Twelve

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DEAN

Wieso schaffe ich es nicht einfach mich von ihr fernzuhalten? Ich verstehe es nicht. Was hat dieses Mädchen nur an sich? Ich raufe mir das Haar, als ich das Haus meiner Mutter verlasse. Es ist kurz vor sechs Uhr und die Strasse liegt einsam und verlassen vor mir. Die Laternen brennen und tauchen die einzelnen Passagen in ein gelbes Licht, um das sich in der eisigen Luft einige Insekten tummeln. 

Mit schnellen Schritten entferne ich mich immer weiter von den Gebäuden und als ich sie schliesslich ganz hinter mir lasse, atme ich erleichtert aus. Keine Ahnung, aber seitdem sich Emily noch stärker in mein Leben gedrängt hat, fühlt es sich so an, als ob ich mich immer mehr zwischen den zwei Welten, in denen ich lebe, entscheiden müsste. Manchmal habe ich sogar das Gefühl in keine der beiden Welten zu passen. 

Beide Schuhe passen mir nicht, fühlen sich einengend oder viel zu gross an. Es ist zum Haare ausreissen und das würde ich am liebsten, jedes einzeln. Doch das bringt nichts. Es ist wie es ist und nicht zu ändern. Ich habe den Wald erreicht, bleibe stehen und spüre, wie mich eine unsichtbare Macht ruft. Es ist jedes Mal dasselbe und immer verdammt aufregend. Ich denke, das ist es auch was mich davon abhält mich für eine zu entscheiden.

 Ich habe ja nicht einmal die Wahl mich entscheiden zu können. Ich wurde so geboren, erschaffen um anderen Angst einzujagen. Und manchmal gefällt mir die Vorstellung, dass die Menschen sich vor mir, oder vor dem was ich bin fürchten. Aber bei Emily ist das anders, dort will ich, dass sie mich so sieht wie ich bin und nicht als das was ich geboren wurde. Ein schmaler Grat, ich weiss, aber bei ihr wünschte ich mir, dass ich es schaffen könnte diese Grenze nicht zu überschreiten. 

Und dennoch habe ich es und zum Glück, denn ich bin mir sicher, dass Blake und die anderen gestern Abend bei ihr waren. Sie wollten Emily Angst machen, sie dazu bringen mich zu meiden, oder sich bei jedem Schritt, den sie geht zu fragen, wer gerade hinter ihr her ist. Eine Vorstellung die mir ganz und gar nicht gefällt und genau deswegen bin ich um diese frühe Uhrzeit schon hier. 

Ich atme tief durch und betrete den Wald, hier ist der einzige Ort an dem ich mich in das verwandeln kann, das ich bin. Es fühlt sich befreiend an. Und Angst einflössend zugleich. Doch heute verwandle ich mich nicht, weil ich ihnen etwas zu sagen habe. Schnell habe ich unseren Treffpunkt erreicht und bin nicht der Erste. Shawn und Blake sind schon hier, genau die Richtigen also.

„Wieso bestellst du uns hierher?", motzt Blake los und funkelt mich wütend an. Normalerweise würde ich mich jetzt entschuldigen, doch heute bin ich nicht bereit mich ihm zu fügen. Nicht wenn es um Emily geht.

„Das weißt du ganz genau. Ihr wart gestern bei ihr und streite es erst gar nicht ab", sage ich und lasse keinen Widerspruch zu. Shawn kommt seinem grossen Bruder zur Hilfe, doch kassiert von ihm einen warnenden Blick.

„Und wenn schon, ihr ist nichts passiert. Was wohl daran liegt, dass jemand bei ihr war", sein Tonfall ist nicht miss zu verstehen. Er weiss es, verdammt!

„Ich habe ihr bereits deutlich gemacht, dass sie sich von mir fernhalten soll. Da hättet ihr nicht noch nachdoppeln müssen. Sie hat keine Ahnung von mir ... uns", rette ich mich schnell und halte Blakes Blick stand. Er darf nicht das Gefühl bekommen, dass ich mich einschüchtern lasse. Dann bin ich verkauft.

„Das habe ich aber anders gesehen und du weißt wer das Sagen hier hat, Dean", knurrt er und verzieht sein Gesicht zu einer Fratze. Innerlich verdrehe ich die Augen, äusserlich bleibe ich cool.

„Du. Das zeigst du uns klar und deutlich. Doch bei Emily Hale ist es am besten wenn ich das ganze regle." Blake muss es einfach einsehen, sonst fliegt uns das alles um die Ohren. Und Emily nimmt noch mehr Schaden, das darf ich auf keinen Fall zulassen. Deswegen kann ich hier auch nicht nachgeben, Blake würde sie fertig machen. Und das hat sie nicht verdient. 

bernsteinfarbenWo Geschichten leben. Entdecke jetzt