One

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Das ist nun ein Jahr her. Den Wolf habe ich zu meinem Bedauern nicht wieder gesehen und auch sonst gab es keine Meldungen, dass in der Gegend Wölfe gesichtet wurden. Immer wieder hatte ich an den Wolf gedacht, daran, wie zahm er war, oder, wie vertraut mir seine Augen vor kamen. 

Doch das Jahr hat auch andere Dinge mit sich gebracht die die Erinnerungen an den Wolf verblassen liessen. Dean war noch fieser und gemeiner geworden, hatte mich immer wieder bedroht. Wie auch heute wieder, er meinte, dass ich ihn nicht immer so ansehen soll. Dabei habe ich es mir abgewöhnt ihn anzusehen, obwohl es mir nicht immer leicht fällt. Denn manchmal, und das ist im letzten Jahr immer häufiger vorgekommen, erinnerten mich seine Augen an die des Wolfes.

 So wunderschön und geheimnisvoll. Doch Deans Aggressionen mir gegenüber sind immer mehr geworden. Auch heute. Er war so wütend, so voller Aggressionen, dass ich dachte er würde mich umbringen. Seine Augen funkelten diabolisch und seine Stimme wurde immer tiefer. Ich konnte nichts tun, stand wie angewurzelt da und starrte ihm in die Augen.

 Was ihn noch wütender gemacht hat, er ballte seine Hände zu Fäusten und eine Ader an seinem Hals stach hervor und pulsierte. Mein Herz raste wie verrückt, nur die Klingel und die herausströmenden Schüler konnten ihn davon abhalten mir weh zu tun. Seinen Blick werde ich wohl nie vergessen. Ich laufe nach Hause und versuche den Tag so gut es geht hinter mir zu lassen. Der Wind frischt auf und ich ziehe meine Jacke noch enger um meinen Körper. 

Die Blätter wirbeln herum und erzeugen ein Rascheln das der Wind davon trägt. In zwei Tagen ist Halloween, ein kleiner Lichtblick. Auch wenn ich weiss, dass ich mich von einem Tag nicht von einem ganzen Jahr erholen kann, ist es eine Wohltat seinen Gemeinheiten einmal nicht ausgesetzt zu sein. Aber die zwei Tage muss ich noch durchhalten. Ich habe mein Zuhause erreicht, öffne die Tür und der Duft nach Kürbiskeksen steigt mir in die Nase.

„Mom?", rufe ich.

„Bin in der Küche." Ich runzle die Stirn und gehe in die Küche, wo ich meine Mutter sehe. Sie nimmt gerade ein Blech mit frischen Keksen aus dem Ofen die köstlich riechen.

„Du backst?", frage ich und ziehe eine Braue nach oben. Denn eigentlich backt sie so gut wie nie etwas. Egal ob es Kuchen oder Kekse sind, bei ihr geht meistens alles schief. Sie zieht sich die Handschuhe aus und legt sie neben das heisse Blech. 

„So überrascht?" Sie lächelt und kommt auf mich zu. Vor mir bleibt sie stehen und umfasst mein Gesicht mit ihren schmalen, schlanken Fingern. Sie duften nach Butter und herbstlichen Gewürzen. Ich sauge den Geruch tief in meine Lunge, denn er hat etwas Tröstliches an sich. Und das kann ich nach einem solchen Tag wie heute sehr gut gebrauchen.

„Und wie war die Schule?" Ich kaue auf meiner Lippe und weiss nicht was ich ihr sagen soll. Im letzten Jahr haben Deans Gemeinheiten zugenommen, aber meinen Eltern davon nichts gesagt. Die würden nur zum Direktor gehen und Dean damit noch ein stärkeres Motiv geben mich zu drangsalieren.

„Wie immer. Ich geh dann mal Hausaufgaben machen", sage ich und gebe ihr einen Kuss auf die Wange. Nachdem ich mein Zimmer erreicht habe, atme ich tief ein und wieder aus. Ich lüge meine Eltern nicht gerne an, aber dabei können sie mir nicht helfen. Niemand kann das. 

Ich muss nur noch zwei Jahre durchhalten, danach kann ich auf ein College und werde Dean nie wieder sehen. Ich ziehe meine Jacke aus und setze mich an den Schreibtisch, eigentlich habe ich keine Hausaufgaben die ich erledigen muss. Die hab ich bereits in der Schule gelöst, also nehme ich mein Tagebuch hervor und beginne zu schreiben.

„Liebes Tagebuch..."

„Kommst du? Das Essen ist fertig.", reisst mich Mom aus meinen Gedanken. Schnell klappe ich das Tagebuch zu und stehe auf. Meine Mutter hat langes blondes Haar und grüne Augen, mein Vater hat braunes Haar und blaue Augen. 

bernsteinfarbenWo Geschichten leben. Entdecke jetzt