17. Kapitel

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Seine enttäuschten, kalten Augen gingen mir einfach nicht mehr aus dem Kopf. Ich wusste nicht, wie lange ich nach Benedicts Abgang noch verloren auf dem Gehweg gestanden und hoffnungslos die leere Straße im Blick behalten hatte. Natürlich war er nicht zurückgekommen, wieso sollte er auch? Er hatte mir seine Gefühle gestanden. Etwas, bei dem ich nie gedacht hätte, dass es mich derart aus der Balance bringen könnte und dennoch hatte ich all die Zeit über genau auf diese Beichte gehofft, aber wofür? Benedict hatte klar gemacht, dass er mich nach dieser Erkenntnis nie mehr sehen wollte. Wieso musste all das aber auch so verdammt kompliziert sein? Wie zum Teufel war es überhaupt möglich, dass er Tracys kleinerer Halbbruder war? Hatte das Schicksal mir nicht schon genug reingewürgt? Und wieso hatte ich auch mit Androhung darauf, dass er einfach so schnell wieder aus meinem Leben treten würde, wie er auch in diesem aufgetaucht war, nicht mit der Wahrheit rausgerückt? Ich hätte es ihm einfach sagen sollen, vielleicht hätte er mir dann noch etwas länger zugehört, nur für einen weiteren Augenblick. Ich hatte ihm aber keinen reinen Wein eingeschenkt, ich hatte es vorgezogen den Schwanz einzuziehen und war dabei derart erstarrt, dass mich meine Füße nicht einmal ihm hatten hinterhertragen lassen.

Irgendwann war ich nach oben in meine Wohnung gegangen, damit mich die wenigen noch vorbeikommenden Leute nicht weiter seltsam anstarrten, wie ich derart hilflos dort stand und auf etwas wartete, was nie passieren würde. Stundenlang saß ich in meinem Wohnzimmer auf dem Sofa und war hin- und hergerissen. Ich hatte noch nie jemandem von meinem Leben in London erzählt, nicht einmal meinen Eltern. Ich war damals einfach vom Radar verschwunden und hatte alle unternommenen Kontaktversuche ignoriert. Micah hatte nie versucht mich wieder zu finden. Er war vermutlich froh, dass er mich los war und schließlich besaß er Geld wie Heu, aber gerade um die Freundschaft zu Tracy und meine Mutter tat es mir sehr leid. Dennoch hatte ich mich seit jenem Tag nie mehr bei ihnen gemeldet. Weil ich Angst hatte, ihnen die Wahrheit zu erzählen und aus Scham.

Mit Benedict war es anders gewesen. Er hatte etwas in mir hervorgerufen, bei dem ich nie gedacht hätte, es jemals nochmal zu spüren. Ich hatte so lange auf eine derartige Möglichkeit gehofft, aus dieser endlosen Spirale auszubrechen und sobald sich mir diese geboten hatte, hatte ich sie einfach wieder zurück auf den Boden befördert ohne mit der Wimper zu zucken. Ich hatte genau den gleichen Fehler wieder gemacht. Und jetzt wusste ich nicht, was ich tun sollte, um diesen wieder auszubügeln. Mir wurde schlagartig bewusst, dass es an der Zeit war, etwas zu verändern. Wenn ich es Benedict nicht anvertrauen konnte, dann wusste ich beim besten Willen nicht, ob ich es jemals erzählen würde.

Einsicht war wie man so schön sagte der erste Schritt zur Besserung, jetzt musste ich es nur noch durchziehen. Ich hasste mich dafür, dass ich vor nur wenigen Stunden noch wie die größte Idiotin vor dem Mann gestanden hatte, den ich liebte und kein Wort herausbekommen hatte. Was wäre passiert, wenn ich einfach gleich ehrlich gewesen wäre? Mit Sicherheit war er verletzt, weil er mir sein Geheimnis und seine Sorgen anvertraut hatte, wohingegen ich nur geschwiegen hatte. Ob es etwas ändern würde, wenn er die ganze Geschichte kannte und nicht nur die vermeintliche Wahrheit von Tracy? Ich verstand ihre Wut auf mich und es war wohl an der Zeit, dass auch sie die ganze Wahrheit erfuhr.

Nun vollends überwältigt von meinem eigenen Tatendrang sprang ich auf und schnappte mir mein Handy von der Anrichte. Natürlich war kein Kontaktversuch von Ben in Sicht. Mit zitternden Fingern öffnete ich mein Adressbuch und tippte dann auf seine Nummer. Benedict hatte Gefühle für mich und auch wenn er Schauspieler war, hatte ich doch zwischendurch immer wieder seinen Kummer aufblitzen sehen, als er mir sagte, dass wir uns nie wiedersehen würden. Mit Sicherheit konnte er also auch nicht schlafen, zumindest hoffte ich das gerade innständig. Ich musste unbedingt mit ihm sprechen und zwar jetzt. Wenn ich bloß wüsste, wo er schlief. Mit Sicherheit nicht mehr in unserem Hotel.

New York Exit // Benedict Cumberbatch FF [abgeschlossen] Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt