6. Kapitel

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Spielte mir mein gänzlich übermüdetes Hirn hier gerade einen schlechten Streich oder hatte ich diese Stimme gerade tatsächlich nicht nur in meinem Kopf gehört? Was zum Teufel wollte er um diese Uhrzeit denn hier? Woher wusste er überhaupt wo mein Büro war?

„Hannah?", fragte der Mann wieder, dieses Mal aber deutlich leiser.

Das war definitiv er, daran gab es keine Zweifel. Als ich mich ruckartig in dem schummrigen Licht im Büro aufsetzte, wurde mir schlagartig schwindelig. Murrend massierte ich mir kurz die Schläfen, stand dann aber trotzdem langsam auf, um die Tür zu öffnen. Ich war so perplex und überrumpelt, dass ich nicht einmal daran gedacht hatte, meinen Blazer wieder überzustreifen und stand nun mit verknitterter Bluse vor ihm. Ich hatte mich kurzerhand dazu entschlossen, in meinen Arbeitsklamotten zu schlafen.

„Mr. Cumberbatch, was machen Sie denn hier?", fragte ich verwundert, sobald ich die Tür zu meinem Büro soweit geöffnet hatte, dass ich ihn vollends vor mir sehen konnte und blinzelte dabei ein paar Mal, um meine Sicht wieder klar zu bekommen.

Der Mann vor mir war leger in verwaschene Jeans, einen grauen Cardigan und ein weißes Shirt gekleidet, welches locker seinen Körper umspielte. Somit gab er wieder ein gänzlich anderes Bild ab, als noch am Morgen.

Der Schauspieler antwortete nicht auf Anhieb, sondern legte seinen Kopf leicht schräg und lächelte mich vielsagend an. In meiner aktuellen Verfassung fiel es mir äußerst schwer zu sagen, ob das nun echt oder künstlich war. Ich wartete darauf, dass er mir meine Frage beantwortete, bis ich dann aber begriff, wieso er schwieg und mich abwartend ansah. Er wollte gerade den Mund aufmachen und mich verbessern, bis ich ihm zuvorkam.

„Ja, okay", seufzte ich und rieb mir müde über die Stirn. „Benedict, was machen Sie denn hier?", wiederholte ich meine Frage kurzerhand und ging einfach auf sein Spielchen ein. Benedict grinste.

„Bitte entschuldigen Sie die späte Störung, Hannah", sagte er schließlich. „Mir wurde gesagt, dass Sie nicht schlafen können, genauso wenig wie ich, darum dachte ich, dass ich mal nach Ihnen sehe und Ihnen nochmals mein Angebot unterbreite."

„Diese elende Verräterin", murmelte ich kopfschüttelnd, was Benedict wohl gehört hatte, denn sein Grinsen wurde nur noch breiter. Na toll. Wieso war er überhaupt plötzlich wieder wie ausgetauscht oder durchschaute ich nur seine Fassade nicht, nachdem mein Körper und Geist gerade nur im Stand-by-Modus funktionierten?

„Hören Sie, ich will wirklich nicht aufdringlich sein, aber haben Sie nochmal über mein Angebot nachgedacht? Das was Sie hier machen, scheint mir nicht wirklich bequem zu sein", meinte er freundlich und linste dabei etwas an mir vorbei und somit zu meinem Schlafplatz.

Ich seufzte und schwieg, weil ich beim besten Willen nicht wusste, was ich dazu sagen sollte. Ich würde lügen, wenn ich behaupten würde, dass ich nicht permanent über sein Angebot nachgedacht hatte, aber ich musste es eigentlich besser wissen. Es wäre absolut daneben, mich zusammen mit ihm in der Suite einzuquartieren, auch wenn das Zimmer in der Tat unnötig riesig war.

„Außerdem ist es bei mir oben noch um ein Vielfaches wärmer als hier. Ich werde auch schweigen wie ein Grab. Niemand erfährt etwas davon", schob Benedict nach und machte eine Geste, die ich seit meiner Kindheit wohl nicht mehr gesehen hatte.

Er nahm seine Hand vor sein Gesicht, machte eine abschließende Geste und schmiss den imaginären Schlüssel in hohem Bogen über seine Schulter. Ich konnte einfach nicht anders, er hatte mich mal wieder zum Lachen gebracht. Wann hatte ich das letzte Mal in der Gegenwart eines Mannes so viel gelacht? So sehr ich mich auch anstrengte, ich konnte mich nicht daran erinnern.

New York Exit // Benedict Cumberbatch FF [abgeschlossen] Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt