Es hämmerte wie wild gegen die Tür. Kurz darauf war das Sturmklingeln im ganzen Haus zu hören. Es war bereits halb eins nachts, aber wer auch immer vor der Tür stand, zeigte weder Geduld noch Gnade.
„Mach dich nützlich und geh' an die Tür!" Da Oikawa sowieso noch nicht im Bett war, entschied er sich die Tür zu öffnen. Ihm war klar, dass die Person vor der Tür nicht aufgeben würde und seine Eltern würden um diese Uhrzeit sicher nicht mehr aufstehen und ihn nur weiter anschreien. Demnach trottete er langsam die Treppe runter, in der Hoffnung, dass die Geräusche doch verstummen würden.
Natürlich taten sie das nicht, also öffnete der Braunhaarige vorsichtig die Tür. Er hatte sie gerade mal einen Spalt breit geöffnet, als er schon das Schluchzen und Weinen eines Mädchens hörte. Die braunen Locken waren zerzaust und klebten durch die Tränen am Gesicht des Mädchens.
„Du... Du b-bist... Oikawa!", stotterte sie unter Tränen. Mit dem Handrücken wischte sie sich über die geröteten Wangen.
Er hatte sie sofort erkannt. Wie konnte er auch nicht? Sie war immerhin an allem schuld. Yukina Tachibana, die Freundin seines besten Freundes. Beziehungsweise waren er und Iwaizumi einmal beste Freunde gewesen, aber das schien schon längst vorbei zu sein. Immerhin behandelte der Kleinere ihn wie Luft, seit er sie hatte. Dass sie jedoch ihn kannte, wunderte ihn etwas.
Trotzdem spürte er Wut und Kummer in sich aufsteigen und hätte ihr am liebsten die Tür vor der Nase zugeworfen, aber dann hätte sie bestimmt nochmal eine Klingelattacke gestartet. Er spürte wieder das Stechen in seiner Brust, von dem er dachte, dass es endlich verschwinden würde. Aber dieses Mädchen musste ja unbedingt vor seiner Tür auftauchen und ihn daran erinnern warum es ihm schon seit Wochen so schlecht ging.
„Was willst du?", rutschte es ihm ein bisschen zu harsch heraus. Der Braunhaarige konnte sich nicht gegen diesen Hass ihr gegenüber wehren. Wenn er nicht wütend sein durfte, würde er sicher seinen eigenen Tränen nachgeben.
Oikawa hörte das Geräusch und spürte auch seinen Kopf zur Seite kippen, aber den Schmerz in seiner Wange nahm er nicht wahr. Nachdem sie mit all ihrer Kraft zugeschlagen hatte, hielt sie sich, immer noch schluchzend, die Hand, die vor Schmerz brannte und rot war.
Auf den Lippen des Setters breitete sich ein verzweifeltes Lächeln aus. Er musste an Volleyball denken, daran, dass sich ihre Hand vermutlich anfühlte wie seine, wenn er einen seiner Sprungaufschläge machte.
Ich vermisse Volleyball...
„Das ist alles deine Schuld!" Der Satz hätte von ihm selbst stammen können. Wie oft hatte er nicht schon genau das über sie gedacht? Es von ihr zu hören, klang irgendwie lächerlich. Er konnte nicht anders, als zu lachen. Diese Situation war zu paradox, sie hätte ein Traum sein können. Aber der brennende Schmerz, der sich langsam in seiner Wange ausbreitete, zeigte ihm, wie echt es war.
Das Lachen des Braunhaarigen war weder fröhlich noch ehrlich, es klang verzweifelt und schmerzvoll. Ganz egal woran er schuld sein sollte, irgendwie war er froh, dass sie leiden musste. Es war eine Genugtuung, dass ausgerechnet sie tränenüberströmt vor seiner Tür aufgetaucht war. Allerdings weinte sie nicht mehr, sie blickte den Größeren nur verstört an.
Oikawa überlegte, wie lange er schon nicht mehr ehrlich gelacht hatte. Auch das hatte mit ihrer Freundschaft aufgehört. Seine Gedanken schweiften zu seinen Freunden, mit denen er immer was zu lachen gehabt hatte. Makki und Mattsun hatten ihn in den letzten Wochen oft besuchen wollen, aber er hatte ihnen einfach nicht die Tür geöffnet.
Ich vermisse die Jungs...
„Wovon sprichst du eigentlich?", fragte er, nachdem er sich einigermaßen gefangen hatte. Langsam machte sich der stechende Schmerz in seiner Brust erneut breit und er wünschte sich, dass er ihn noch einmal für einen kurzen Moment vergessen könnte.
„Es warst immer nur du.", flüsterte sie, während erneut Tränen über ihre Wangen rollten. Der Setter hatte nicht die geringste Ahnung wovon sie sprach, er war sich nicht einmal sicher, ob er sie richtig verstanden hatte.
„Er hat etwas Besseres verdient!" Wütend funkelte das Mädchen in an. Könnten Blicke töten, hätte er mit Sicherheit am Boden gelegen. Ihre Hände hatte sie zu Fäusten geballt, weshalb der Größere beschwichtigend die Hände hob, um einem erneuten Schlag vorzubeugen.
