An einem kalten Morgen. Um 7 Uhr im Bus.
Ich saß im Bus, mit Kopfhörern in den Ohren. Und jedes mal sah ich genau das Mädchen.
Ein Mädchen mit glatten, braunen, schulterlangen Haaren und einem zierlichen Gesicht.
Sie setzte sich immer an denselben Platz, ihre Haare fielen immer um ihr Gesicht, sodass ich es nie sah.
Sie vergrub das Gesicht in Büchern, einer Welt, die ich nie verstehen konnte.
Trocken, öde, monoton. Das war mein Blick auf die Bücherwelt. Sie blickte langsam herauf, legte den Kopf zur Seite.
Sie hatte blaue Augen. Wie die im Gletscher. Strahlten wie der Sonnenaufgang. Doch sahen ermüdet aus.
Sie war kalt. Ließ niemanden an sich ran. Ließ nicht mal Ältere sitzen. Ein unerzogenes Mädchen.
Sie blickte unruhig umher, als wir an eine Haltestelle anhielten. Völlig aufgelöst atmete sie schneller, griff nach dem Plastik, dass neben ihr war.
Ihre Hände waren dünn und blass, sie sahen kalt aus und waren doch so seidig.
Wir fuhren weiter. Sie beruhigte sich wieder, fuhr sich durch die Haare. Kurz hatte sie den Blick auf mich. Ein Blitz schien ihr durch die Augen.
Wie sehr würde ich wissen wollen, was sie über mich denkt.
Das Haltegeräusch war zu hören, der Bus würde stehen bleiben.
Ich machte mich fertig zum aussteigen, meine Beine und Arme sowie mein Kopf wussten, hier muss ich raus.
Sie packte ihr Buch ein, stand auf, hielt sich an der Stange. Ich entdeckte Narben an ihrem Handgelenk.
Eine frische. Blutend hatte ich sie noch nicht gesehen.
Der Bus hielt, sie und ich stiegen aus. Ich folgte ihr, wollte wissen, wo sie geht.
Das Handgelenk.
Es ließ mir keine Ruhe. Ich folgte ihr schneller, packte sie am Handgelenk. Zuckend blieb sie stehen, drehte sich langsam um.
Nur waren die Gletscheraugen auf mich gerichtet. Ist alles okay, fragte ich. Sie sah verwirrt und zugleich entsetzt aus.
Ich hob ihr Handgelenk etwas hoch, zeigte ihr die Wunde.
Sie lächelte. Alles gut, erwiderte sie.
Ihre Stimme war wie Honig, dass meine Gemüter beruhigte, sanft machte.
Sie löste sich aus meinem Handgriff, lief weiter, ließ mich stehen.
An einem kalten Morgen. Um 7 Uhr im Bus.
[23.10.18 / 8.45pm]
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THOUGHT©
PoesíaIn einem Moment habe ich das Gefühl, eine bestimmte Situation oder ein Gefühl aufschreiben zu müssen. Es wird wahrscheinlich nicht regelmäßig sein, aber dafür sollte es die Gefühle rüberbringen, die ich in diesem Moment habe. Poesie oder Poetry Slam...