Kapitel 3

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Ich konnte es immer noch nicht glauben, dass ich gerade in das Auto eines fremden Mannes gestiegen bin und dazu noch die Nacht bei ihm verbracht hatte. Ich holte tief Luft und ließ mich in den Sitz fallen, der überraschend bequem war. Er schloss die Tür, ging einmal um den Wagen rum und setzte sich dann neben mich.

Es sah so aus, als hätte er immer ein leichtes Grinsen auf den Lippen. Ich räusperte mich und sah mir noch ein letztes Mal sein vollkommen weißes Haus an. Wie gern hätte ich noch in diesem wundervollen Bett geschlafen. Ich fühlte mich trotz dem Alkohol am vorigen Abend total ausgeruht und entspannt.

Er fuhr mit offenen Fenstern und lauter Musik durch die Straßen, bis wir nach fünf Minuten die riesige Villa der gestrigen Hausparty erreichten. Ich stieg schnell aus und sah meinen Sportwagen schon vom Weiten. Erleichtert atmete ich aus und strich über die rote Motorhaube.

Ich drehte mich zu Ryan um, der gegen seinen Wagen lehnte und mich mit einem kindlichen Grinsen beobachtete.

„Danke nochmal. Dass ich bei dir schlafen durfte und äh…fürs Frühstück!“ Ich hielt ihm freundlich meine Hand entgegen, um mich zu verabschieden, aber dieses Mal war er derjenige, der sie nicht annahm.

Ich zog verwirrt meine Augenbrauen zusammen.

„Ich warte bis du deine Handtasche gefunden hast. Der Typ, der die Party geschmissen hat, war mir nicht sehr geheuer“, antwortete er.

Ich errötete. Wollte er mich etwa beschützen? Ich nickte kaum merklich und machte mich auf den Weg zur Haustür.

Ich hatte das Gefühl, er würde mich immer noch beobachten, weshalb ich wahrscheinlich nicht gerade einen eleganten Gang hinlegte.

Ich drückte die goldene Klingel und ähnlich wie am Abend davor, wurde die Tür in Sekundenschnelle geöffnet.

„Was gibt’s“, fragte mich ein großer, schwarzhaariger und dünner Junge mit unüberhörbarem Desinteresse.

„Ich habe hier vermutlich gestern meine Tasche liegen gelassen“, antwortete ich.

„Aha.“ Der Junge machte Platz, was anscheinend heißen sollte, dass ich reinkommen durfte. Ich betrat den Flur und ein unangenehmer Geruch von Alkohol und Zigaretten stieß mir in die Nase.

Ich suchte zuerst im Wohnzimmer, in welchem überall halbvolle Becher, Pizzaschachteln und Kippenstümmel lagen. Ich rümpfte angeekelt die Nase und fand meine Tasche schließlich in der Küche. Sie lag auf dem Stuhl, auf dem ich gestern gesessen hatte. Mein Erbrochenes war immer noch auf dem Boden und ich wurde rot bei dem Gedanken, dass Ryan mich so vorgefunden haben musste.

„So ne Sauerei, ich weiß“, murmelte der Junge und zeigte kopfschüttelnd auf den Boden. Ich stimmte ihm mit hochrotem Kopf zu.

„Jedenfalls, danke, dass ich reinkommen durfte“, sagte ich gerade, als die Tür klingelte. Hier haben wahrscheinlich ziemlich viele ihre Sachen vergessen. Der Junge eilte zur Tür, damit er sie wieder in Sekundenschnelle öffnen konnte.

„Lass mich rein“, hörte ich eine bekannte Stimme sagen und ich ging irritiert um die Ecke. Ryan stand vor der Tür und baute sich wütend vor dem Jungen auf.

„Was machst du da?“, fragte ich ihn verunsichert.

Seine Gesichtszüge entspannten sich. „Ich dachte, dir wäre was passiert“, sagte er leise.

Ich lachte kurz auf. „Dein Ernst?“ Jetzt machte er sich aber wirklich lächerlich, was hätte mir hier schon passieren sollen? Ich drängte mich an den Jungen vorbei aus der Türe und dankte ihm noch einmal.

„Ja, mein Ernst“, antwortete Ryan, als wir schon vor meinem Auto standen. Ich antwortete nicht, sondern kramte stattdessen mein Handy aus der Tasche. Sieben verpasste Anrufe und dreißig WhatsApp-Nachrichten in fünf verschiedenen Chats.

Wer, wenn nicht du?Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt