Kapitel 1

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Ich stolperte aufgeregt und ziemlich gut gelaunt die Treppen zu meinem Apartment hoch.

Ich grüßte beim Vorbeigehen flüchtig die alte Mrs. Matmour, die gerade schweratmend Einkaufstüten in ihre Wohnung schleppte. Normalerweise würde ich sicherlich meine Hilfe anbieten, aber dafür war ich im Moment viel zu hibbelig.

Ich schloss die kastanienbraune Tür hinter mir und begrüßte mein Huskyweibchen Ankira, die mich voller Sehnsucht ansprang.

„Ach, Schatz, tut mir Leid, dass das so lange gedauert hat“, murmelte ich und streichelte ihr schwarz-weißes, dichtes Fell.

Ich schlüpfte aus meinen Schuhen und hastete ins Schlafzimmer. Ein Kleid nach dem Anderen landete hinter mir auf meinem Bett. Ich hockte verzweifelt vor meinem Kleiderschrank und suchte nach dem weißen Kleid, welches mein Vater mir drei Wochen zuvor gekauft hatte.

Ankira war mir gefolgt und beobachtete mich schwerhechelnd und mit schiefgelegtem Kopf.

„Hab ich’s doch“, flüsterte ich erleichtert und zog es zwischen zwei Pullovern aus dem ganzen Chaos. Ich streichelte über den samtweichen Stoff und konnte mich glücklich schätzen, dass es nicht zerknittert war.

Ich erhaschte einen Blick auf die leuchtende Digitaluhr, die neben einer Vase weißer Tulpen auf meinem Nachttisch stand.

„Scheiße“, murmelte ich, riss meine Kleidung vom Körper und schlüpfte in das Kleid. Ich schnappte mir noch schnell die weißen High Heels und stöckelte zurück in das Wohnzimmer.

Ankira rannte bellend um mich herum und wedelte wie wild mit dem Schwanz.

„Schatz, ich hab jetzt leider keine Zeit, mit dir rauszugehen.“ Ich kniete mich vor ihr hin und tätschelte sich entschuldigend. „Warum habe ich mir bloß ein Husky angeschafft, obwohl er so viel Auslauf braucht..." Seufzend befestigte ich die graue Leine an ihr.

Ich wollte gerade rausgehen, als mir einfiel, dass ich mich noch nicht einmal geschminkt hatte. Stöhnend lief ich (so gut wie es mit diesen monsterhohen Absätzen möglich war) ins Badezimmer, um die alte Schminke von heute Morgen abzuwaschen und die müden, erschöpften Augen mit kaltem Wasser zu erfrischen.

In Rekordzeit tuschte ich meine Wimpern und setzte ein wenig Puder und Rouge auf.

„So, Schatz, Komm jetzt, wir sind spät“, murmelte ich, nahm Ankira an der Leine, hing mir eine kleine Handtasche um und betrat den schmalen Flur.

Ungeduldig klingelte ich zum zweiten Mal an Mrs. Matmours Tür. Nach zehn Sekunden stand sie mir dann auch endlich genervt gegenüber.

„Also, nochmals vielen Dank, dass sie auf Ankira aufpassen. Wie schon gesagt, es wäre gut, wenn sie heute Abend nochmal eine Runde mit ihr gehen, sie braucht viel Auslauf, aber sie kennen sie ja. So, ich bin leider schon spät dran…“ Ich klopfte auf meine goldene Armbanduhr und hockte mich hin, um mich von Ankira zu verabschieden.

„Sei schön brav“, säuselte ich ihr leise ins Ohr und stand wieder auf.

„Danke nochmal“, rief ich Mrs. Matmour zu und ich sah noch wie sie kopfschüttelnd abwinkte.

Draußen empfing mich eine stickige Wärme und mein knallroter VW-Cabriolet (Sport-Edition). Ich ließ mich erschöpft in den beigen Sitz fallen.

Was für ein Tag und er war noch lange nicht zu Ende.

Heute war die Zeugnisübergabe des letzten Jahres meines Aufenthaltes auf dem College. Ich konnte mit Stolz sagen, dass ich gut abgeschnitten hatte und nun wurde es Zeit, unseren Abschluss zu feiern.

Wer, wenn nicht du?Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt