21 Uhr

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Wir stehen im Regen auf den Schienen hinter seinem Haus. Er nimmt einen Zug von seiner Zigarette und schaut nach rechts auf den Bach herunter. Wenn jetzt ein Zug kommt, würden wir vermutlich sterben. „Aber hier fahren keine Züge". Er ist hier oft. Manchmal komme ich heimlich her und hoffe, dass er vielleicht auch hier ist. Das kam aber noch nie vor. Ansonsten gucke ich, ob Licht in seinem Zimmer brennt. Er ist aber oft nicht zu Hause. Dann fahre ich wieder die 23 Minuten zurück zu mir. Ich weiß gar nicht wo er ist. Er hat viele Freunde. Ich glaube, sie nehmen oft Drogen zusammen. Er dreht sich wieder zu mir. „Willst du noch Tabak?". Ich nicke. Er gibt mir den Rest. Ich stelle mich ungeschickt dabei an, die Zigaretten zu drehen. Ich mache das sonst eigentlich nicht. Nur mit ihm. Er atmet den Zigarettenrauch in mein Gesicht. Und dann beginnt er zu lächeln. Jedes mal, wenn er lächelt, fühle ich mich innerlich so leer. Aber nicht im negativen Sinne, es ist eher so, als hätte ich nur eine Hülle. Oder nur eine Seele, die jedes mal in den Himmel befördert wird, wenn er lächelt und die tausend Kilometer hinab fällt, wenn er damit aufhört und brutal auf dem Boden aufschlägt. Als würde dieser Typ mich komplett in den Händen halten und wie einen Basketball dribbeln. Er hat diesen Basketball so gut unter Kontrolle, dass er nicht aus seinem Besitz verschwindet. Niemand kann ihm diesen Basketball wegnehmen. Und der Basketball selbst hat keine Kontrolle über diese Situation, denn er ist ja nur ein Gegenstand. Ich ziehe an meiner bescheiden aussehenden Zigarette. „Wenn ein Zug kommen würde, würdest du herunter springen oder rennen?" frage ich. Er schaut mich an und sagt eine kurze Zeit nichts. Er lässt sich öfter Zeit bis er auf meine Fragen antwortet. Trotzdem revidiert er seine Antworten im nach hinein noch oft. „Ich hab' schon mal überlegt hier runter zu springen". Dann sagen wir beide nichts mehr. Ich frage mich warum. Und wann. Kannte er mich da schon? War es, weil er das gleiche für mich empfindet, wie ich für ihn? Aber die Frage die mich am meisten beschäftigt, wofür ich mich hasse, ist, weiß Bella es? Und ich frage mich, warum mich das interessiert. Konnte sie darauf antworten? Konnte sie ihm helfen? Oder war sie im schlimmsten Fall sogar der Grund? Aber wahrscheinlich ist er gar nicht so dumm, wegen eines Mädchens auf solche Gedanken zu kommen. Vielleicht wollte er es nur aus Spaß machen oder war auf Drogen. Oder es war wegen seiner Eltern. Ich könnte ihn einfach fragen. Ich will mich aber nicht aufdrängen. „Warum?" Ich atme auf. Ich hatte die ganze Zeit die Luft angehalten. Ich habe Angst vor der Antwort. Sag mir bitte, dass es kein anderes Mädchen war. Er zuckt mit den Schultern. „Keine Ahnung, ist lange her." Dann holt er sein Handy aus der Hosentasche und tippt. Er wirft seinen Zigarettenstummel auf den Boden und tritt ihn aus. "Lass zu Edeka gehen. Bella ist da und braucht jemanden der ihr Alkohol kauft." Klar, dann renn ihr halt hinterher.  Dieses Mädchen wird im Leben nicht erkennen, wie wertvoll und unglaublich dieser Junge ist, aber er steht irgendwie auf sie, glaube ich. Sie ist auch wunderschön, aber, wenn man mich fragt, charakterlich nicht mal ansatzweise auf seinem Level. Aber mich fragt ja keiner. "Okay." Er dreht um. Ich laufe ihm hinterher und unterdrücke meine Tränen. 

KohlenmonoxidWhere stories live. Discover now