11. Kapitel

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Ben hielt wie von mir auch erwartet Wort und kam bereits nach zwanzig Minuten in schnellen, langen Schritten wieder auf mich zu. Er fiel mit seiner beachtlichen Körpergröße und seiner Aufmachung hier drinnen definitiv auf und war nicht zu übersehen. Ich hatte mich zwischenzeitlich wieder unter Kontrolle gebracht, hatte mich zwar wie ich ihm auch versprochen hatte nicht von der Stelle bewegt, aber dennoch weiter umgesehen. Trotz allem wollte ich aber definitiv wieder zurück ins Hotel, damit ich mich nicht noch weiter vor Benedict blamieren konnte, auch wenn ich gerne noch viel mehr über diesen Ort erfahren hätte. Vielleicht zu einem späteren Zeitpunkt.

„Okay, wir können los", sagte Ben, sobald er bei mir angekommen war, legte mir ganz selbstverständlich seine Hand federleicht auf den unteren Rücken und bedeutete mir damit, zum Ausgang zu gehen.

Bis wir das alte Gebäude verlassen hatten, ließ er nicht von mir ab. Erst nachdem uns die eiskalte Luft wieder unbarmherzig in die Kleidung fuhr, nahm er wieder etwas Abstand zu mir und musterte mich eindringlich, ehe er erneut das Wort an mich richtete.

„Geht es dir gut?", fragte er und legte dabei leicht den Kopf schräg, so als ob er damit rechnete, dass ich ihm sowieso nicht die Wahrheit sagen würden. Ben wirkte mehr als skeptisch.

„Ja", erwiderte ich knapp und versteifte mich umgehend, denn ich war in der Tat nicht gewillt, diesen Vorfall weiter auszudehnen oder über den Ursprung des Problems zu reden.

Nachdem Ben mich nur weiterhin nachdenklich ansah, setzte ich mich einfach wieder in Bewegung, damit ich dieser unangenehmen, drückenden Stimmung in der Luft aus dem Weg gehen konnte. Ich erinnerte mich einigermaßen an den Weg, den wir auch schon hergekommen waren. Nicht nur unter meinen Schuhen knirschte der Schnee, der die Straßen auch hier immer noch ziemlich stark bedeckte. Ich hörte, wie sich die Schritte unweit hinter mir – Bens Schritte – immer weiter entfernten, bis ich sie gar nicht mehr hören konnte. Nun doch etwas verunsichert, blieb ich stehen und sah mich stirnrunzelnd nach dem Mann um. Ich konnte nur noch sehen, wie ein weißes etwas auf mich zuflog und mich nur knapp unterhalb des Halses traf.

„Oh, verdammt. Tut mir leid", gestand Benedict, der mitten in der Bewegung – bereits mit neuem Schnee in den Händen – erstarrte, aber trotzdem sein Lachen offensichtlich nur schwer unterdrücken konnte. „Ich habe nicht damit gerechnet, dass du dich in dem Moment zu mir umdrehst."

Ich sagte immer noch kein Wort, sondern starrte ihn nur verwirrt blinzelnd an. So heftig erschrocken hatte ich mich schon lange nicht mehr.

„Han? Hannah?", fragte Benedict besorgt, schluckte schwer und ließ schließlich den Schnee fallen, um ein paar Schritte näher zu kommen. „Sorry, ich dachte eine Schneeballschlacht würde deine Stimmung wieder etwas heben, aber ich habe zu kindisch gedacht oder? Es tut mir leid", entschuldigte sich Ben zum wiederholten Male und sah in diesem Augenblick so aus wie ein kleiner, verspielter Hund mit großen Glubschaugen, dem man gerade sein neues Spielzeug weggenommen hatte.

Er hatte also versuchen wollen, mich aufzuheitern? Dieser Mann. Es dauerte einen kurzen Moment, doch dann beschloss ich auf sein Spiel einzugehen, denn so absurd es mir auch zu erscheinen schien: Das würde definitiv die unangenehme Stille zwischen uns vertreiben und ich hatte eigentlich keine Lust den Tag mit Ben so ausklingen zu lassen. Mit aller Kraft verkniff ich mir ein breites Grinsen.

„So? Eine Schneeballschlacht also, hm?", fragte ich gespielt unbedarft. „Gut, kannst du haben!", rief ich laut, ging dann umgehend in die Hocken und schnappte mir so viel Schnee, wie ich nur in die Finger bekommen konnte.

Noch ehe Benedict richtig verstand, was ich gerade gesagt hatte, hatte ich auch schon meinen ersten Schneeball auf ihn abgefeuert, der ihn an der linken Schulter traf und in tausend Teilen an ihm abperlte. Ich begann fast schon hysterisch zu lachen, ging sofort wieder in die Hocke, um noch mehr Schnee zu fassen zu bekommen und sah mich gleichzeitig bereits nach einer guten Deckung um. Es war mir klar, dass wir uns hier gerade wie Kleinkinder verhielten, aber so etwas Verrücktes hatte ich lange nicht getan und es reizte mich. Ich hatte das Gefühl, dass Benedict genau der Richtige für solche Spielchen war und dabei hatte ich aus welchen Gründen auch immer nicht die Sorge, dass es peinlich werden könnte.

New York Exit // Benedict Cumberbatch FF [abgeschlossen] Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt