Große schmerzen.

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Ein paar Wochen sind vergangen, seit du und Sev euch nähergekommen seid. Ihr habt viel Zeit miteinander verbracht, seid zusammen ins Kino gegangen, habt gemeinsam gelernt und euch immer besser kennengelernt. Deine Gefühle für ihn sind nur stärker geworden, und du hast das Gefühl, endlich jemanden gefunden zu haben, bei dem du dich ganz du selbst fühlen kannst.

Es ist ein sonniger Nachmittag, als ihr beschließt, nach der Schule gemeinsam in den nahegelegenen Park zu gehen. Ihr lauft Hand in Hand, lacht über eine lustige Geschichte, die Sev erzählt, und du denkst, dass nichts diesen Moment zerstören könnte. Alles fühlt sich so perfekt an, fast wie in einem Traum.

Doch dann spürst du plötzlich eine Gänsehaut auf deinen Armen. Eine unangenehme Spannung liegt in der Luft, und du merkst, wie Sev neben dir inne hält. Als du seinen besorgten Gesichtsausdruck siehst, drehst du dich um – und dein Herz setzt für einen Moment aus.

Chun und seine Gang stehen ein paar Meter entfernt und starren euch mit kaltem, berechnendem Blick an. „Na, wen haben wir denn da?", höhnt Chun, während er langsam auf euch zukommt. „Der kleine Held und seine Prinzessin."

Du fühlst, wie sich Angst in dir ausbreitet, aber du versuchst, sie zu unterdrücken. „Lasst uns einfach in Ruhe, Chun", sagst du mit zitternder Stimme. „Wir wollen keinen Ärger."

„Zu spät", zischt Chun, seine Augen funkeln böse. „Ihr habt uns letzte Woche ganz schön bloßgestellt. Dafür werdet ihr bezahlen."

Bevor du reagieren kannst, stürmen die Jungs auf euch zu. Sev schiebt dich hinter sich und versucht, einen von ihnen abzuwehren, aber es sind einfach zu viele. Einer von ihnen schlägt Sev in den Magen, und er keucht auf, taumelt zurück. „Lauf, Leyla!", ruft er, doch du kannst dich nicht rühren.

„Nein, ich lasse dich nicht allein!", schreist du, und dein Herz rast vor Angst. Du siehst, wie Chun auf dich zukommt, seine Fäuste geballt. Du hebst instinktiv die Arme, aber es nützt nichts. Er schlägt dir ins Gesicht, und du fällst zu Boden, dein Kopf prallt hart auf den Asphalt.

Du hörst, wie Sev deinen Namen ruft, doch alles ist verschwommen. Die Schläge und Tritte, die folgen, scheinen aus einer anderen Welt zu kommen. Du versuchst, dich zu schützen, dich zu wehren, aber die Schmerzen sind unerträglich. Die Welt um dich herum verschwimmt, und alles wird dunkel.

Du blinzelst gegen das grelle Licht des Krankenhauszimmers und versuchst, deine Gedanken zu ordnen. Alles tut weh, und du fühlst dich, als würdest du unter einem schweren Nebel schwimmen. Du spürst die Schienen um deinen Arm und die Enge des Verbands um deinen Kopf. Vorsichtig drehst du den Kopf zur Seite, in der Hoffnung, Sev neben dir zu sehen, doch sein Bett ist leer.

Panik breitet sich in dir aus, und du versuchst dich aufzusetzen, doch ein stechender Schmerz in deiner Seite zwingt dich zurück auf die Matratze. Eine Krankenschwester eilt herbei, legt beruhigend eine Hand auf deine Schulter. „Ganz ruhig, Leyla. Du musst dich schonen."

„Wo... wo ist Sev?", fragst du schwach, deine Stimme zittert vor Angst. „Geht es ihm gut?"

Die Krankenschwester sieht dich mitfühlend an, und in ihrem Blick liegt etwas, das dir die Kehle zuschnürt. „Er ist auf der Intensivstation", sagt sie leise. „Er hat schwere Kopfverletzungen erlitten und liegt im Koma."

Die Worte treffen dich wie ein Schlag in die Magengrube. Ein Koma. Das Wort hallt in deinem Kopf wider, während du versuchst, es zu begreifen. Tränen steigen in deine Augen, und du beißt dir auf die Lippe, um nicht laut aufzuschluchzen. „Wie schlimm ist es?", flüsterst du schließlich, deine Stimme kaum mehr als ein Hauch.

„Es ist schwer zu sagen", antwortet die Krankenschwester sanft. „Die Ärzte tun alles, was sie können. Aber jetzt ist Geduld gefragt."

Du nickst mechanisch, unfähig, etwas zu sagen. Der Schmerz in deinem Körper wird von einem viel tieferen Schmerz überlagert – der Angst um Sev. Du hattest gehofft, dass ihr beide das überstanden hättet, dass ihr stark genug wärt, um diese schlimme Erfahrung hinter euch zu lassen. Doch jetzt liegt er da, ohne dass du ihm helfen kannst.

