Four

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Nachdem ich alles fertig dekoriert und die Schüssel mit den Süssigkeiten gefüllt habe, betrachte ich draussen das Kunstwerk. Es dunkelt bereits ein, also beschliesse ich die Kerzen in den Kürbissen anzuzünden. Im Schein der Kerze sehe ich einen Schatten, mein Herz pocht auf einmal viel schneller. Als der Schatten immer grösser wird, drehe ich mich hastig um und blicke ich das Gesicht zweier Kinder die als Hot Dog und Mumie verkleidet sind. Erleichtert atme ich aus und versuche mir meine Angst nicht anmerken zu lassen.

„Süsses, oder saures!", schreien beide im Chor und präsentieren mir dabei ihre Zahnlücken. Ich setze ein Lächeln auf und verschwinde im Haus um die Schüssel mit den Süssigkeiten zu holen. Wieder draussen verteile ich je eine Handvoll Süsses in den Tüten der Kinder und wünsche den beiden noch einen schönen Abend. 

Ich sehe ihnen lächelnd nach, als ich auf der anderen Seite eine Person entdecke. Da es bereits dunkel ist und sie nur mit einer Körperhälfte im Licht steht, kann ich nicht erkennen wer es ist. Aber ich bin mir sicher, dass es Dean ist. Die Statur passt, genau wie die Grösse. 

Ja, es ist Dean. Mir kommt seine Entschuldigung von vorhin in den Sinn und ich frage mich immer noch, wieso er das getan hat. Nicht das ich es nicht nett von ihm finde, das mit Sicherheit, aber es ist doch sehr plötzlich über ihn gekommen. 

Was wohl der Grund dafür war? 

Ich würde es zu gerne wissen, aber bevor ich zu ihm rüber kann sind bereits die nächsten Kinder da. Auch ihnen gebe ich die Süssigkeiten und errate ab und an als was sie verkleidet sind, was mir ein strahlendes Lächeln einbringt. 

Als die Schüssel leer ist schliesse ich die Tür und bleibe seufzend davor stehen. Was für ein Tag, denke ich im stillen und gehe ins Wohnzimmer, lasse mich auf die Couch fallen. Es ist so still im Haus, meine Eltern sind, wie kann es auch anders sein, im Krankenhaus. 

An Halloween gibt es so viele Unfälle das es noch kein einziges Jahr gab an dem wir an Halloween zusammen waren. Aber so ist es nun mal, ich kann nichts daran ändern. Meine Eltern könnten es, aber ehrlich gesagt verlange ich das auch gar nicht von ihnen. Ich gehe bald aufs College und dann werde ich sie sowieso nicht mehr jeden Tag sehen. 

Das College. In einem Jahr ist es soweit, ich kann es noch gar nicht glauben. Ich habe noch gar keine Ahnung an welches ich gehen will, aber eines ist sicher, ich werde irgendwo weit, weit weg studieren. Denn hier hält mich nichts, oder doch? Es ist so frustrierend, klar hat mich Dean verletzt und das jeden verdammten Tag in den letzten Jahren. Aber trotzdem habe ich das Gefühl das da etwas ist, keine Ahnung was, aber es ist da dieses Gefühl. 

Immer wenn ich in seiner Nähe bin, habe ich das Gefühl mit ihm verbunden zu sein. Auf welche Art und Weise auch immer. Ich schalte den Fernseher an und zappe durch das Programm, als es an der Tür klopft. Stirnrunzelnd schaue ich in die Richtung aus der das Klopfen, nein, es ist viel mehr ein Kratzen, kommt. 

Es kratzt wieder an die Tür was mein Herz zum Rasen bringt. Kann es der Wolf sein? Neugierig stehe ich auf und gehe zur Tür und öffne sie, tatsächlich sitzt der grosse, schwarze Wolf vor mir. Seine Augen leuchten und seine Schnauze glänzt feucht. Automatisch gehe ich in die Hocke um auf Augenhöhe mit dem Wolf zu sein, er legt den Kopf schräg und hält mir die Pfote hin. Es ist dieselbe die ich letztes Jahr verarztet habe, ich schaue sie mir genauer an und kann keinen Splitter darin erkennen.

„Verletzt bist du nicht. Was hast du dann?", frage ich das Tier, als könnte es mir eine Antwort geben. Doch genau das tut er, denn er legt mir die Pfote auf die Schulter und sieht mich direkt an. Er begrüsst mich so, schiesst es mir durch den Kopf. Bevor die Leute auf den Wolf aufmerksam werden, beschliesse ich ihn ins Haus zu lassen.

„Komm rein", meine Stimme ist nicht viel mehr als ein Flüstern. Als würde er mich verstehen läuft er ins Haus, ich schaue mich um ob auch wirklich niemand etwas gesehen hat, danach schliesse ich die Tür. Der Wolf sitzt hechelnd etwa einen Meter von mir entfernt auf dem Boden und sieht mich an.

„Und jetzt?", frage ich mehr mich selbst, als das Tier neben mir. Ich laufe an ihm vorbei in die Küche und hohle ihm eine Schüssel mit Wasser und stelle sie ihm hin. Er fängt gierig an zu trinken, ich setze mich auf die Couch und schaue ihm dabei zu. Als die Schüssel leer ist kommt er auf mich zu und legt sich neben mich auf die Couch. 

Sein Fell ist warm und weich, es fühlt sich gut an also fange ich an ihn zu streicheln. Der Wolf scheint es zu geniessen und gibt leise Geräusche von sich, sie hören sich beruhigend an. Ich schalte den Fernseher wieder ein und schaue mir eine Dokumentation über Pearl Harbor an. 

Sie ist spannend, wobei ich diese bereits einige Male gesehen habe, aber die ruhigen Atemzüge des Wolfes neben mir lullen mich immer mehr ein. Irgendwann muss ich eingeschlafen sein, denn als ich das nächste Mal die Augen öffne ist es bereits Morgen. Die Sonne scheint durch die hohen Fenster und durchflutet den ganzen Raum. Ich strecke mich und schaue mich um, der Wolf ist weg, doch dort wo der Wolf lag liegt jemand anders. Jemand der hier nichts zu suchen hat.

„Was machst du hier?", schreie ich aufgebracht. Dean liegt neben mir und scheint ebenfalls erschrocken zu sein.

„Bist du bei mir eingebrochen? Wie krank muss man sein um ..." 

Ich breche ab, verstehe nicht was das soll. Dean springt auf und sieht sich verwirrt um. Er trägt eine schwarze Hose aber kein Shirt. Abgelenkt starre ich auf seine nackte Brust und staune nicht schlecht über das Six Pack das er sich antrainiert hat. Wie es sich anfühlen muss wenn man ihn berührt? Ich schüttle den absurden Gedanken ab, kann aber meinen Blick nicht von seiner Brust nehmen.

„Ich bin nicht eingebrochen ich ..." 

Er sieht mich überrascht an und weiß offensichtlich nicht wie er das ganze erklären soll. Hektisch geht er zu Tür und reißt sie auf. Ohne mich noch einmal anzusehen verschwindet er und lässt mich sprachlos zurück. Das Klingeln des Telefons reißt mich aus meiner Starre. Gedankenverloren nehme ich den Anruf an.

„Hallo Emily, Schatz. Es tut uns so leid, dass wir gestern nicht nach Hause gekommen sind, aber wir hatten eine OP nach der anderen. Wir sollten es spätestens bis Mittag schaffen", plappert meine Mutter drauf los. Ich blinzle und höre ihr zu, verstehe immer noch nicht wieso Dean plötzlich neben mir gelegen hat. 

„Schatz, hörst du mir überhaupt zu?", fragt sie mich im besorgten Tonfall. Ich schüttle kaum merklich den Kopf und räuspere mich.

„Klar Mom, sehr viele OPs. Ich weiß, dass ihr nicht weg konntet." Meine Mutter versichert mir in den nächsten fünf Minuten mindestens zehn Mal, dass sie es bis Mittag schaffen werden alle Patienten behandelt zu haben. Was sie nicht schaffen werden, denn es wird immer Menschen geben denen man helfen muss.

„Kein Problem, ihr könnt euch dann etwas warm machen wenn es doch später wird." Normalerweise sollte es genau umgekehrt sein, aber ich bin es gewohnt. Sie bedankt sich und wünscht mir einen schönen Tag. Ob der so schön wird weiß ich nicht.

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Oha! Was für ein Erwachen, naja mal sehen wie es weiter geht.

eure Amanda 

bernsteinfarbenWo Geschichten leben. Entdecke jetzt