Kapitel 3: Exposition

8 3 0
                                    




           

Kein Mensch brauchte Lehrerkonferenzen und Elternabende. Eigentlich sollte man Lehrern per se auf Konferenzen verbieten zu reden. Und Eltern auf Elternabenden. Ganz ehrlich, zwei Drittel meiner Kollegen hörten sich einfach gern selbst reden, weswegen unsere Konferenzen immer episch lang waren. Genauso verhielt es sich mit Elternabenden. Es gab immer dieses eine Elternteil, was unbedingt mitteilen musste, welche Allergien, besondere Begabungen und sonstige Sperenzchen Oscar-Matteo und Mia-Rose hatten. Wenn beides am gleichen Tag stattfand, dann konnte man sich darauf einstellen, dass man sehr lang im Schulgebäude blieb.

So lang, dass es schon dunkel war, als ich die Schule endlich verließ. Ich winkte noch meiner Kollegin Julia zu und machte mich dann auf dem Weg zu meinem treuen Drahtesel, der auf dem Lehrerparkplatz an einem Baum gelehnt geparkt war. Inzwischen waren zweieinhalb Wochen seit dem grotesken Vorfall in meinem Schlafzimmer vergangen. Das Handy war zwar immer noch mein ständiger Begleiter, aber langsam keimte die Hoffnung in mir auf, dass der Vampir meines Nichtvertrauens, sich doch nicht mehr meldete.

An diesem Abend würde ich auch gar nichts mehr für die Schule machen oder nach Informationen zu Vampiren suchen. Meine Mappe, insgeheim hatte ich sie meine Vampirfibel genannt, war inzwischen auf ein wirklich stattliches Ausmaß angewachsen. Ich hatte mich in der Zwischenzeit sogar auf einem Forum angemeldet, auf dem Menschen sich über Vampirismus unterhielten. Als Nickname hatte ich Bloody_stake_2018 gewählt.  Angeblich half laut VanHellsing666 von eben jenem Forum auch Eisenkraut gegen die Geschöpfe der Nacht und ich hatte für mich beschlossen, dass es auch eine hübsche Zimmerpflanze abgab. Schließlich gehörte Eisenkraut zur Familie der Verbenen und es hatte eine wirklich hübsche Farbe. Es machte sich ausgesprochen gut auf meinen Fensterbänken, besonders im Schlafzimmer.

Während ich meinen Fahrradhelm aufsetzte und mein Fahrrad aufschloss, fuhr ein anderer Kollege an mir vorbei und hupte noch einmal zum Abschied. Ich winkte auch ihm hinterher. Vielleicht war ich doch nicht ganz so einsam, wie ich gedacht hatte. Eigentlich musste ich einfach mehr vor die Tür gehen und neue Menschen kennenlernen. So schwer war das doch auch gar nicht. Auf dem Forum hatte ich schließlich einige neue Bekannte gefunden. Nun gut, keinen davon wollte ich im wahren Leben treffen, aber der Punkt war, ich hatte neue Leute kennengelernt und mit ihnen geschrieben. Das war zumindest schon mal ein Anfang.

Ich stieg auf mein Fahrrad und fuhr langsam vom Parkplatz. Zum Glück hatte es sich in den letzten Wochen wirklich abgekühlt. Ich atmete glücklich die frische Luft ein, nach der miefigen Luft im Schulgebäude ein Segen, und beschleunigte, als ich die Straße erreichte. Es war noch genug los, sodass ich mich nicht vor der Dunkelheit fürchtete und eigentlich recht fröhlich die Straße entlangfuhr. Da Gaius inzwischen auch wieder bei meinem Bruder weilte, der zwar seinen Mordfall immer noch nicht aufgeklärt hatte, aber inzwischen trotzdem in der Lage war, mal wieder Feierabend zu einer vernünftigen Zeit zu machen, musste ich mit ihm an diesem Abend noch nicht einmal Gassi gehen. Einem ruhigen Abend stand damit eigentlich nichts im Wege.

Ich fuhr durch einen Kreisverkehr und so langsam ließ ich Warendorf, die Stadt, in der meine Schule lag, hinter mir. Die Gegend wurde ländlicher und damit dunkler, also beschleunigte ich noch einmal und fuhr durch den nächsten Kreisverkehr, als auf einmal ein Auto neben mir hupte. Eine Schrecksekunde hatte ich, doch dann erkannte ich den alten zerbeulten Peugeot und winkte dem Fahrer zu. Er hupte noch einmal und fuhr dann weiter. Mein ruhiger Abend hatte sich damit zwar zerschlagen, aber ich freute mich trotzdem. Die Versorgungslage war nun nämlich definitiv gesichert.

Ich wusste, dass mein Bruder samt einer großen Pizza mit extra viel Käse bei mir zu Hause auf mich warten würde. Sein Tag war damit offiziell genauso mies  oder zumindest genauso lang wie meiner gewesen. Als ich meine Wohnung betrat, hatte er sich schon auf meinem Sofa bequem gemacht, den Fernseher angestellt und scrollte sich gerade durch die Netflix-Bibliothek. Gaius lag lang ausgestreckt auf meinem Wohnzimmerteppich und kaute auf einem seiner Lieblingsspielzeuge.

Rabenschwarze NächteWo Geschichten leben. Entdecke jetzt