Noch nie hatte ein Mädchen auch nur versucht ihn zu schlagen. Eigentlich wurde er bis jetzt immer nur von ihnen angehimmelt. Jeden Tag, wenn er in die Schule gekommen war, hatte sie ihn geradezu überfallen. Interesse hatte er an ihnen nicht und häufig ging ihm das Gekreische ziemlich auf die Nerven, aber wenigstens konnte er sich geliebt fühlen.
Ich vermisse die Schule...
Er war müde und erschöpft, konnte ihr schon von Anfang an nicht richtig folgen. Obwohl er seit Wochen nicht in die Schule oder zum Training gegangen war, fühlte er sich ausgelaugter als je zuvor. Selbst wenn sie versucht hätte ihn zu schlagen, wäre er vermutlich zu langsam und schwach gewesen, um sich zu wehren. Er hatte keine Lust mehr zu rätseln wovon sie sprach und war kurz davor ihr die Tür vor der Nase zuzuschlagen, als er seine Stimme hörte.
„Yukina, was ist los mit dir? Warum rennst du -" Der Schwarzhaarige stand am Gartentor und sah sich die Szene ungläubig an. Er hatte scheinbar nicht realisiert zu wessen Haus seine Freundin gerannt war. Er trug, genau wir sie, bloß eine Jogginghose und ein bequemes Shirt. Wahrscheinlich hatten sie gerade eben noch geschlafen, was um diese Zeit kein Wunder war. Die Haare des Kleineren waren zerzaust und seine Atmung vom Rennen beschleunigt, jedoch harmlos im Vergleich zu der des Mädchens vorher. Er ging immer noch regelmäßig zum Training, weshalb seine Kondition relativ gut war.
Beim Anblick des Asses wurde der Schmerz in der Brust des Anderen unerträglich. Er spürte es wie tausende Messerstiche und es jagte ihm Tränen in die Augen. Er hatte seinen Kindheitsfreund jahrelang beinahe jeden Tag gesehen, aber plötzlich kam es ihm vor, als würde er ihn gar nicht mehr richtig kennen. Mit einem Schlag kamen all die Gefühle zurück, die er wochenlang versucht hatte zu verdrängen.
„Was zur Hölle..." Iwaizumi begriff die Situation immer noch nicht ganz. Im nächsten Moment knallte der Braunhaarige die Haustür zu und ließ die beiden anderen in der Kälte zurück.
Oikawa ließ sich mit den Rücken gegen die Tür fallen. Länger konnte er seine Tränen nicht zurückhalten. Seine Knie zitterten so stark, dass sie nach kurzer Zeit nachgaben und er langsam zu Boden sackte. Leise flossen immer mehr Tränen über seine Wangen, während er versuchte klare Gedanken zu fassen, aber er bekam es nicht aus dem Kopf.
Die Anderen waren schon lange wieder verschwunden, als er die Kraft fand sich aufzurichten und wieder zurück in das Bad zu gehen. Der Setter war nicht dumm, er konnte eins und eins zusammenzählen. Die Vorstellung, dass sie nebeneinander geschlafen hatten, brachte ihn fast um den Verstand, sie weckte Mordlust in ihm.
Er starrte auf das, was er auf dem Waschbecken liegen lassen hatte. Das Mondlicht, das durch das Fenster schien, war hell genug um es zu sehen. Es reflektierte das Licht. Der Braunhaarige wusste genau, warum es so weh tat, aber er wusste auch, dass er nichts ändern konnte. Seine Hand griff zu dem metallenen Gegenstand. Die Klinge war so kalt, wie er sich fühlte. Nicht nur Schmerz, sondern auch unendliche Kälte, waren zu seinen ständigen Begleitern geworden. Mit der freien Hand fuhr er über die Narben an Armen und Beinen. Auch in Höhe der Hüftknochen, die mittlerweile ziemlich weit herausstanden, hatte er die Markierungen hinterlassen.
Der Gedanke, der ihn nicht losließ, brachte alles auf einen Punkt. Natürlich vermisste er die Dinge, aus seinem alten Leben. Man sagt man vermisst am meisten das, was man nie gehabt hat. Ein trauriges Lächeln huschte über sein Gesicht, als er es endlich verstand. Das Gefühl etwas so sehr zu vermissen, dass es einem die Lebensenergie zu nehmen scheint.
Ich vermisse dich, Hajime.
Eine letzte Träne rollte über seine Wange, als er spürte wie das warme Blut seinen Arm hinunterlief.
Es war nie die Lust gewesen sie umzubringen, die der Schmerz in ihm weckte.
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Teasing is a Sign of Affection [IwaOi]
Fanfiction"Fresse, Shittykawa!", brummte Iwaizumi. "Ich liebe dich auch, Iwa-chan", gab Oikawa mit einem zuckersüßen Lächeln zurück. Damals hatte der Schwarzhaarige Sätze wie diesen einfach ignoriert. Immerhin war er für den Größeren nur sein bester Freund un...