Teil 7

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Dieses Hochgefühl war wunderbar. Ja, mit ihr hatte er die richtige Wahl getroffen. Als sie von ihm wegrannte, sah er ihren Willen und als er diesen endlich gebrochen hatte, war es pure Vollkommenheit, die ihn umgab. Er hätte vorhin beinahe nicht aufhören können, nur mit aller Kraft konnte er sich zurück halten und jetzt war er froh darüber. Als er ihn der Küche auf dem Stuhl sass und die Aufnahmen der Kameras begutachtete, stellte er einige Verbesserungsmöglichkeiten fest. Er musste noch genauer sein und die Kleine sollte noch viel mehr schreien. Ihre Schreie waren Musik in seinen Ohren. Ihre lauten hohen Schreie, es war das schönste was er je gehört hatte. Bald konnte er sie wieder hören, aber erst musste er einige Dinge erledigen.

Katlyn lag in ihrem Blut als sie die Tritte hörte. Jetzt würde sie streben und sie freute sich auf den Tod, denn das bedeutete: Keine Schmerzen und Qualen mehr. Er kam auf sie zu und mit jedem Schritt den er näher kam, wuchs ihre Angst. Obwohl sie sich den Tod wünschte, auf die Art und Weise wie er es tuen würde, konnte sie nur hoffen, dass es schnell vorbei war. „Bitte.“

„Weisst du, weshalb ich deine Beine verschont habe?“, fragte er sie. Katlyns Mund fühlte sich betäubt an. „Nein.“

„Damit du vor mir wegrennen kannst und jetzt steh auf“, befahl er ihr. Sie versucht aufzustehen, doch es gelang ihr nicht. Verzweifelt versucht sie es wieder und wieder, bis er sie schlussendlich packte und auf die Beine stellte. Der Schmerz durchfuhr sie wie ein Blitz. So schnell und kalt wie heiss, ein Schrei konnte sie nicht zurück halten und trotzdem tat es nicht so weh wie vorhin.

Sie sah ihm in die Augen, darin war keine Reue, kein Mitgefühl zu lesen. Zu sehen war nur Lust und Neugier, sofort wurde ihr kalt. Er würde sie umbringen und das nur, weil er Spass daran hatte. Aber diesen Spass wollte sie ihm nicht geben. Keine Sekunde länger konnte sie neben ihm stehen bleiben, auch wenn sie die Schmerzen fast umbrachten. Ihre Arme hingen an ihrem Körper herunter, sie konnte kaum noch aufrecht gehen. Plötzlich war es stockdunkel. Katlyn konnte nichts mehr sehen. Alles lag im Dunkeln. Hilfe! Ich will hier raus. In dem Moment machte ihr nichts mehr Angst, als das Wissen, dass sie sich in demselben Raum mit einem Mörder aufhielt und sie konnte ihn nicht sehen. Würde er hinter ihr stehen, würde sie es nicht wissen. Stand er vor ihr, würde sie es erst merken, wenn sie in ihn hinein laufen würde. Am liebsten hätte sie geschrien, aber das hätte sie verraten, also schrie sie in ihren Gedanken: Hilfe! Hilfe! Holt mich hier raus. Ich will hier raus. Sie dachte es so laut, dass sie fast meinte, sie würde es sagen. Katlyn versuchte ihre Hände auszustrecken, es ging nicht. Ein Wimmern entwich ihren Lippen. Schnell versuchte sie an eine Wand zu gelangen, die Hilflosigkeit siegte. Diese Gefühl zu haben, nicht zu wissen, was hinter ihr, was neben ihr, was vor ihr war, liess sie voll in ihre Panik versinken. Durfte sie weiter laufen? Er könnte ja direkt vor ihr stehen. Aber nach rechts und links durfte sie auch nicht gehen. Sie wusste einfach nicht mehr, wo sie hintreten durfte und wo nicht.

Sie machte einen Schritt nach vorne, blieb stehen, machte wieder einen Schritt nach vorne und blieb erneut stehen. „Ach komm schon. Das kannst du besser.“ Seine Stimme kam von rechts hinter ihr. Ohne lange zu überlegen rannte sie in die entgegengesetzte Richtung. Sie rannte und rannte, während ihre Panik immer grösser wurde. „Wenn du weiter in diese Richtung läufst, wirst du dir gleich wehtun.“ Auf die Stimme hörend rannte sie in eine andere Richtung, aber jetzt war sie sich nicht sicher, woher er sprach. Kam es von rechts oder von links? War er hinter ihr oder vor ihr? Vielleicht musste sie doch nicht den Kurs wechseln, nur was war, wenn er die Wahrheit sagte. Ein Schrei entwich ihr, als sie etwas an der rechten Schulter berührte. „Das ist die falsche Richtung.“

Rasch drehte sie sich weg und ging die andere Richtung. „Das ist ebenfalls falsch.“ Wieder drehte sie sich. „Gibt es nicht noch einen anderen Weg?“ Ohne auf das Fragezeichen am Ende des Satzes zu achten, machte sie Kehrt in die entgegengesetzte Richtung. Ihre Panik liess sie nicht mehr klar denken, kein Gedanke konnte sie mehr zuordnen. Das Einzige was sie wusste, sie durfte nicht stehen bleiben, sie musste in Bewegung bleiben, auch wenn sie den Schmerz in ihren Armen nun viel deutlicher spürte. Mit jedem Tritt den sie tat, wurde er realer und mit jeder weiteren Bewegung ihres Armes, wurde sie langsamer.

Erst jetzt viel ihr auf, dass er schon seit einer Ewigkeit nichts mehr gesagt hatte. Wieso nicht? Wo war er? Wo war sie? Er hatte schon zu lange nichts mehr gesagt, weshalb? „Wieso tun sie das? Ich hab Ihnen doch nichts getan?“ Katlyn sprach nicht laut, es war zu leise in diesem Keller, als dass sie laut hätte sprechen können.

„Ich sagte es schon mal: Weil ich Lust dazu habe. Weil ich es kann. Weil ich es will.“ Sie zuckte zusammen, als sie seine Stimme direkt hinter sich hörte. Mit letzter Kraft rannte sie weg und doch war es nicht genug, denn aus dem Nichts heraus spürte sie seinen Atem auf ihrer Schulter.

Das letzte KunstwerkWo Geschichten leben. Entdecke jetzt