den du all die Jahre nicht bekommen hast?" Etwas empört öffne ich die Augen und strecke ihm die Zunge raus. Kurz stockt er. Doch dann lacht er laut los und grinst mich an. "Das war kein Nein! Also nehme ich das als ja!" Ich fange kurz an zu lächeln. "Wer von uns beiden hat sich nochmal alles erquatscht, DEINER Meinung nach...?" frage ich leise und bekomme dafür einen schon fast zärtlichen Blick des großen Mannes. "Es war ja nur eine vermutung kleine! Du kannst schließlich alles in's Gegenteil umkehren!" antwortet er amüsiert und ich zucke zusammen. "Das..." fange ich an und sehe dann von ihm weg. Ein schlechtes Gefühl breitet sich in mir aus. "Kleine! Sieh mich an!" meint Hanzo plötzlich und wiederwillig drehe ich meinen Kopf zu ihm. Sein Gesichtsausdruck ist ernst. "Das ist nicht schlimm okay? Nichts daran ist falsch! Du hast diese Fähigkeit vielleicht unfreiwillig erworben. Aber sie kann auch viel gutes bewirken!" Ich runzle meine Stirn. "Wie soll DASS denn bitte irgendjemandem ausser mir helfen? Es ist eine ziemlich selbstsüchtige Fähigkeit wenn man es so sehen will! Niemandem ist damit geholfen..." eine leichte Wut steigt in mir auf. Wut auf meine Eltern. Wut auf das Internat. Aber hauptsächlich Wut auf mich! Denn ICH habe mir diese Fähigkeit angeeignet. ICH habe sie benutzt und für mich selbst zur perfektion gebracht! ICH habe sie für meine Zwecke genutzt. Doch Hanzo schüttelt nur leicht verzweifelt den Kopf. "Mensch Mädchen! Du hast diese Kunst, wie ich sie ab netzt nenne, zum überleben gebraucht! NATÜRLICH ist es nicht eine der besten die es gibt! Aber trotzdem kannst du was damit anfangen! Gib dir einen ruck und denk positiv darüber!" Nachdenklich sehe ich auf meine Hände und lege meinen Kopf an seine Brust. "Positiv denken..." murmle ich vor mich hin und Hanzo bleibt kurz stehen, um eine tür zu öffnen. Das schafft er auch, trägt mich in ein Zimmer und schließt die Tür wieder. Durch den Gips, den ich immer noch an meinem Fuß habe und der auch noch einige wochen drannbleiben muss, ist alleine das hereintragen meiner Person schon eine umständliche Sache. "Das hier ist mein Zimmer. Du wirst hier ersteinmal schlafen!" Neugierig sehe ich mich um. Es ist typisch japanisch. Eher funktionell als charaktertypisch! Die schränke sind dunkelbraun und geben eine schöne Farbkombination mit dem hellen Boden. Dann runzle ich die stirn. "Ich will ja nicht unhöflich sein aber..." Ich sehe zu ihm hoch. "Wo ist das Bett?" Ein amüsierter Gesichtsausdruck kommt auf und er deutet mit dem Kinn zu einer am Boden liegenden Decke. "Das ist mein Bett. Sag bloss, soetwas kennst du nicht?!" fragt er ein wenig undgläubig und ich schüttle den Kopf.  "Ich bin mit keiner einzigen Kultur in berührung gekommen ausser meiner. Das wären die weiterführenden Kurse gewesen, für die ich mich hätte entscheiden müssen um weiter zu studieren!" erkläre ich und er schüttelt den Kopf. "Dein Volk ist ja ziemlich Leistungsbezogen!" meint Hanzo und ich nicke. Er hingegen seufzt, zueht sich die Schuhe aus und geht dann zu der am Boden liegenden Decke. "Also. Das nennt man Futon. Das ist ein typisch japanisches Bett! Das Kopfkissen nennt man Makura! Sie sind ziemlich gemütlich, wenn man sich an sie gewöhnt hat!" Vorsichtig kniet er sich hin und legt mich auf das Futon. Es ist überraschend weich! Verdutzt bleibe ich ersteinmal sitzen, während Hanzo sich neben den Futon setzt. Er hockt auf seinen Fersen und ich ziehe fragend eine Augenbraue hoch. "Das ist der Seiza. Einer der beiden Sitzarten Japans! Beim Seiza sitzt man wie ich jetzt auf den Fersen und legt die Hände flach auf die Oberschenkel. Dann gibt es noch den Aguda. Das ist der Schneidersitz, der aber meist Männern vorbehalten ist!" Ich schnaube ein wenig empört und lege mich dann auf den Rücken. "Dann werde ich wohl nur in diesem Aguda dasitzen! Alleine um diese Regel zu brechen!" Hanzo fängt an zu lachen und deckt mich zu. "Ich dachte du brichst keine Regeln, sondern umgehst sie geschickt!" meint er und ich drehe mich zu ihm. Ein müdes grinsen erscheint auf meinen Lippen. "Ich will auch manchmal das böse Mädchen sein... Wenn auch nur hin und wieder!" entgegne ich und lächelnd streicht er mir durch die Haare. Genüßlich schließe ich die Augen und entspanne mich unter seinem monotonen berühren. Als er plötzlich aufhört, greife ich automatisch nach seiner Hand und halte diese Fest! "Kleine...?" fragt er überrascht, zieht die Hand aber nicht weg. Ich öffne die Augen und merke, wie sich eine leichte röte auf meinem Gesicht ausbreitet. Stumm ziehe ich die Hand zu meinem Gesicht. Er folgt und lehnt sich immer weiter nach vorn. Ich lege seine Hand unter meinen Kopf und lege diesen dann darauf. Hanzo sieht mich verdutzt und überrascht an! Doch dann lächelt er. "Du weißt schon, dass ich so verdreht nicht wirklich die ganze Zeit sitzen kann oder?" flüstert er und ich gähne nur. Er lacht kurz und legt sich dann neben mich. "Wenn du schon meine Hand für dich beanspruchst, kann ich mich wenigstens hinlegen!" meint er und macht es sich gemütlich. Der braunhaarige schlüpft unter die Decke und rückt sie auch bei mir noch einmal zurecht. Wir sehen uns eine weile an und er fängt an, langsam mit seinem Daumen meine Wange zu streichen. Langsam fallen mir die Augen zu. "Schlaf gut kleine...!" sind die letzten worte, die ich noch mitbekomme.

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