In den folgenden Tagen bewegt sich dein Leben in einem seltsamen Schwebezustand. Deine eigenen Wunden heilen langsam, doch dein Herz bleibt schwer. Du verbringst Stunden damit, am Fenster zu sitzen und in den Hof des Krankenhauses zu starren, ohne wirklich etwas zu sehen. Deine Gedanken sind immer bei Sev, und die Sorge um ihn frisst dich auf.

Es dauert eine gefühlte Ewigkeit, bis du endlich genug Kraft gesammelt hast, um ihn zu besuchen. Als die Krankenschwester dich in einen Rollstuhl setzt und dich zur Intensivstation schiebt, pocht dein Herz so laut, dass es in deinen Ohren dröhnt. Du fühlst dich wie in einem Alptraum, aus dem du nicht erwachen kannst.

Als ihr schließlich an seinem Zimmer ankommt, hältst du den Atem an. Durch die Glasscheibe siehst du Sev im Bett liegen, umgeben von Maschinen, die seine Lebenszeichen überwachen. Sein Gesicht ist blass, fast geisterhaft, und ein Verband verdeckt einen Teil seines Kopfes. Er sieht so friedlich aus, und doch so erschreckend zerbrechlich.

„Du kannst reingehen", sagt die Krankenschwester leise, und du nickst stumm. Mit zitternden Händen öffnest du die Tür und rollst dich langsam zu ihm.

Jeder Atemzug fällt dir schwer, während du seine Hand nimmst. Sie fühlt sich warm an, doch sie erwidert deinen Druck nicht. „Sev...", flüsterst du, und eine Träne läuft über deine Wange. „Bitte wach auf. Ich brauche dich. Bitte..."

Du sitzt stundenlang an seinem Bett, redest leise mit ihm, obwohl du nicht weißt, ob er dich hören kann. Du erzählst ihm von der Schule, von Selina und von all den kleinen Dingen, die in deinem Kopf herumschwirren. Alles, um nur das Schweigen zu füllen, um irgendwie die Angst zu vertreiben.

„Ich weiß, du bist stark", sagst du schließlich und streichst sanft über seinen Arm. „Du hast mich beschützt, und jetzt werde ich hier sein, um dich zu beschützen. Also kämpfe, Sev. Bitte kämpfe."

Doch die Tage vergehen, und Sev bleibt regungslos. Die Ärzte sagen, es sei ungewiss, wann oder ob er wieder aufwachen wird. Es ist, als würde ein Messer langsam durch dein Herz gezogen, jeden Tag ein Stück tiefer. Du versuchst, die Hoffnung nicht zu verlieren, versuchst, stark zu bleiben, doch die Ungewissheit ist unerträglich.

Eines Nachmittags, als du wie immer an seinem Bett sitzt, klopft es leise an der Tür. Selina tritt ein, ihr Gesicht ist ernst, aber voller Mitgefühl. Sie setzt sich neben dich und legt einen Arm um deine Schultern.

„Du siehst erschöpft aus", sagt sie sanft. „Du musst auf dich aufpassen, Leyla."

Du schüttelst den Kopf. „Ich kann nicht einfach weggehen, Selina. Was, wenn er aufwacht und ich nicht da bin?"

„Leyla..." Selina seufzt und drückt deine Hand. „Ich verstehe, wie schwer das für dich ist. Aber Sev würde nicht wollen, dass du dich selbst dabei kaputtmachst. Du kannst hier sein, aber du musst auch an dich denken."

Du weißt, dass sie recht hat, doch der Gedanke, Sev auch nur für einen Moment allein zu lassen, zerreißt dich innerlich. „Ich liebe ihn, Seli", flüsterst du. „Ich kann mir nicht vorstellen, ohne ihn weiterzumachen."

„Er wird zurückkommen", sagt Selina entschlossen. „Du musst nur an ihn glauben, so wie er an dich glaubt."

Ihr sitzt eine Weile schweigend nebeneinander, bis Selina schließlich aufsteht. „Ich werde morgen wiederkommen, okay? Und ich bringe dir etwas Richtiges zu essen mit."

Du nickst und versuchst, zu lächeln. „Danke, Selina."

Als sie geht, bist du wieder allein mit Sev. Du beugst dich vor, deine Stirn berührt sanft seine Hand. „Ich werde auf dich warten", flüsterst du, deine Stimme bricht unter der Last deiner Gefühle. „So lange es dauert, ich werde hier sein, Sev. Also bitte, wach auf. Ich brauche dich. Ich liebe dich."

Die Tage vergehen, und du verlierst dich in der Routine des Wartens. Du redest mit ihm, liest ihm vor, hältst seine Hand und hoffst auf ein Zeichen, auf irgendetwas, das dir zeigt, dass er noch da ist, dass er kämpft.

Ich glaube, ich bin verliebt!Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt